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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. September 2008; 16:51
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Israel/Palaestina:
> Ende einer Odyssee
Am 23.August stachen von Zypern aus zwei kleine Schiffe mit 42
MenschenrechtsaktivistInnen an Bord in See. Ziel: Gaza, das
symbolische Durchbrechen der israelischen Blockade. Trotz etlicher
Widrigkeiten -- saemtliche Kommunikationssysteme waren durch
Stoersender lahmgelegt worden, so berichten die AktivistInnen --
gelangten sie doch nach Gaza. Am 26.August fuhren sie wieder zurueck.
Wozu die Aktion nuetze war, schildert Jeff Halper, ein Israeli, der
auf der Reise mit dabei war, aber dann von seinen Landsleuten doch
noch -- eher unfreundlich -- zum Verbleib in Gaza aufgefordert worden
war.
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Nachdem ich nun vor einigen Tage aus dem Gefaengnis entlassen wurde,
in das ich nach meiner Reise nach Gaza musste, moechte ich Euch
zusammenfassend einige Notizen schicken.
Erstens, der Versuch der Bewegung Free Gaza, die israelische
Belagerung zu durchbrechen, wurde durch unerwartet guten Erfolg
gekroent. Dass wir Gaza erreicht haben und wieder verlassen konnten,
hat einen richtig freien Kanal zwischen Gaza und der Aussenwelt
geschaffen. Das ist passiert, weil es die israelische Regierung dazu
zwang, eine klare politische Erklaerung abzugeben: Sie besetze Gaza
nicht und werde deshalb die Bewegungsfreiheit von Palaestinensern in
und aus Gaza (zumindest ueber den Seeweg) nicht beschraenken. (Israels
Sicherheitsbelange koennen leicht befriedigt werden, indem ein
technisches Kontrollsystem aehnlich dem auf anderen Haefen installiert
wird.) Jeder Versuch von Seiten Israels, diese Stellungnahme zu
revidieren - indem es in Zukunft Schiffe daran hindert, Gaza mit
Guetern und Passagieren, einschliesslich Palaestinensern, zu erreichen
oder zu verlassen - wird unweigerlich als Versuch gewertet werden,
Kontrolle auszuueben, und eine Besatzung durchzusetzen. Das eroeffnet
die Moeglichkeit, dass Israel fuer Kriegsverbrechen vor
internationalem Recht zur Verantwortung gezogen wird - etwas, das
Israel um jeden Preis zu verhindern sucht. Von jetzt an ist Israel
entweder Besatzungsmacht und verantwortlich fuer seine Aktionen und
seine Politik, oder die Palaestinenser haben jedes Recht, ihr
Menschenrecht auf freies Reisen in ihr Land und aus ihrem Land
wahrzunehmen. Israel kann nicht laenger beides haben. Unsere zwei
kleinen Boote haben Israels Regierung und Militaer nicht nur
gezwungen, zu diesem Zeitpunkt nachzugeben, sie haben auch den Status
israelischer Kontrolle ueber Gaza geaendert.
Als wir Gaza nach anderthalb Tagen Seefahrt erreichten, hiessen uns
40.000 Gazaner freudig willkommen. Es war ueberwaeltigend und sehr
bewegend. Manche suchten gezielt Kontakt zu mir, offenbar, um nach
Jahren des Eingeschlossenseins endlich mit einem Israeli Hebraeisch zu
sprechen. Die Botschaft, die ich waehrend meines dreitaegigen
Aufenthalts von Leuten aller Fraktionen hoerte, war immer die selbe:
Wie kommen wir aus diesem Schlamassel? ("Wir" im Sinne von: alle die
in diesem Land leben, nicht nur Israelis oder Palaestinenser.) Wo
gehen WIR hin? Die Diskussion war nicht einmal politisch: weder
Ein-Staat-Loesung, Zwei-Staaten-Loesung etc. Sie war einfach
vernuenftig und gerade heraus, basierend auf der Annahme, dass wir
alle weiter im selben Land leben werden, und dieser dumme Konflikt,
mit seinen Mauern, Belagerungen und seiner Gewalt, ist schlecht fuer
alle. Sehen die Israelis das nicht? fragten mich die Leute. Es ist
also wirklich traurig, dass unsere "Feinde" Frieden und Koexistenz
wollen (und mir das auf HEBRAeISCH sagen), wir aber nicht.
Jaaa, auch wir Israelis wollen "Frieden", aber mittlerweile haben wir
fast keine Angriffe mehr, das Gefuehl der Sicherheit waechst, das
palaestinensische Volk ist "verschwunden", die Wirtschaft und der
Tourismus wachsen und bluehen, der internationale Status verbessert
sich unaufhaltsam, -- alles wunderbar. Wenn "Friede" heisst,
Siedlungen, Land und Kontrolle aufzugeben, warum sollten wir das tun?
Was ist verkehrt an der jetzigen Situation? Wenn es funktioniert,
warum daran herumbasteln?
In Gaza gelang es mir auch, alte Freunde zu sehen, besonders Eyad al
Sarraj vom Gaza Community Mental Health Program und Raji Sourani, den
Direktor des Palestinian Center for Human Rights, den ich in seinem
Buero besuchte. Ich habe auch die palaestinensische Ehrenbuergerschaft
mit einem Pass erhalten, fuer mich als israelischen Juden bedeutet das
sehr viel.
Als ich mich in Gaza aufhielt, ermahnten mich in Israel alle -
inklusive der Presse, die mich interviewte - vorsichtig zu sein und
mein Leben nicht zu gefaehrden. Hast du keine Angst? fragten sie.
Also, die einzige Gelegenheit, bei der ich auf meiner gesamten Reise
wirklich und spuerbar Angst hatte, war, als ich nach Israel
zurueckkam. Ich kehrte aus dem Gazastreifen durch den Grenzuebergang
Erez zurueck, da ich betonen wollte, dass die Belagerung nicht nur an
der Kueste stattfindet. Auf der israelischen Seite wurde ich sofort
verhaftet, mit der Begruendung, ich habe einen Militaerbefehl
verletzt, der es Israelis verbietet, sich in Gaza aufzuhalten, und im
Shikma-Gefaengnis in Ashkelon inhaftiert. Jemand in der Zelle erkannte
mich von den Nachrichten her. Die ganze Nacht ueber wurde ich von
rechten Israelis bedroht - ich war sicher, ich wuerde die Nacht nicht
ueberstehen. Ironischerweise befanden sich auch drei Palaestinenser in
der Zelle, die versuchten, mich zu beschuetzen. Die Gefahr ging also
von Israelis, nicht von Palaestinensern aus, in Israel wie in Gaza.
(Ein Palaestinenser aus Hebron war inhaftiert wegen illegalen
Aufenthalts in Israel; Ich war inhaftiert wegen illegalen Aufenthalts
in Palaestina.) Zur Zeit bin ich auf Kaution draussen. Die
Staatsanwaltschaft wird wohl in den naechsten Wochen Anklage erheben;
es koennte sein, dass ich fuer zwei Monate oder so ins Gefaengnis
muss. Jetzt bin ich in jeder Hinsicht ein Palaestinenser: Am Montag
bekam ich die palaestinensische Staatsbuergerschaft, am Dienstag sass
ich schon in Israel im Gefaengnis.
Obwohl die Aktion erfolgreich war, - die Belagerung wird erst dann
wirklich durchbrochen sein, wenn wir den Weg in und aus Gaza
offenerhalten. Laut Plan sollen die Boote in 2-4 Wochen zurueckkehren
und ich arbeite gerade daran, ein Boot voller Israelis zu bekommen.
Was mir bei ungefaehr einem Dutzend Interviews aufgefallen ist und was
ich auch in Berichten ueber unsere Reise gelesen habe, war dominiert
von einem kollektiven Bild von Gaza, den Palaestinensern und unserem
unloesbaren Konflikt, das nur als phantastisch bezeichnet werden kann.
Anstatt sich nach meinen Erfahrungen, Motiven und Einstellungen zu
erkundigen, suchten die Interviewer, besonders die vom 'mainstream
radio', mir ihre Parolen und uniformen Vorurteile aufzudraengen, als
koenne es, gaeben sie mir die Gelegenheit, mich zu erklaeren, den
Todesstoss fuer ihre aengstlich gehueteten Vorstellungen bedeuten.
Nirgendwo in all den Interviews habe ich wirkliche Neugier darauf
gefunden, was ich denn in Gaza tue oder wie das Leben in Gaza ist.
Keiner ist an einer neuen Perspektive interessiert, besonders dann
nicht, wenn sie gut gehegte Vorurteile in Frage stellt. Keiner geht
ueber die alten, ausgeleierten Parolen hinaus. Aber haeufige
Erwaehnung von Terrorismus, Qassam-Raketen und Palaestinensern, die
unsere tapferen Friedensbemuehungen zurueckweisen. Keine Erwaehnung
von Besatzung, Haeuserzerstoerungen, Belagerung, Landenteignung oder
Siedlungserweiterung, ganz zu schweigen von Toetungen, Inhaftierungen
und Verarmung ihrer zivilen Bevoelkerung. Als haetten wir nichts mit
diesem Konflikt zu tun; als lebten wir nur unser normales,
unschuldiges Leben, und boese Menschen haetten beschlossen,
Qassam-Raketen zu werfen. Vor allem: Kein Verantwortungsgefuehl, keine
Bereitschaft, fuer die geschehende Gewalt und den Konflikt
Verantwortung zu uebernehmen.
Die groesste Einsicht, die ich auf dieser Reise gewonnen habe: Ich
habe verstanden, warum Israelis "es nicht kapieren". Trotzdem habe ich
meine Botschaft an meine Mit-Israelis klar formuliert; der
hauptsaechliche Inhalt meiner Interviews und Gespraeche ist folgender:
• Entgegen den Aussagen unserer politischen Fuehrung gibt es eine
politische Loesung fuer den Konflikt, und es gibt Partner fuer den
Frieden. Wir von der Friedensbewegung duerfen den Maechtigen nicht
erlauben, den Konflikt zu mystifizieren, ihn als "Kampf der Kulturen"
darzustellen. Der israelisch-palaestinensische Konflikt ist politisch
und ist somit politisch zu loesen.
• Die Palaestinenser sind nicht unsere Feinde. Ich rufe meine
juedischen Mit-Israelis auf, sich von der Sackgassen-Politik unserer
bankrotten politischen Fuehrung zu verabschieden, und gemeinsam mit
israelischen und palaestinensischen Friedens-Machern zu erklaeren: Wir
weigern uns, Feinde zu sein.
• Als unendlich staerkere Partei im Konflikt, und als einziger
Besatzungsmacht, muessen wir Israelis fuer unsere fehlgeschlagene
Unterdrueckungspolitik Verantwortung uebernehmen.
Lasst mich zum Abschluss den internationalen Organisatoren der
Initiative danken -aus den USA, aus Grossbritannien, Griechenland, aus
Gaza - plus der wundervollen Gruppe der Teilnehmer auf den Booten und
dem grossartigen Kommunikationsteam an Land. Nicht zu vergessen unsere
Gastgeber in Gaza (deren Namen man auf der Free Gaza - Website
nachlesen kann) und die zehntausende von Menschen im Gazastreifen, die
uns willkommen hiessen und ihr Leben mit uns teilten. Moegen unsere
Voelker endlich im gemeinsamen Land den Frieden und die Gerechtigkeit
finden, die sie verdienen.
(Bericht vom 1.9.2008, Ue:Weichenhan-Mer/nahostfriede.at/gek.)
Jeff Halper ist Direktor des israelischen Komitees gegen
Hauszerstoerungen - Israeli Committee Againt House Demolitions ICAHD,
erreichbar unter jeff{AT}icahd.org.
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