**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Juli 2008; 13:30
**********************************************************
Glosse:
> In Frage gestellt
Gedanken ueber den Staat und seine Vertreter.
*
Schwer zu sein ein Exekutivorgan. Zwei Meldungen der letzten Wochen 
machten wieder einmal klar, wie die staatlich beauftragten "Macher" 
durch Praepotenz, demokratische Ignoranz, aber auch wohl persoenliche 
Verletztheit das politische Klima praegen.
Da waere zum einen der Fall eines beleidigten Drogenfahnders. Der 
Hintergrund: Ein Oberoesterreicher, der mit einer grossen Menge 
Hanfpflanzen erwischt worden ist, wurde vom Gericht nicht wegen 
Drogenhandels, sondern nur wegen -besitzes verurteilt. Er hatte 
glaubhaft machen koennen, dass er nur durch Zufall in den Besitz 
dieser Menge gekommen war, und er sich nicht daran kommerziell 
bereichern haette wollen. Tatsaechlich ist seit kurzem eine 
Gesetzesnovelle in Kraft, die die Unterscheidung zwischen Handel und 
Besitz fuer den Eigengebrauch nicht mehr nur an der Menge festmachen 
will. Die Oberoesterreichischen Nachrichten melden dazu: "Bei der 
Polizei verursacht die neue Regelung einigen Unmut: ´Das Problem ist 
die Beweisbarkeit. Waehrend wir bei einer groesseren Menge davon 
ausgehen, dass der Betreffende auch dealt, sieht das die 
Anklagebehoerde offenbar nicht so. Das stellt unsere Arbeit schon in 
Frage´, sagt ein Drogenfahnder." (1)
Nochmal: "Das stellt unsere Arbeit schon in Frage.". Natuerlich stellt 
die Justiz die Arbeit der Polizei in Frage. Es ist naemlich die 
Aufgabe der Justiz, die Arbeit der Polizei in Frage zu stellen. Und 
der Gesetzgeber passt die Gesetze an, weil er sie in Frage stellt. 
Sicher, oft genug ist es in dieser Republik so, dass Justiz und 
Gesetzgeber alles tun, was die Polizei so fuer richtig haelt -- aber 
das ist nicht ihre Aufgabe, sonst koennte die Polizei sich die Gesetze 
selber machen und ohne Verfahren einsperren.
Dies so zu sagen, ist keine linke oder besonders fortschrittliche 
Position, denn die wuerde wohl eher fragen, was denn an 
Cannabis-Konsum so grossartig verbrecherisch sei. Nein, es ist eine 
komplett buergerliche Position, zu formulieren: Die Justiz hat die 
Arbeit der Polizei in Frage zu stellen.
Zum anderen waere da das Beispiel des ehemaligen daenischen 
Aussenministers Uffe Ellemann-Jensen. Dieser schreibt (zitiert nach 
dem Standard (2)) zum "No" der irischen Bevoelkerung zum EU-Vertrag: 
"Irland sollte dem Rest von Europa einen Gefallen tun und aus der EU 
austreten. ... Den Vertrag nochmals zu verhandeln ist keine Option, 
denn das wuerde eine Buechse der Pandora voller Ansprueche der anderen 
oeffnen. Also liegt das Problem bei den Iren, und sie muessen es 
loesen". Denn: "Europa muss weiter".
Auch hier wieder der naemliche Fall: Ellemann fuehlt sich behindert. 
Da hat man mit soviel Schweiss und in so vielen Kaempfen einen solch 
schoenen Vertrag ausgehandelt -- und dann kommen die daher und machen 
ihn kaputt. In allen anderen Laendern haben wir eine Volksabstimmung 
unterdruecken koennen, nur wegen diesem einen Land, das partout nicht 
auf seine sperrige Verfassung verzichten moechte, sollen wir wieder 
von vorne anfangen?
Und mir kommt wieder dieser Satz in den Sinn: "Das stellt unsere 
Arbeit schon in Frage." Es scheint nicht nur Praepotenz und Ignoranz 
zu sein. Dieses Statement klingt auch irgendwie wie der Satz "Aber ich 
hab mich doch so bemueht und das muesst ihr schon irgendwie auch 
bewerten!" Ein Schueler, der auf seine Mathe-Schularbeit einfach ein 
"Nicht genuegend!" geschrieben hat, weil er halt leider nicht rechnen 
kann, wird mit dieser Haltung nie seinen Abschluss schaffen. Aber 
staatliche Exekutivorgane, egal, ob es sich um kleine Polizisten oder 
Traeger hoechster Staatsaemter handelt, glauben, dass ihre Arbeit 
keinerlei Pruefung unterzogen werden muesste. Sie identifizieren sich 
mit dieser Arbeit. Deren Qualitaet in Zweifel zu ziehen, ist ein 
Affront gegen sie selbst und sie fuehlen sich -- ganz ohne Ironie 
formuliert -- in ihrer Wuerde verletzt. Und selbst wenn sie 
akzeptieren, dass ihre Arbeit nicht perfekt sein koennte, so verlangen 
sie doch, dass nicht das Ergebnis des Bemuehens, sondern das Bemuehen 
an sich honoriert werde. Der Schueler kommt damit nicht durch. Der 
Staatsdiener aber glaubt, Macht genug zu haben, dass ihm niemand mehr 
auf die Finger klopfen darf.
Exekutivorgane sind ausfuehrende Organe -- sie haben das zu tun, wozu 
sie laut Gesetz verpflichtet sind. Sie wollen sich immer gerne ihre 
Gesetze selbst schreiben und oft genug tun sie das auch, weil der 
buergerliche Rechtsstaat entgegen seinen eigenen Prinzipien ihnen 
nicht Einhalt gebietet.
"Checks and Balances", "Trennung der Gewalten", das sind 
Schlagwoerter, die auf der Politologie und allenfalls noch im 
Juridikum unterrichtet werden. In der Realverfassung spielen sie meist 
keine Rolle.
*Bernhard Redl*
Zitate nach:
(1) http://www.nachrichten.at/regional/705256PHPSESSID=1ac32e77c9ba2d993c474d9b189eed15
 (2) http://derstandard.at/?id=3377049
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der 
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd 
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe 
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit 
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der 
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem 
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige 
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement 
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den 
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin