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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. September 2008; 16:50
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  EU/Irland:
  
  > Studie: Ohne Klartext keine Zustimmung
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  Am 12.Juni hatte die Bevoelkerung der Republik Irland mit 53% gegen 
  die Ratifikation des Lissabon-Vertrags gestimmt. Daraufhin wurde die 
  Meinungsforschung beauftragt, den Grund fuer dieses EU-Debakel zu 
  finden. Das Institut Millward Brown IMS veroeffentlichte nun dazu eine 
  Studie.
  
  Zuallererst betont die Studie, was man auch ohne eine solche muehelos 
  haette errechnen koennen: Bei der Volksabstimmung waren 53% der 
  Wahlberechtigten auch wirklich zu einer Stimmabgabe bereit. Das ist 
  deutlich mehr als bei der ersten Abstimmung ueber den Nizza-Vertrag, 
  der ebenfalls schlecht fuer die EU ausging, da waren es nur 35%. 
  Hingegen waren bei der zweiten Nizza-Abstimmung, die die Wuensche der 
  EU erfuellte, ganz offensichtlich die Neinsager daheimgeblieben: Bei 
  Nizza 2, einer Abstimmung, die nach nur geringfuegigen Korrekturen am 
  Vertrag durchgefuehrt worden war, waren es nur mehr 18% der 
  Wahlberechtigten, die mit "Nein" votierten. Am 12.Juni waren hingegen 
  28% der Wahlberechtigten zu einem Nein bereit.
  
  Dennoch war auch diesmal knapp die Haelfte der Wahlberechtigten 
  zuhause geblieben. 46% der Nichtbeteiligten -- hier geht es jetzt in 
  die tatsaechliche Arbeit des Instituts -- begruendeten ihre Abstinenz 
  in einem Mangel an Kenntnis, worum es ueberhaupt in dieser Abstimmung 
  geht. Fuer 42% der No-Voters waere dies ebenfalls der Hauptgrund fuer 
  ihr Abstimmungsverhalten gewesen, so die Studie.
  
  Auch wenn Migration von den Neinsagern deutlich weniger positiv 
  gesehen werde, als von den Jasagern, so waere diese Frage fuer das 
  Abstimmungsverhalten von sehr geringer Bedeutung gewesen. Vielmehr 
  waeren die Nos vor allem wegen Fragen der militaerischen Neutralitaet, 
  wegen der Regulierungswut der EU, dem Verlust eines fixen 
  Kommissionsmitglieds und des befuerchteten Verlusts der Kontrolle 
  ueber die Abtreibungsbestimmungen zu Stande gekommen.
  
  Fuer die meisten Yes-Voters hingegen duerfte ein "starkes allgemeines 
  Gefuehl von Pro-Europaeismus" wichtiger gewesen sein als 
  vertragsspezifische Gruende. Ein zweiter wichtiger Grund fuer ein 
  "Yes" waere das "Befolgen von Ratschlaegen" gewesen. "Die Hauptquelle 
  dieser Ratschlaege war die Regierung", so die Studie woertlich.
  
  Kommentar
  
  Es heisst immer vorsichtig zu sein gegenueber solchen Studien. Die 
  Ergebnisse sind oft gepraegt von der Erwartungshaltung und dem 
  Interpretationswillen der Fragenden. Aber wenn man die Ergebnisse 
  dieser Studie als realitaetsnah ansieht, fuehlen sich EU-Regierungen 
  und -Buerokraten bestaetigt: Die Menschen haben einfach nicht 
  verstanden, welch segensreiches Werk wir ihnen da schenken wollten. 
  Und: Es ist schon richtig, dass wir ueberall sonst eine Abstimmung 
  verhindert haben.
  
  Alles eine Sache der Interpretation: Darf man dieser Studie denn 
  wirklich Glauben schenken, dann kann man die meisten Gruende fuer 
  dieses No als fortschrittlicher Mensch nur begruessen. Sicher, das 
  Abtreibungsregime in Irland ist kaum schuetzenswert, aber 
  vorherrschend war ja vor allem die Unkenntnis ueber den Vertrag. Maria 
  Berger, demnaechst wohl Ex-Justizministerin dieses Landes, hat 
  zugegeben, den Ministerratsentwurf ueber die Einfuehrung des 
  Asylgerichtshofs nicht gelesen und ihm nicht trotzdem, sondern gerade 
  deswegen zugestimmt zu haben. Sie hatte gedacht, das werde schon seine 
  Ordnung haben. Berger ist Respekt zu zollen fuer diese Ehrlichkeit. 
  Wer sich in der Politik derart vertut, gibt das ueblicherweise nicht 
  zu. Klueger allerdings hat die Mehrheit des irischen Volks gehandelt: 
  Sie hat "No" gesagt. Einem Papier, das so unverstaendlich formuliert 
  ist, kann man nicht zustimmen. Credo: Wenn wir etwas zustimmen sollen, 
  muss es Klartext sein.
  
  Bei der zweiten Nizza-Abstimmung war das noch anders. Mein Englisch 
  ist nicht so gut, aber viele Menschen duerften sich da etwas gedacht 
  haben, was wohl eine englische Uebersetzung des wienerischen Worts 
  "Papierln lass ma uns net!" gewesen sei duerfte. Die No-Voters sind 
  damals daheimgeblieben -- was die EU ignorierte und ueber das das 
  mehrheitlich "Yes" jubilierte.
  
  Daraus haben die EU-kritischen Menschen gelernt: Wenn ihr uns ein 
  buerokratisches Machwerk praesentiert, dessen Inhalt niemand mit 
  gesundem Menschenverstand verstehen kann, dann sagen wir 
  sicherheitshalber "Sorry, no!"
  
  Das kann man nur als sehr erwachsene Haltung interpretieren.
  *Bernhard Redl* 
  
  
  
  
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