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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Juli 2008; 13:26
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Wirtschaft:
> Spitzel, Spione und Co. - nicht nur bei Attac
Soziale und Umweltbewegungen sind immer haeufiger das Ziel von 
Spitzel-Angriffen.
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Die jetzt bekannt gewordene Ausspaehung von Attac durch den Nestlé- 
Konzern ist kein Einzelfall. Harte US-amerikanische Methoden halten 
Einzug bei den grossen Umweltkonflikten, insbesondere wenn sie 
wirtschaftliche Interessen betreffen. Soziale und Umwelt-Bewegungen 
muessen sich auf Spionage, Greenwash, Akzeptanzforschung und 
industriegesteuerte Scheininitiativen einstellen. Auch der gezielt 
geplante "fliegende Wechsel" einzelner Umweltaktivisten von den 
Umweltverbaenden zur Industrie gehoert laengst zum Geschaeft.
Nestlé soll Attac ausgespaeht haben, lauteten die Schlagzeilen am 14. 
Juni 2008. "Eine Autorengruppe von Attac in der Schweiz hat eine 
Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Bespitzelung angekuendigt", so die 
Berichte. Die Attac-Gruppe reagierte auf einen im Schweizer TV-Sender 
TSR ausgestrahlten Beitrag, wonach die Sicherheitsfirma Securitas die 
Gruppe im Auftrag von Nestlé ueber ein Jahr lang bespitzelte, waehrend 
sie an dem Buch "Attac gegen das Imperium Nestlé" arbeitete. Securitas 
soll eine als Globalisierungskritikerin getarnte Frau in die Gruppe 
eingeschleust haben.
Die kritischen Atom-Internetseiten von www.bund-freiburg.de sind 
juengst bei Wikipedia auf der Spamseite gelandet. Das fuehrte dazu, 
dass diese wichtigen AKW-Seiten auch bei Google ab Mitte Juni 2008 
nicht mehr gefunden werden. Es gibt einige Indizien, die auf eine 
moegliche Unterwanderung des Atombereichs bei Wikipedia schliessen 
lassen: Getarnt als unabhaengige Buergerinitiative, verbreite die 
industriegesteuerte Schein- Buergerinitiative "Buerger fuer Technik" 
(BfT) Lobeshymnen ueber die Kernkraft, berichtete die "Zeit" am 
17.4.2008. Die Tarnorganisation der Atomlobby bearbeitet natuerlich 
auch Wikipedia: "Zum selben Zweck wird offenbar auch das freie 
Internetlexikon Wikipedia manipuliert. Mehrmals schon wurden die 
BfT-Mitglieder aufgefordert, missliebige Beitraege zu bearbeiten. "In 
der Anfangszeit war da viel ideologisch durchsetzt", zitiert die 
"Zeit" einen Insider.
Torsten Kleinz, Autor von Focus-Online berichtete am 15.08.07: "Biblis 
ist sicher! Einer der aktivsten Autoren im Wikipedia Artikel ueber das 
Kernkraftwerk in Biblis ist ein Nutzer mit der IP-Adresse 
153.100.131.14. Er schrieb schon im vergangenen Jahr ueber 
Radionuklide, die Reaktion der Notstrom- Dieselgeneratoren und setzt 
im Brustton der Ueberzeugung den Satz hinzu: 'Das Kraftwerk Biblis ist 
ein Meilenstein in puncto Sicherheit.' Der anonyme Autor muss es 
wissen: Seine IP-Adresse gehoert dem Biblis-Betreiber RWE."
Wie ebenfalls durch Medienberichte bekannt wurde, liess der 
Energiekonzern Shell die Gesellschaft fuer bedrohte Voelker (GfbV) und 
die Umweltorganisation Greenpeace ueber die britische 
Wirtschaftsdetektei Hakluyt durch den deutschen Filmemacher Manfred 
Schlickenrieder ausspionieren.
Ein "Umwelt-Aussteiger", Ex-Greenpeace-Aktivist Bjorn Lomborg wirft 
den Umweltorganisationen in seinem industriefreundlichen Buch 
"Apokalypse No" vor, sie schuerten unbegruendete Umwelt-Aengste. Der 
sehr medienwirksame Hinweis auf die ehemalige Greenpeace- 
Mitgliedschaft gehoerte zum gezielten Marketing.
Im Robin Wood Magazin 1.03 wird ueber das "Wirken" der Public 
Relations- Agentur Edelman berichtet, die unter anderem Firmen in 
massiven Umweltkonflikten beraet. Auch diese PR-Agentur hat einen 
Spezialisten fuer die so genannte NGO-Kommunikation: Jonathan Wootliff 
war Kommunikationsexperte bei Greenpeace International, bevor er die 
Seite wechselte und zu Edelmann kam. Er wurde auf Robin Wood 
angesetzt, um die Umweltorganisation mit dem Papierkonzern APRIL, der 
auf Sumatra den letzten Tieflandregenwald zerstoert, an einen Tisch zu 
bringen.
Am 13.11.2002 bestaetigte sich der Verdacht, den norddeutsche 
AtomkraftgegnerInnen hegten: An einer Castor- Blockadeaktion bei 
Lueneburg hatte ein Spitzel teilgenommen. Durch Recherchen wurde der 
zirka 35 Jahre alte Mann, der sich zuvor in die Buergerinitiative 
eingeschlichen hatte, als BGS-Beamter enttarnt.
Das Unterwandern von Umweltgruppen, die sich mit der Wirtschaftslobby 
anlegen, ist in den USA noch ausgepraegter als in Deutschland. John 
Stauber and Sheldon Rampton berichten in Ihrem Buch "Lies, damn lies 
and the public relations industry": "Bud, jener Spion, der ins Jeremy 
Rifkin-Buero eingeschleust wurde, wurde auf einer Presse-Konferenz der 
,Beyond-Beef-Kampagne' ,enttarnt', als ihn ein Journalist mit den 
Worten: ,Arbeiten Sie immer noch fuer McDonald's?' begruesste. Bud 
antwortete: ,Ich weiss nicht, was Sie meinen. Sie muessen mich 
verwechseln.' Aber der Journalist bestand darauf. Bud war tatsaechlich 
eingeschleust worden. Sein wirklicher Name ist Seymour D. Vestermark."
Sechs auf einen Streich
Die Fachautorin Claudia Peters berichtet von einem Fall, in dem sich 
Undercover-Agenten in England besonders auffaellig verhielten: 
"McDonald`s trieb diese Methode zur Kabarett-Reife. Anfang der 90er 
Jahre machte die Gruppe Greenpeace London (nicht zu verwechseln mit 
der grossen Organisation Greenpeace) mit Flugblaettern gegen den 
Fress-Konzern mobil. Zu den Treffen kamen nie mehr als 10 Leute. 
McDonald's beauftragte Detektive, die Gruppe auszuspionieren. 
Nachweislich waren sechs Undercover-Agenten aktiv. Die sechs wussten 
nichts voneinander und haben sich fleissig gegenseitig bespitzelt. 
Zutage kam das bei einem Prozess, den McDonald's gegen zwei Mitglieder 
von Greenpeace London anstrengte. Die Firma blamierte sich dabei bis 
auf die Knochen."
Am 25.4.2004 berichtete das Politikmagazin Monitor ueber das falsche 
Spiel der Stromlobby in Sachen Windkraft: "Buergerinitiativen gegen 
Windkraftanlagen schiessen ueberall im Bundesgebiet wie Pilze aus dem 
Boden. Viele dieser Buergerinitiativen kaempfen nicht allein, sondern 
werden laut Monitor vertreten von einem Rechtsanwalt namens Thomas 
Mock. Er taucht ueberall auf, wo Lobbyarbeit gegen Windkraft gefragt 
ist. Die Mitglieder der Initiativen sind froh, einen kompetenten und - 
ihrer Meinung nach - unabhaengigen Experten an ihrer Seite zu haben 
und das zu einem fuer einen Rechtsanwalt unglaublich guenstigen 
Honorar."
Was die meisten Buergerinitiativen, die von Thomas Mock unterstuetzt 
werden, aber wohl nicht wissen: Laut Monitor vertritt dieser Mock die 
Interessen der Aluminiumindustrie. Sein Arbeitgeber ist Hydro 
Aluminium, der drittgroesste Aluminiumkonzern in Deutschland. Die 
Herstellung von Aluminium ist ein sehr energieintensiver Prozess. 40 
Prozent der anfallenden Kosten sind Stromkosten. Kein Wunder also, 
dass dieser Industriezweig an niedrigen Strompreisen interessiert ist. 
Dabei kommt die Windkraft ins Spiel. Sie laesst die Strompreise zwar 
nur leicht ansteigen, bei einem grossen Konzern wie Hydro Aluminium 
koennte das aber bis zu 10 Millionen Euro mehr in der Stromrechnung 
ausmachen.
Auch der BUND musste den "Verlust" eines Experten beklagen: Jens 
Katzek wechselte vom BUND zur "KWS Kleinwanzlebener Saatzucht AG". 
Beim BUND Bundesverband hatte sich der studierte Biochemiker Katzek 
als Kritiker der Gentechnologie einen Namen gemacht. Bei KWS, einem 
der groessten deutschen Saatguthersteller, ist er fuer die 
Oeffentlichkeitsarbeit zustaendig. Das Unternehmen will gentechnisch 
veraenderte Nutzpflanzen vermarkten. Danach war Katzek 
Geschaeftsfuehrer der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie 
(DIB) in Frankfurt/Main - eine berufliche Veraenderung aus 
Ueberzeugung? So haette es die Gen-Lobby gerne und so stellte die 
Industrie den Seitenwechsel gerne dar. War Katzek bereits gezielt beim 
BUND eingesetzt und sein spaeterer Wechsel zur Industrie lange 
geplant? Ging es bei seinem Seitenwechsel gar nur ums Geld? Fragen, 
die nur Herr Katzek beantworten kann.
Der kritische Journalist Erich Schmidt-Eenboom berichtet im November 
2005 in der Tagesschau, wie er bespitzelt wurde: "Ausgangspunkt war 
mein Buch 'Schnueffler ohne Nase', das im Juni 1993 erschien und sehr 
viele Informationen aus Geheimbereichen des Bundesnachrichtendienstes 
enthielt. Es wurden Kameras auf den Eingang des Instituts fuer 
Friedenspolitik ausgerichtet, um festzustellen, wer sich unter meinen 
Besuchern im Institut befindet. Um die Voraussetzungen dafuer zu 
schaffen, ging der stellvertretende Leiter des Observationskommandos 
zur Weilheimer Kriminalpolizei und gab sich als Mitarbeiter des 
Landeskriminalamts aus. Ein oertliches Textilhaus stellte dem 
vermeintlichen LA-Mann daraufhin einen Raum zur Verfuegung, in dem 
Ueberwachungstechnik untergebracht wurde. Dann wurde auf dem Parkplatz 
gegenueber dem Institut ein Auto abgestellt, in dessen Sonnenblende 
eine Kamera installiert war und die Aufnahmen in den zur Verfuegung 
gestellten Raum sendete. Und so wurden ich und alle Besucher des 
Instituts ueber Monate observiert."
Recycling der besonderen Art
Claudia Peter berichtet auch ueber die "Gefahr im Altpapier": "In 
Holland schlich sich ein Spion bei mindestens 30 Organisationen aus 
der Umwelt- und Dritte Welt-Bewegung ein und bot sich an, ihr 
Altpapier zu entsorgen. Angeblich wollte er den Erloes einer 
Hilfsorganisation in Afrika spenden. Das ging acht Jahre lang, bis er 
aufflog. Die betroffenen Gruppen wunderten sich sehr, dass ihre 
internen Informationen ploetzlich an Industrieverbaende und Zeitungen 
gelangten. Des Raetsels Loesung: Der Spion arbeitete fuer eine private 
Sicherheitsfirma, die General Security Consultancy in Amsterdam. Die 
Firma sammelte das Material und verkaufte es weiter."
Die Methode scheint verbreitet: Auch bei der Ueberwachung des 
Journalisten Erich Schmidt-Eenboom wurde das Altpapier vom BND 
ausgewertet. Bis zum Jahr 2003 ist regelmaessig das Altpapier von 
Schmidt-Eenboom, das alle vier Wochen zum Abtransport auf die Strasse 
gestellt wurde, durchsucht worden, berichtete die Sueddeutsche 
Zeitung. Um keinen Verdacht zu erregen, haben die BND-Mitarbeiter dem 
Bericht zufolge die Abfalltueten des Publizisten gegen "aehnlich 
aussehende anderen Inhalts" eingetauscht.
Um es deutlich zu sagen: Nicht jeder, der von einem Umweltverband oder 
einer Buergerinitiative zur Industrie wechselt, darf unter 
Generalverdacht stehen. Dennoch, die vielen Beispiele, die vermutlich 
nur die Spitze des Eisberges sind, zeigen, was auf Umweltverbaende und 
Soziale Bewegung zukommt, wenn Umweltschutz und unsere Aktivitaeten 
den Gewinninteressen der Konzerne zuwider laufen. Absehbar ist, dass 
Methoden dieser Art, die in den USA schon gang und gaebe sind, in 
Zukunft verstaerkt auch bei uns eingesetzt werden. Wir muessen uns 
damit auseinandersetzen.
Dies gilt insbesondere fuer die oekologisch- oekonomischen Konflikte, 
bei denen es auch um viel Geld geht. In Sachen neue AKW und 
Europaeischer Druckwasserreaktor EPR geht es in der Schweiz um ein 
Geschaeft im Umfang von 12 Milliarden Euro und in Frankreich um ein 
Geschaeft im Wert von weit ueber 200 Milliarden Euro. Jeder neue 
Reaktor wird rund 3 bis 4 Milliarden Euro kosten. In allen grossen 
Konflikten muss mit Spitzeln und Spionen gerechnet werden, duerfen die 
Aktiven ueber diesem Wissen aber auch nicht in eine selbstlaehmende 
Paranoia verfallen.
(Axel Mayer, Geschaeftsfuehrer des BUND Suedl. Oberrhein in 
Freiburg/Linkszeitung)
Quelle: http://linkszeitung.de/content/view/169028/1/
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