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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. September 2008; 15:10
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USA/Glosse:
> Nicht viel "Change" moeglich
Der Ruf nach einer Aenderung der US-Politik wird immer lauter und das 
nicht nur, weil der demokratische Praesidentschaftskandidat Barrack 
Obama mit seiner "Yes, we can"-Kampagne durch die Staaten tourt, 
sondern vor allem weil die Bevoelkerung - innerhalb und ausserhalb der 
USA - genug von der chaotischen und uneinsichtigen Bush-Adminstration 
hat. An dieser Stelle sollte man den Republikanern danken, weil sie 
den Weg fuer "Change" und "Yes, we can" geebnet haben - doch noch ist 
nicht aller Wahltage Abend und die letzten beiden 
Praesidentschaftswahlen haben bewiesen, dass es immer anders kommen 
kann, als erhofft.
Obama hat kein Beduerfnis geweckt, aber er - und vor allem seine 
Wahlkampfstrategen - haben erkannt, wie man potentielle Waehler 
erreichen kann, und dies medienwirksam umgesetzt. Es steht ausser 
Frage, dass der junge, dynamische Familienvater mit dunkler Hautfarbe 
und strahlend weissem Gewinnerlaecheln das geringere Uebel und damit 
seinem republikanischen Kontrahenten McCain vorzuziehen ist. Was aber 
koennen wir von dem Strahlemann erwarten? Was bedeutet ein 
US-Praesident Obama fuer Europa und die linken Kraefte hier und in der 
Welt? Und: Kann man ueberhaupt hinterfragen, wie links Obama ist, wo 
doch "links" in den USA mit "liberal und demokratisch" gleichgesetzt 
wird?
In den USA spielt die Aussenpolitik im Wahlkampf wie in kaum einem 
anderen Land eine gewichtige Rolle und ist damit wesentlicher 
Bestandteil des Themensettings. Wahlen in den USA werden im Ausland 
mit grossem Interesse verfolgt, immerhin stellt das Land einen 
Globalplayer der internationalen Politik und einen wichtigen 
Handelspartner dar. Grosse Erwartungen in den afroamerikanischen 
Hoffnungstraeger haben die (europaeischen) Irakkrieg-Gegner, all jene, 
die nach zwei Amtszeiten von George W. Bush immer noch an das Gute im 
Amerikaner glauben und auch die europaeischen Sozialdemokraten, die 
oftmals mit neidischen Blicken auf die "Yes, we can"-Rhetorik Obamas 
blicken. Man hofft auf entscheidende politische und soziale 
Veraenderungen und auf kooperative Versoehnlichkeit am Parkett der 
internationalen Beziehungen. Illusionen sollte man sich jedoch nicht 
hingeben. Gesundheitsreform, Bildungschancen, Investitionen in die 
Infrastruktur, Steuergerechtigkeit, Gewerkschaftsrechte, Korrekturen 
in der Handelspolitik, Klimaschutz und nicht zuletzt ein Ende des 
Irak-Engagements - das sind die Kernpunkte der "Change"-Politik Obamas 
und zugleich Minenfelder. Konkrete Bedingungen werden im Wahlkampf 
freilich nicht gestellt - getreu dem Motto "Bush muss weg, dann sehen 
wir weiter" wird die mediale Inszenierung des demokratischen 
Spitzenkandidaten perfektioniert und versucht, die Themenfuehrerschaft 
zu uebernehmen, ohne sich all zu sehr festzulegen. Natuerlich muss 
Obama, so er die Wahlen fuer sich entscheiden kann, Kompromisse 
eingehen und er wird nicht alle Vorhaben problemlos umsetzen koennen. 
"Im Prinzip ist er ein Mann der Linken. Aber als Praesident wird er 
nicht als Sozialdemokrat regieren koennen.", bringt es der bekannte 
Medienkritiker und Alt-68er Todd Gitlin auf den Punkt. Obama steht, 
mehr als andere Praesidentschaftskandidaten in der Welt, im 
Spannungsfeld zwischen Hoffnung und Erwartungen einerseits und den 
politischen Moeglichkeiten eines Praesidenten andererseits. Peter 
Dreier vom Occidental College in Los Angeles formulierte dies so: 
"Wenn die Mehrheiten im Senat und im Repraesentantenhaus ausreichen, 
wird er als sozialer Demokrat regieren, wenn nicht, muss er im Zentrum 
bleiben - wie Clinton." Denn auch wenn es in der Vergangenheit den 
Anschein hatte, so sind die USA keine praesidentielle Diktatur ohne 
regulierende oder kontrollierende Institutionen. "Das Wahlprogramm der 
Kandidaten ist nicht mehr als eine Wunschliste, nach dem Motto: ‚Wenn 
ich der Koenig der Welt bin ...' Nach der Wahl merkt jeder, dass er 
nicht Koenig der Welt ist, sondern nur Praesident der Vereinigten 
Staaten.", so die treffende Einschaetzung vom Emma Jordon, einer 
afroamerikanischen Juristin der Georgetown Universitaet. Die 
Ernuechterung kommt bekanntlich nach dem Wahltag und kann kaum im 
Vorfeld beurteilt werden.
Obama will Europa zu einem Partner machen und damit den Weg der 
Bush-Regierung, sich als alleinige Weltpolizei zu gebaerden, beenden. 
Dialog statt Konfrontation, Kooperation statt Alleingang lautet der 
Grundtenor in Obamas Berlin-Rede im Juli. Er will als Mensch fuer die 
Menschen und deren Rechte in der Welt eintreten - Pathos oder 
ambitionierte Herausforderung? Wenn er auf internationale politische 
Partnerschaften hofft, so liegt ein langer und steiniger Weg vor ihm. 
Erst muessen die liegen gebliebenen Truemmer der Politik seines 
Vorgaengers beseitigt werden, bevor das Ausmass der Verwuestung 
sichtbar wird. Klar ist aber, dass die Anerkennung des Internationalen 
Gerichtshof ein erster Schritt sein muss, doch dazu fand Obama bislang 
keine klaren Worte. Rueckzug aus dem Irak und Reduzierung im Einsatz 
befindlicher Truppen in anderen Krisengebieten - mehr als ein Zeichen 
des guten Willens ist das freilich nicht. Viel eher geht es ihm um 
eine Truppenverschiebung und das kann wohl kaum der Weisheit letzter 
Schluss sein. Die Achtung internationaler Konventionen und 
UN-Resolutionen sowie ein entsprechendes Verhalten in Gremien wie dem 
UN-Sicherheitsrat werden noetig sein, um seine Glaubwuerdigkeit zu 
untermauern. Zwar traue ich Obama keine Cowboy-Mentalitaet wie Bush 
sie demonstrierte zu, ich rufe aber zu verhaltenen Erwartungen und 
einer gesunden Portion Skepsis auf. Immerhin leben Partnerschaften von 
einem Miteinander und nicht von gegenseitiger Ausbootung oder 
Missachtung. Aussenpolitische Zusammenarbeit mit einer konsenslosen EU 
ist hierbei ebenso hinderlich (und wahrscheinlich auch muehsam), wie 
z.B. das unterkuehlte Verhaeltnis zwischen den USA und Russland, das 
sich durch den juengsten Konflikt in Georgien auch nicht erwaermt hat. 
Die polarisierende Freund-Feind-Politik Bushs beschert einem 
demokratischen Nachfolger keine einfache Ausgangsposition. 
Gleichzeitig sind die Erwartungen an Obama nach den zahllosen 
Fehlschlaegen der Aussenpolitik seines Vorgaengers ungleich hoeher. 
Wenn er dem Druck standhaelt und einen ehrlichen Kurswechsel 
einschlaegt, wird sich das Karussell der Internationalen Politik 
anders als bisher drehen und mehr koennen wir von den USA 
aussenpolitisch derzeit ohnehin nicht erwarten. Wenn Obama dann auch 
noch seine Ankuendigung wahr macht, auch mit jenen Laendern verhandeln 
zu wollen, die mit den USA im Konflikt liegen, wie z.B. Kuba oder 
Venezuela, waere ein weiterer wesentlicher Schritt in die richtige 
Richtung getan.
Innenpolitisch sind Obamas Vorhaben ebenfalls nicht unkritisch zu 
beurteilen, immerhin hat er sich fuer die Wiederaufnahme des "Patriot 
Act" ausgesprochen, der einen massiven und unverhaeltnismaessigen 
Eingriff in die Buergerrechte der US-Bevoelkerung darstellt. Hier 
zeigt sich, dass es mit sozialer Waerme und sozialliberaler Politik 
allein nicht getan ist - die teils konstruierten, teils realen 
Konsequenzen des 11. September sind im kollektiven Bewusstsein der 
Bevoelkerung verankert und muessen offenbar beachtet werden. Obama 
wird, sofern er die Praesidentschaftswahlen gewinnt, den tief 
greifenden Wandel aller Voraussicht nach nicht wahr machen koennen, 
aber vielleicht geht es den Waehlerinnen und Waehlern auch gar nicht 
darum. Vielleicht will man mit einem Erfolg Obamas vor allem zeigen, 
dass er wirklich siegen kann und der politischen und religioesen 
Rechten einen Schlag ins Gesicht verpassen - ein Ziel, das ich 
unterstuetzenswert und gar nicht einmal so unehrenwert finde.
*Stephanie Klamuth*
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