**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 26. August 2008; 15:38
**********************************************************

(K)Wahlen 08/Glosse:

> Wahlgedanken

Notizen zum bevorstehenden demokratischen Hochamt

Die erste Plakatwelle dieses Wahlkampfes war ja schon sehr
aufruettelnd: "Es reicht!", "Genug gestritten!" und "Dauerstreit -
nicht mit mir!" plakatieren OeVP, SPOe und Gruene. Harmoniesehnsucht
als Wahlkampfslogan. Das BZOe hingegen will mit dem originellen Slogan
"Preisstopp jetzt!" und Joerg Haider als Frontmann punkten. Und die
FPOe stellte fest: "Sie sind gegen ihn, weil er fuer Euch ist!" Fetzig
(so nannte man es im Oe1-Mittagsjournal), aber irgendwann gabs das
doch schon einmal. Das LiF will auch wieder kandidieren und stellte
originellerweise Heide Schmidt als Spitzenkandidatin auf. Dann fiel
Faymann auf, dass er als einziger der Spitzenkandidaten nicht schon
seit Jahrzehnten einer breiteren Oeffentlichkeit bekannt ist und
antwortete mit einem Donnerschlag: "Die neue Wahl!" steht auf seinen
aktuellen Plakaten.

Doch die Meinungsumfrager duerften ihre Probanden nur mehr schlafend
vorgefunden haben und so gibt es jetzt doch sowas wie eine heisse
Phase: Unter anderem will die SPOe jetzt die Studiengebuehren
abschaffen. Diesmal ernsthaft und so richtig wirklich. Faymann hat
sich dabei soweit aus dem Fenster gelehnt, dass es selbst einen
Sozialdemokraten schwerfallen duerfte, da sich noch umfallen zu
lassen, denn, um im Bild zu bleiben, der Sturz waere zu tief.
Allerdings hatte man ja sich auch bei Gusenbauer schon sehr gewundert,
zu welchen Leistungen im Umfallen Sozialdemokraten faehig sind.

Aber vielleicht kommt Faymanns Paket doch nicht durch, weil die
Freiheitlichen den Sozialdemokraten keinen Imagegewinn zukommen lassen
wollten -- schliesslich sind Wahlzeiten.

Auch die OeVP stellt nun fest, dass es doch ein wenig mehr Inhalt
braucht -- und rittert mit den beiden anderen arrivierten
Rechtsparteien um den Titel der tollsten Law- and Order-Partei: Nicht
nur die Auslaender muss man zurueckdraengen, sondern auch die
Sexualtaeter muessen gesellschaftlich ausradiert werden.

Nur die Gruenen haben beschlossen, fad zu bleiben. Was in letzter Zeit
so von ihnen zu hoeren war, waren ein Misstrauensantrag gegen den
Verteidigungsminister und dass sie die bisherige Abgeordnete Theresia
Haidlmayer rausgeekelt haben. Karl Oellinger kandidiert in Wien nur
mehr auf dem nicht sehr aussichtsreichen 5.Platz. Politisch
belangloser kann diese Kandidatur wohl nicht mehr werden.

Was gibts sonst noch? Die Wiedergeburt des Andreas Hofer, die
OeVP-Spaltpartei nach Tiroler Vorbild, die Liste mit der amikalen
Bezeichnung "Fritz": Wird wegen Neuigkeitswert bei allen Parteien
knabbern -- wofuer Dinkhauser aber steht, ist einer breiteren
Oeffentlichkeit noch nicht so bekannt. Auf Youtube gibt es schon eine
Wahlkampfrede von ihm, aber wirklich schlauer wird man daraus nicht.
Er praesentiert sich als der "grade Michl", der mehr soziale Waerme
von der OeVP fordert -- sehr konkret ist das auch nicht.

Der KPOe faellt auch nicht viel ein, ausser dass sie die einzige
bundesweite linke Kraft am Stimmzettel sei. Wenn die Headline darin
besteht, sich vom Linksprojekt abzugrenzen, dann ist das auch nicht
viel. Das Linksprojekt hingegen (es kandidiert in 5 Bundeslaendern)
hatte seine Viertelstunde des Ruhms mit dem Sager der LSR-Vertreterin
ueber die Enteignung der oberen 10.000. Das war eine klare Ansage und
wenn man wirklich Wahlen, bei denen man sowieso keine Chance hat,
nuetzen will, um Inhalte zu transportieren, dann war das
goldrichtig -- doch gleich darauf zerstritt man sich schon wieder
recht heftig, weil diese Aussage nicht abgesprochen gewesen waere.
Super!

"Rettet Oesterreich" wird Oesterreich nicht retten, und das ist gut
so. Allerdings werden sie ebenfalls bei so ziemlich allen Parteien
knabbern. Und dann gibt es noch bundesweit die "Christen" und in
Kaernten die Liste "Stark" sowie eine FPOe-Abspaltung, die den Grossen
Trotzky-Preis fuer Beleidigungsspaltung verdient. Zuletzt sei aber
noch die nur in Wien kandidierende Tierrechtspartei (TRP) erwaehnt --
und die ist nicht unspannend: Diese Partei hat bei den NOe-Wahlen nur
im Bezirk Moedling kandidiert, dort aber mehr Stimmen als
beispielsweise die KPOe oder das BZOe erhalten. Auch die Tierrechtler
werden nicht in den Nationalrat kommen, aber sie werden einige
Last-Minute-Waehler abfischen, die zwar noch nie etwas von der TRP
gehoert haben, aber angesichts der Auswahl auf dem Stimmzettel aus
lauter Verzweiflung ihre Tierliebe oder ihre Empoerung ueber die
laufenden 278a-Verfahren entdecken.

Ja, Verzweiflung wird es viel geben in der Wahlzelle. Das waehlende
Volk beginnt langsam zu erkennen, dass es keine wirkliche Wahl hat.
Viele werden zuhause bleiben, weil sie wissen, dass sie unabhaengig
vom Wahlergebnis doch wieder nur verarscht werden. Viele werden
irgendwas waehlen: Das kleinste Uebel oder irgendeine Kleinpartei,
damit die Wahlenthaltung wenigstens politisch zuordenbar ist.

Das Ergebnis an Mandaten wird dann wohl ein recht Zufaelliges werden,
das mit dem beruechtigten Waehlerwillen nicht viel gemein haben wird.
Genau gar nichts mehr mit dem Waehlerwillen zu tun haben wird aber die
dann folgende Koalition. Aber das ist auch egal -- denn die
Verzweifelten in der Wahlkabine haben recht: Verarscht werden wir
sowieso -- warum sollten wir bei diesem Spiel noch mitspielen?

Die Verzweifelten sind ein grosses Potential und es wird immer
groesser. Und irgendwann werden sie eine wirkliche Macht sein und dann
wird es egal sein, wer im Parlament sitzt. Was diese Macht dann will,
das wird auch geschehen. Dies sei dem Linksprojekt und der KPOe ins
Stammbuch geschrieben. Aber jetzt haben wir ersteinmal eine Wahl.
*Bernhard Redl*


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin