**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. September 2008; 15:10
**********************************************************

USA/Glosse:

> Nicht viel "Change" moeglich

Der Ruf nach einer Aenderung der US-Politik wird immer lauter und das
nicht nur, weil der demokratische Praesidentschaftskandidat Barrack
Obama mit seiner "Yes, we can"-Kampagne durch die Staaten tourt,
sondern vor allem weil die Bevoelkerung - innerhalb und ausserhalb der
USA - genug von der chaotischen und uneinsichtigen Bush-Adminstration
hat. An dieser Stelle sollte man den Republikanern danken, weil sie
den Weg fuer "Change" und "Yes, we can" geebnet haben - doch noch ist
nicht aller Wahltage Abend und die letzten beiden
Praesidentschaftswahlen haben bewiesen, dass es immer anders kommen
kann, als erhofft.

Obama hat kein Beduerfnis geweckt, aber er - und vor allem seine
Wahlkampfstrategen - haben erkannt, wie man potentielle Waehler
erreichen kann, und dies medienwirksam umgesetzt. Es steht ausser
Frage, dass der junge, dynamische Familienvater mit dunkler Hautfarbe
und strahlend weissem Gewinnerlaecheln das geringere Uebel und damit
seinem republikanischen Kontrahenten McCain vorzuziehen ist. Was aber
koennen wir von dem Strahlemann erwarten? Was bedeutet ein
US-Praesident Obama fuer Europa und die linken Kraefte hier und in der
Welt? Und: Kann man ueberhaupt hinterfragen, wie links Obama ist, wo
doch "links" in den USA mit "liberal und demokratisch" gleichgesetzt
wird?

In den USA spielt die Aussenpolitik im Wahlkampf wie in kaum einem
anderen Land eine gewichtige Rolle und ist damit wesentlicher
Bestandteil des Themensettings. Wahlen in den USA werden im Ausland
mit grossem Interesse verfolgt, immerhin stellt das Land einen
Globalplayer der internationalen Politik und einen wichtigen
Handelspartner dar. Grosse Erwartungen in den afroamerikanischen
Hoffnungstraeger haben die (europaeischen) Irakkrieg-Gegner, all jene,
die nach zwei Amtszeiten von George W. Bush immer noch an das Gute im
Amerikaner glauben und auch die europaeischen Sozialdemokraten, die
oftmals mit neidischen Blicken auf die "Yes, we can"-Rhetorik Obamas
blicken. Man hofft auf entscheidende politische und soziale
Veraenderungen und auf kooperative Versoehnlichkeit am Parkett der
internationalen Beziehungen. Illusionen sollte man sich jedoch nicht
hingeben. Gesundheitsreform, Bildungschancen, Investitionen in die
Infrastruktur, Steuergerechtigkeit, Gewerkschaftsrechte, Korrekturen
in der Handelspolitik, Klimaschutz und nicht zuletzt ein Ende des
Irak-Engagements - das sind die Kernpunkte der "Change"-Politik Obamas
und zugleich Minenfelder. Konkrete Bedingungen werden im Wahlkampf
freilich nicht gestellt - getreu dem Motto "Bush muss weg, dann sehen
wir weiter" wird die mediale Inszenierung des demokratischen
Spitzenkandidaten perfektioniert und versucht, die Themenfuehrerschaft
zu uebernehmen, ohne sich all zu sehr festzulegen. Natuerlich muss
Obama, so er die Wahlen fuer sich entscheiden kann, Kompromisse
eingehen und er wird nicht alle Vorhaben problemlos umsetzen koennen.
"Im Prinzip ist er ein Mann der Linken. Aber als Praesident wird er
nicht als Sozialdemokrat regieren koennen.", bringt es der bekannte
Medienkritiker und Alt-68er Todd Gitlin auf den Punkt. Obama steht,
mehr als andere Praesidentschaftskandidaten in der Welt, im
Spannungsfeld zwischen Hoffnung und Erwartungen einerseits und den
politischen Moeglichkeiten eines Praesidenten andererseits. Peter
Dreier vom Occidental College in Los Angeles formulierte dies so:
"Wenn die Mehrheiten im Senat und im Repraesentantenhaus ausreichen,
wird er als sozialer Demokrat regieren, wenn nicht, muss er im Zentrum
bleiben - wie Clinton." Denn auch wenn es in der Vergangenheit den
Anschein hatte, so sind die USA keine praesidentielle Diktatur ohne
regulierende oder kontrollierende Institutionen. "Das Wahlprogramm der
Kandidaten ist nicht mehr als eine Wunschliste, nach dem Motto: ‚Wenn
ich der Koenig der Welt bin ...' Nach der Wahl merkt jeder, dass er
nicht Koenig der Welt ist, sondern nur Praesident der Vereinigten
Staaten.", so die treffende Einschaetzung vom Emma Jordon, einer
afroamerikanischen Juristin der Georgetown Universitaet. Die
Ernuechterung kommt bekanntlich nach dem Wahltag und kann kaum im
Vorfeld beurteilt werden.

Obama will Europa zu einem Partner machen und damit den Weg der
Bush-Regierung, sich als alleinige Weltpolizei zu gebaerden, beenden.
Dialog statt Konfrontation, Kooperation statt Alleingang lautet der
Grundtenor in Obamas Berlin-Rede im Juli. Er will als Mensch fuer die
Menschen und deren Rechte in der Welt eintreten - Pathos oder
ambitionierte Herausforderung? Wenn er auf internationale politische
Partnerschaften hofft, so liegt ein langer und steiniger Weg vor ihm.
Erst muessen die liegen gebliebenen Truemmer der Politik seines
Vorgaengers beseitigt werden, bevor das Ausmass der Verwuestung
sichtbar wird. Klar ist aber, dass die Anerkennung des Internationalen
Gerichtshof ein erster Schritt sein muss, doch dazu fand Obama bislang
keine klaren Worte. Rueckzug aus dem Irak und Reduzierung im Einsatz
befindlicher Truppen in anderen Krisengebieten - mehr als ein Zeichen
des guten Willens ist das freilich nicht. Viel eher geht es ihm um
eine Truppenverschiebung und das kann wohl kaum der Weisheit letzter
Schluss sein. Die Achtung internationaler Konventionen und
UN-Resolutionen sowie ein entsprechendes Verhalten in Gremien wie dem
UN-Sicherheitsrat werden noetig sein, um seine Glaubwuerdigkeit zu
untermauern. Zwar traue ich Obama keine Cowboy-Mentalitaet wie Bush
sie demonstrierte zu, ich rufe aber zu verhaltenen Erwartungen und
einer gesunden Portion Skepsis auf. Immerhin leben Partnerschaften von
einem Miteinander und nicht von gegenseitiger Ausbootung oder
Missachtung. Aussenpolitische Zusammenarbeit mit einer konsenslosen EU
ist hierbei ebenso hinderlich (und wahrscheinlich auch muehsam), wie
z.B. das unterkuehlte Verhaeltnis zwischen den USA und Russland, das
sich durch den juengsten Konflikt in Georgien auch nicht erwaermt hat.
Die polarisierende Freund-Feind-Politik Bushs beschert einem
demokratischen Nachfolger keine einfache Ausgangsposition.
Gleichzeitig sind die Erwartungen an Obama nach den zahllosen
Fehlschlaegen der Aussenpolitik seines Vorgaengers ungleich hoeher.
Wenn er dem Druck standhaelt und einen ehrlichen Kurswechsel
einschlaegt, wird sich das Karussell der Internationalen Politik
anders als bisher drehen und mehr koennen wir von den USA
aussenpolitisch derzeit ohnehin nicht erwarten. Wenn Obama dann auch
noch seine Ankuendigung wahr macht, auch mit jenen Laendern verhandeln
zu wollen, die mit den USA im Konflikt liegen, wie z.B. Kuba oder
Venezuela, waere ein weiterer wesentlicher Schritt in die richtige
Richtung getan.

Innenpolitisch sind Obamas Vorhaben ebenfalls nicht unkritisch zu
beurteilen, immerhin hat er sich fuer die Wiederaufnahme des "Patriot
Act" ausgesprochen, der einen massiven und unverhaeltnismaessigen
Eingriff in die Buergerrechte der US-Bevoelkerung darstellt. Hier
zeigt sich, dass es mit sozialer Waerme und sozialliberaler Politik
allein nicht getan ist - die teils konstruierten, teils realen
Konsequenzen des 11. September sind im kollektiven Bewusstsein der
Bevoelkerung verankert und muessen offenbar beachtet werden. Obama
wird, sofern er die Praesidentschaftswahlen gewinnt, den tief
greifenden Wandel aller Voraussicht nach nicht wahr machen koennen,
aber vielleicht geht es den Waehlerinnen und Waehlern auch gar nicht
darum. Vielleicht will man mit einem Erfolg Obamas vor allem zeigen,
dass er wirklich siegen kann und der politischen und religioesen
Rechten einen Schlag ins Gesicht verpassen - ein Ziel, das ich
unterstuetzenswert und gar nicht einmal so unehrenwert finde.
*Stephanie Klamuth*


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin