**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. September 2008; 14:54
**********************************************************

Glosse/Migration/(K)Wahlen:

> Spieglein, Spieglein an der Wand,...

... wer ist der Rassistischste im ganzen Land?

Im Wahlkampf ist alles erlaubt. Zumindest wenn ein Fairnessabkommen
fuer den Wahlkampf zwischen den Parlamentsparteien scheitert. So
trauerte uns via ZiB Vizekanzler Molterer vor, dass der boesen FPOe
wegen das von der OeVP so dringend ersehnte Uebereinkommen gescheitert
waere, weil die FPOe nicht auf einen auslaenderfeindlichen Wahlkampf
verzichten wolle. Die OeVP werde sich natuerlich dennoch immer fair
verhalten. Eine Woche spaeter hing im OeVP-Aushang unserer
Bushaltestelle - lange vor der ersten rassistischen
Wahlkampfaeusserung der FPOe - das erste zutiefst rassistische Plakat
des Wahlkampfes.

"Es reicht" hiess es darauf, "Wer bei uns lebt, muss unsere Sprache
lernen". Es reicht - das erinnert sehr an einen juengeren Joerg
Haider, das ist genau seine Diktion. In diesem Zusammenhang reicht "es
reicht" durchaus fuer den Befund des Rassismus, da ist es egal, ob man
die Forderung nach Sprachkenntnissen fuer grundsaetzlich sinnvoll
befindet oder nicht.

Sieht man jedoch andere Plakate der OeVP, so wird klar, dass es mit
der eigenen Sprachbeherrschung ein wenig hapert, denn dieses "es
reicht" ist anscheinend grundsaetzlich anders gemeint als es
rueberkommt. Von den Sprachgenies der OeVP und ihrer Werbeagentur ist
die Zweideutigkeit aber anscheinend niemandem aufgefallen - oder man
steht zum Rassismus. Gemeint war das "es reicht" natuerlich als
Kampfansage an die Versaeumnisse der Regierung, wie man den anderen
Sujets unschwer entnehmen kann. So aefft nun also die kleine
"Oppositions"-OeVP die erfolgreiche ehemalige Haider-FPOe nach, indem
sie sich selbst die Versaeumnisse von zwei Jahrzehnten
Regierungsarbeit vorwirft. Der kleine dumme Waehler wird's schon nicht
merken. Und auch der kleine Auslaender darf nun wieder einmal
jahrzehntelange Versaeumnisse in der Integrationspolitik ausloeffeln.
Diesmal ueberlaesst die OeVP nicht mehr die Drecksarbeit der rechten
Opposition, sie macht sie selbst, in der Hoffnung, im Lager der
Unzufriedenen erfolgreich zu fischen.

Was ist nun inhaltlich davon zu halten? Natuerlich wird jeder zugeben,
dass das Beherrschen der Landessprache fuer jeden hier Lebenden klare
Vorteile hat. Schoen und gut. Aber welche Nachteile hat es fuer die
Waehlerschaft, wenn jemand diesen Vorteil nicht hat? Eigentlich
keinen. Man zerreisst sich halt gerne das Maul darueber, dass "die
Auslaender" nicht Deutsch koennen.

Es wird aber hoffentlich kaum jemand so dumm sein zu glauben, dass
deutsch beherrschende Zuwanderer untereinander auf ihre Muttersprache
verzichten. Der arme gequaelte Nationalist muss wohl oder uebel in der
U-Bahn oder sonstwo weiterhin damit rechnen, mit "Auslaendisch"
konfrontiert zu werden, und die Privatgespraeche anderer, die ihn
sowieso nichts angehen, nicht zu verstehen. Und dafuer, dass
Zuwanderer Deutsch lernen, hat die OeVP ja schon gesorgt, wenn auch in
einer weltfremden Art - also wozu das ganze?

War es nicht auch ein VPler, naemlich Alois Mock, der uns in die EU
fuehrte, und damit Oesterreich jedes Recht nahm, auf Deutsch als
Voraussetzung fuer ein Leben hier zu bestehen? Alle EU-Buerger
geniessen hier Niederlassungsfreiheit. Niemand kann von ihnen
verlangen, deutsch zu lernen. Das betrifft nicht nur die durchaus
beliebten und fuer viele verstaendlichen Englaender und Franzosen,
sondern auch Polen, Rumaenen, Bulgaren, etc. Und was ist mit den
Diplomaten, den UN-Mitarbeitern? Muessen die auch Deutsch lernen?
Nein, natuerlich nicht. Es gibt kein gleiches Recht fuer alle. Wer
Drittstaatsangehoeriger und nicht reich ist oder einer internationalen
Organisation angehoert, der hat mehr Pflichten als andere. Und
zukuenftig sollen Betroffene noch im Ausland Deutsch lernen, um
ueberhaupt hereinzuduerfen. Der Fluechtling, der einfach abhaut, weil
sein Leben in Gefahr ist, soll rechtzeitig deutsch lernen, denn sein
Weg mag ihn ja vielleicht nach Oesterreich fuehren, auch wenn er
zunaechst nicht weiss, wohin es ihn treiben wird. Halt, Moment,
Fluechtlinge sind ja laut Fluechtlingskonvention auch ausgenommen.
Betrifft also nur die Leute, die hierher kommen um zu Niedrigloehnen
in Betrieben der OeVP-nahen Mittel- und Oberschicht und der
OeVP-dominierten Landwirtschaft zu arbeiten. Die duerfen sich in
Aussicht auf ein wenig mehr Geld als zu Hause einen Deutschkurs im
Heimatland leisten. Ist aber schon klar, denn bei uns koennen sie sich
den mangels Geld und Freizeit nicht leisten, da sind ausbeuterische
Unternehmer vor. Die meisten kommen vom Land, wo die Dichte an
Sprachinstituten natuerlich besonders hoch ist. Und aus Laendern in
denen gar kein Deutschunterricht angeboten wird, kann man dann halt
nicht mehr zuwandern. Basta.

Fuer binationale Ehen kommt dann eine neue Huerde, gut so, wir naehern
uns den Nuernberger Rassegesetzen. Natuerlich aber viel zivilisierter.
Wir kriminalisieren nicht, wir verhindern. Nicht ganz. Jeder
EU-Buerger darf hier mit drittstaatsangehoerigem Ehegespons leben,
ganz egal welcher Sprache sie maechtig sind. Oesterreicher duerfen das
laut oesterreichischen Gesetzen nicht, duerfen noch fuer die
Abschiebung des Partners zahlen und jahrelang auf ein
Familienzusammenfuehrungsvisum warten. In Zukunft soll's das nur mit
Sprachkurs geben, und vielleicht sogar nur dann, wenn man ein
Familienleben nachweisen kann - der Vorschlag lag seitens der OeVP
schon am Tisch. Etwa: Er hier, sie in China (abgeschoben) - kein
Familienleben, keine Familienzusammenfuehrung. Also: Hier alles
aufgeben, nach China auswandern, dann natuerlich bei chinesischen
Loehnen kein Geld fuer die Heimkehr mehr haben, nach zwei Jahren
nachweisbarem Familienleben... Na, sind wir den Rassenschaender halt
los, trauert keiner um ihn. Ausserdem: Wer bitte weist das
Familienleben nach? Statten oesterreichische Beamte im Provinznest
unangekuendigte Hausbesuche ab?

Der oesterreichische Verfassungsgerichtshof findet solche
Ungleichbehandlung von Oesterreichern und anderen EU-Buergern voellig
in Ordnung. Unsere Verfassung erlaubt das so. Sie widerspricht damit
aber moeglicherweise EU-Recht. Und das ist die einzige Hoffnung im
Kampf gegen Oesterreichs wichtigste und gefaehrlichste, weil
einflussreichste rassistische Partei - die OeVP.
*Gregor Dietrich*


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin