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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. September 2008; 15:41
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Parlament:
> Haider und Schuessel gegen AK
Die Rechtsparteien haben ueberfallsartig einen Gesetzesantrag 
eingebracht, der die Arbeiterkammern in ihrer Existenz bedroht. Unter 
dem Vorwand der Inflationsbekaempfung wollen sie die unliebsamen 
Interessensvertreter offenbar finanziell aushungern. Oder im Wahlkampf 
Drohgebaerden setzen.
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"Hast schon gehoert? Das BZOe will die AK-Umlage teilweise abschaffen! 
Die haben gestern spaet am Abend einen Entschliessungsantrag 
eingebracht, der mit Unterstuetzung von FPOe und OeVP beschlossen 
wurde!" Der Nationalratsabgeordnete, der bei mir anrief, war hoerbar 
erbost. Zu diesem Zeitpunkt wusste so gut wie niemand, was am spaeten 
Freitagabend im Nationalrat passiert war. Ohne Vorwarnung hatte das 
BZOe Joerg Haiders Ankuendigung, die Arbeiterkammerumlagen fuer 
Schlechtverdienende abzuschaffen bzw. zu halbieren, wahr gemacht, 
zumindest teilweise. Die Rechtsparteien hatten einen 
Entschliessungsantrag durchgewunken, ueber den in zweiter Lesung am 
24. September abgestimmt wird. Der ORF schwieg das ganze Wochenende zu 
dem Thema und der Inhalt der zahlreichen durchgewunkenen Antraege war 
ausser den Abgeordneten und den Parlamentsmitarbeitern bestenfalls 
einigen sehr passionierten Politikbeobachtern bekannt. Freitagabend 
duerften auch etliche OeVP-Abgeordnete von dem Antrag ueberrascht 
gewesen. "Reinhold Mitterlehner blieb bei der Abstimmung zuerst 
sitzen. Erst als Wolfgang Schuessel tobte und ihn anherrschte, doch 
aufzustehen, hat er mitgestimmt", wird erzaehlt. OeAAB-Abgeordnete wie 
Fritz Neugebauer duerften eingeweiht gewesen sein und sich mit dem 
Inhalt des Antrags identifiziert haben. "Neugebauer ist sofort 
aufgesprungen, er hat keine Anweisungen von Schuessel gebraucht", sagt 
eine Quelle.
In der Arbeiterkammer zeigt man sich konsterniert und ueberfahren. Die 
Ankuendigungen Joerg Haiders in der TV-Konfrontation mit Werner 
Faymann waren noch am Freitag als eine der ueblichen Diskussionen um 
die Kammerumlage und eine der ueblichen Haider-Attacken abgetan 
worden. Auch wenn der Bauernbund im Wahlkampf aehnliche Forderungen 
erhoben hatte - ernst nahm das in der AK niemand. Nicht reagieren 
lautete die Devise, das koennte eine oeffentliche Debatte entfachen. 
Und bei der waere die Arbeiterkammer automatisch in der Defensive. 
Warum man von jemandem Geld bekommt, ist immer schwer zu erklaeren. 
Mag es noch so logisch sein. 5 Euro im Monat mehr, das bewegt die 
Menschen emotional mehr als Erfolgsbilanzen der AK. Mag die AK noch so 
wichtig fuer viele Menschen sein, die Sparplaene beschaeftigen sich 
vermutlich nicht. Die Zeiten einer klassenbewussten Arbeiterschaft 
sind vorbei.
Zwischen 13 und 17 Prozent der Arbeiterkammereinnahmen duerften 
verloren gehen, falls der Antrag in der zweiten Abstimmung am 
Donnerstag naechster Woche durchgehen sollte. Er sieht vor, dass 
Bezieher von Einkommen unter 1.100 Euro brutto keine Umlage mehr und 
Bezieher von Einkommen bis 1.350 Euro de facto nur mehr die halbe 
Umlage zahlen sollen. Macht eine Ersparnis von maximal 50 Euro im 
Jahr, in Summe 40 Millionen Euro. Finanziell nicht gerade die Rettung 
der inflationsgebeutelten Massen, aber genug um die AK zu ruinieren. 
Die AK koennte gerade noch die gesetzlichen Auflagen erfuellen wie 
einen kostenlosen Rechtsschutz bei Arbeitsstreitigkeiten. Ob es etwa 
auch genug Kammermitarbeiter geben wuerde, um etwa die Arbeiter von 
insolventen Betrieben zu betreuen, steht in den Sternen.
Bis Redaktionsschluss war nicht bekannt, ob die OeVP dem Antrag nur 
zustimmte, um den mehrheitlich roten Laenderkammern einen Schuss vor 
den Bug zu geben. Die Volkspartei hatte den Kammern wiederholt 
unterstellt, Wahlkampf fuer die SPOe zu machen. Studien, die die 
wirtschaftliche Lage aus sozialer Sicht kritisch beleuchten, wuerden 
kaum mehr publiziert werden. Andererseits kursiert auch die Theorie, 
dass das ernst gemeint war. Als Indiz wird das Verhalten Wolfgang 
Schuessels bei der Abstimmung gewertet. Dass Schuessel als 
Bundeskanzler kraeftig gegen die Arbeiterschaft vorging, traegt nicht 
zur Beruhigung bei. Zwei Fraktionen in der VP seien hier am Werk. 
Eine, die angesichts des drohenden Desasters bei den Wahlen moeglichst 
viele mitreissen will. Und eine, die eine Gespraechsbasis zur SPOe 
aufrecht erhalten wolle. "Die Frage ist nur, wer sich durchsetzt", 
heisst es aus der AK.
Auch in der VP regt sich Widerstand. Erwartungsgemaess von den 
schwarzen Laenderkammern Tirol und Vorarlberg. Und erwartungsgemaess 
auch von der Wirtschaftskammer. Schon aus Eigeninteresse sagt 
WK-Praesident Christoph Leitl dem "Standard": "Die 
Sozialpartner-Autonomie muss gewahrt werden. Die Politik soll hier 
nicht eingreifen". Senkung der Beitraege nur, wenn die AK das selbst 
beschliesst. Falls dieser Antrag durchgeht, koennte auch die 
Wirtschaftskammer-Umlage in Diskussion geraten. Das will die WK um 
jeden Preis vermeiden. Und sie ist auf eine funktionierende AK 
angewiesen, denn Arbeitnehmervertreter, die man durch regelmaessige 
Zusammenarbeit erfolgreich gezaehmt hat, sind den Gegnern lieber, auch 
wenn sie gelegentlich laestig sind. Sozialpartnerschaft statt 
Klassenkampf - von diesem oesterreichischen Phaenomen profitiert 
langfristig vor allem die Unternehmerschaft. Fuer die Arbeiterklasse 
bringt das ertraeglichere Lebensumstaende - bei gleichzeitigem 
Verzicht auf eine grundlegende Veraenderung des Wirtschaftssystems.
Auch diese Haltung kann man als Klassenkampf interpretieren, 
Klassenkampf der Unternehmer gegen die Arbeiter. Definitiv als 
Klassenkampf ist die Haltung Haiders und Schuessels zu sehen, die den 
Arbeitern moeglichst viele Rechte nehmen wollen. Anders kann der 
Antrag nicht erklaert werden. Haiders Haltung gegen die AK ist 
bekannt, und Schuessel hat noch nie eine Gelegenheit ausgelassen, 
Arbeitervertreter zu schwaechen.
Man kann davon ausgehen, dass in den Tagen bis zum 24.9. 
Arbeiterkammervertreter vor allem mit Vertretern der Wirtschaftskammer 
verhandeln werden. Ein paar fehlende VP-Abgeordnete wuerden reichen, 
um den Antrag in zweiter Lesung durchfallen zu lassen und den 
drohenden Ruin abzuwenden.
*Viktor Englisch*
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