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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 26. August 2008; 15:42
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Kapitalismus/Sport:

> Mit Geld gedopt

Der Korruptionssumpf des IOC

In den letzten Wochen wurde viel Kritik an den Olympischen Spielen und
dem dahinter stehenden IOC geuebt. Es ist zu hoffen, dass die
Diskussionen ueber die Vergabe der Spiele an China und die gewaltsame
Unterdrueckung in Tibet auch nach dem Ende der Sommerspiele nicht von
der medialen und politischen Bildflaeche verschwindet.

In der Vergangenheit wurden jedoch immer wieder auch
Korruptionsvorwuerfe gegen das IOC oder verschiedene Nationale
Olympische Komitees laut. IOC-Praesident Jacques Rogge hatte im Mai
2006 eine Rede gehalten, in der er auch auf die Korruptionsgeschichte
des IOC einging. Woertlich erklaerte er: "Sie wissen das ja auch, dass
das IOC selbst vor zehn Jahren grosse Probleme mit Korruption hatte.
Aber wir haben, wie ich finde, entschlossen reagiert, indem wir die
Ethik-Kommission gebildet haben." Soweit so schlecht, denn die
eingesetzte Ethik-Kommission nahm nur einen Staubwedel zur Hand, statt
eine Grundreinigung zu unternehmen. Es gab einige wenige
oeffentlichkeitswirksame Entlassungen und einige freundschaftliche
Verwarnungen - damit hatte man die gewuenschten Erfolge erzielt und
ein neues, korruptionsfreies Zeitalter des IOC eingeleitet. Weit
gefehlt, wie verschiedene Antikorruptions- und
Menschenrechtsorganisationen zu Recht kritisieren. Oder warum fehlt in
der Olympischen Charta, dem Grundgesetz fuer die Spiele und fuer die
35 beteiligten Weltverbaende nach wie vor das Wort "Korruption"?
Betrugsstrukturen wie z.B. Aemterverquickung, organisierte
Kriminalitaet, Pression auf Abweichler, Bestechung und die
systematische Einflussnahme bzw. Vereinnahmung von Politikern
existieren demnach nicht nur nicht, sondern werden ueberhaupt nicht
thematisiert - und das nach einer endlosen Abfolge von Skandalen und
Skandaelchen, die die Geschichte des IOC entscheiden mitpraegen.
Anders als in der Privatwirtschaft entwickelt und professionalisiert
der Sport seine endemische Kriminalitaet aber ungestraft, obwohl es
sich hierbei laengst nicht mehr um ehrenamtliche Hobbyorganisatoren
handelt, sondern um einen gigantischen polit-oekonomischen Komplex.
Das IOC ist ein Privatverein nach Schweizer Recht und agiert doch
laengst als Globalplayer des internationalen Sports, der mit Staaten
und Organisationen wie den UN verhandelt, dabei fast diplomatischen
Status besitzt und quasi frei von Strafgesetzen und internationalen
Konventionen agiert. Man laesst dem IOC weitgehend freie Hand und so
ist es kaum verwunderlich, dass eine Scheindemokratie mit zahlreichen
Ausnahmeregelungen entstanden ist.

Im Jahr 2000 musste sich Sydney dem Vorwurf stellen, zwei
IOC-Mitglieder aus Afrika bestochen zu haben, um den Zuschlag zu
bekommen. Und auch bei den Spielen 2008 in Peking gab es
Korruptionsschlagzeilen um den franzoesischen Geschaeftsmann d'André
Guelfi, der, angeblich aus Rache am damaligen franzoesischen
Staatspraesidenten Jaques Chirac, IOC-Mitglieder bestochen haben soll,
fuer Peking und gegen Paris zu stimmen. Die Liste solcher Vorwuerfe
und Ungereimtheiten liesse sich beliebig lange fortsetzen und stellt
keine grosse Ueberraschung dar, immerhin geht es bei den Olympischen
Spielen vordergruendig um Geld und erst zweit- oder drittrangig um den
sportlichen Wettkampf. Nach dem Korruptionsskandal von Salt Lake City
2002 wurde ein neues Bewerbungsverfahren fuer die Vergabe der
Olympischen Spiele eingefuehrt. Wer jedoch glaubt, dass damit das
Kapitel geschlossen werden konnte, der irrt. Die konkrete Be- und
Verurteilung von Korruptionsdelikten stoesst auf viele Probleme, so
z.B. auf unterschiedliche regionale Definitionen. Die Anklage des
US-Justizministeriums gegen die ehemaligen Chefs des
Bewerbungskomitees von Salt Lake City wurde vom US-Bundesgericht in
Utah mit der Begruendung zurueckgewiesen, es gaebe keine Beweise fuer
einen Gesetzesverstoss. Die Folge war ein bilderbuchartiger
Freispruch. Ohne das Urteil an dieser Stelle zu bewerten, so ist doch
eines sicher: Gegen die Korruption, die vor allem wirtschaftlich
bestimmt ist, muessten verstaerkt oekonomische Massnahmen eingesetzt
werden, da sich alle anderen Mittel in der Vergangenheit als unwirksam
erwiesen haben. Was fehlt, ist eine echte Pruefung mit entsprechenden
Sanktionsmoeglichkeiten. Die Geldstroeme des Weltsports, die zum
groessten Teil aus oeffentlichen Mitteln bestehen, muessten
unabhaengigen Instanzen uebertragen werden, doch von einer ernsthaften
Kooperation wie z.B. "Transparency International" ist die Branche und
somit auch das IOC meilenweit entfernt. Zwar hat man - alles in
allem - gute Erfahrungen mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA)
gemacht, eine Welt-Anti-Korruptions-Agentur steckt indes noch nicht
einmal in den Kinderschuhen. Der langjaehrige WADA-Praesident Richard
Pound ist der Meinung, dass die Einrichtung einer solchen aber
dringend notwendig sei - man koennte sogar die Strukturen der WADA
nutzen, muesste aber entsprechend in ihre Ausstattung investieren, so
Pound.

Wenn IOC-Praesident Rogge seine Glaubwuerdigkeit nicht vollends
verlieren wolle, muss er die umfassende und institutionalisierte
Korruptionsbekaempfung auf die Agenda des Olympischen Kongresses 2009
setzen, sind sich viele Organisationen und Kritiker einig. Das
Geschaeft mit dem Sport ist ein grenzueberschreitendes
Milliarden-Business, doch mehr als 95% aller Korruptionsdelikte
bleiben immer noch unerkannt. Ohne internationale
Anti-Korruptions-Konventionen wird sich daran wohl auch kuenftig
nichts aendern, denn entsprechende Abkommen von OECD und Europarat
gelten nur fuer Wirtschaft und Politik, nicht aber fuer den Sport.
Abschliessend noch ein paar Worte zur in Peking untergrabenen
Meinungsfreiheit der teilnehmenden Sportler und Sportlerinnen: Mit der
Begruendung, man wolle eine Politisierung des Sports verhindern,
ergibt man sich offenkundig einer fatalen Scheinheiligkeit. Die
Olympischen Spiele sind eine sportliche, wirtschaftliche und eben
politische Angelegenheit - es ist daher unverantwortlich, Verbote und
Erlaubnisse zu erteilen. Es kann nicht angehen, die Vergabe der Spiele
an menschenrechtswidrige Regime wie z.B. China zu argumentieren, aber
jegliche Kritik dazu im Keim ersticken zu wollen. Wenn das IOC hinter
seinen Entscheidungen steht und diese oeffentlich argumentieren kann,
muss es den Athleten erlaubt sein, ihre Meinung kundzutun. Es ist
gestattet, sich vor oder dem Wettkampf zu bekreuzigen und so seiner
religioesen Ueberzeugung Ausdruck zu verleihen -- seine politischen
Ansichten sollen dagegen nicht demonstriert werden duerfen?
*Stefanie Klamuth*

Buchtipp:
"Der olympische Sumpf. Die Machenschaften des IOC"
von Thomas Kistner und Jens Weinreich; Piper; 2000


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