**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Juli 2008; 13:05
**********************************************************
Asyl:
> Odysseus aus Afrika
Italien - Deutschland - Italien - Deutschland - Italien - 
Oesterreich... so lauteten die Stationen der Dublin-Odyssee eines 
minderjaehrigen afrikanischen Fluechtlings.
*
Allam Y. stammt aus Darfur im Sudan. Er fluechtete 2003, mit 15 
Jahren, zunaechst in den Tschad, dann teils zu Fuss durch die Wueste 
nach Libyen und dann in einem Fluechtlingsboot ueber das Meer nach 
Italien. Dort fand er keinen Schutz. Nach ein paar Wochen warf man ihn 
aus dem Lager raus und drueckte ihm ein Schreiben in die Hand: er 
muesse Italien sofort verlassen.
Er lebte dann mit anderen Fluechtlingen in einem Zeltlager bei Foggia, 
dann bei Syrakus, arbeitete schwarz auf Tomatenplantagen; zweimal 
sperrte die Polizei ihn ein und forderte ihn erneut auf, das Land zu 
verlassen. Nach zwei Jahren fluechtete er, nun 17jaehrig, nach 
Deutschland weiter.
Dort ging es ihm zunaechst ganz gut, er stellte in Frankfurt einen 
Asylantrag, wurde in ein Kinderheim gebracht, hatte endlich ein Dach 
ueber dem Kopf, lernte Deutsch - aber dann beschlossen die deutschen 
Behoerden, dass Italien fuer ihn zustaendig sei. So sieht es die 
"Dublin II-Verordnung" vor.
Sie gaben ihm ein Papier, mit dem er (freiwillig und unbegleitet) ins 
Flugzeug stieg und nach Mailand flog. Aber die italienischen Behoerden 
verweigerten ihm die Einreise und schoben ihn nach Deutschland 
zurueck. Nach 20 Tagen schickten ihn die Deutschen wieder nach 
Italien, diesmal in Begleitung seiner Heimleiterin. Diesmal liessen 
ihn die Italiener herein, nahmen ihm sein weniges Geld weg und 
stellten ihn auf die Strasse.
Irgendwie schlug er sich wieder nach Foggia durch, wurde nicht ins 
Lager gelassen, lebte einige Monate bei Syrakus mit anderen Illegalen, 
50 Kilometer von der naechsten Stadt, ohne Strom und Wasser. Um Wasser 
zu holen, mussten sie 40 Minuten gehen. Dort traf ihn die deutsche 
Reporterin Carmen Te, die einen Dokumentarfilm ueber Fluechtlinge in 
Italien drehte. Sie interviewte ihn und gab ihm etwas Geld. Im Oktober 
2006 fluechtete er nach Oesterreich.
Sein Asylantrag wurde wegen "Dublin"-Zustaendigkeit Italiens 
zurueckgewiesen. Allam kam in Schubhaft, trat in Hungerstreik, 
Polizisten fesselten ihn an Haenden und Fuessen mit einem Klebeband 
und brachten ihn zum Flugzeug. Er bat sie flehentlich, ihn nicht 
abzuschieben, sie schlugen ihn, er wandte sich verzweifelt an den 
Flugkapitaen. Der weigerte sich, ihn mitzunehmen. Allam wurde in die 
Justizanstalt Korneuburg gebracht.
Die Polizisten sagten aus, er habe sie geschlagen... Allam wurde wegen 
Widerstands gegen die Staatsgewalt zu zwoelf Monaten Gefaengnis (vier 
davon unbedingt) verurteilt. Waehrend der Haft versuchte er zweimal, 
sich zu erhaengen. Der Gefaengnisseelsorger, Herr Dvorak, nahm sich 
seiner an und stellte den Kontakt zu mir her.
Allam stellte am Ende der Strafhaft einen neuen Asylantrag, ich 
uebernahm seine Rechtsvertretung und erhob Berufung gegen den 
neuerlichen Dublinbescheid. Ich beantragte, Carmen Te als Zeugin zu 
befragen, ihren Film zum Beweis der menschenunwuerdigen Zustaende in 
Italien herbeizuschaffen und den italienischen Asylakt aus dem Jahre 
2003 anzufordern.
Zu meiner freudigen Ueberraschung gab die Erstaufnahmestelle West der 
Berufung statt und erliess eine "Berufungsvorentscheidung": Sie hob 
also ihren eigenen Bescheid auf. Der "Ermittlungsaufwand" infolge 
meiner Antraege sei so gross, dass Oesterreich doch lieber vom 
"Selbsteintrittsrecht" Gebrauch machen wolle...
Bald darauf kam es noch besser: Seelsorger Dvorak begleitete Allam zur 
Einvernahme ueber seine Fluchtgruende nach Traiskirchen. Mit Bescheid 
des Bundesasylamtes erhielt Allam im Maerz 2008 Asyl!
*Michael Genner, Asyl in Not*
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der 
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd 
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe 
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit 
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der 
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem 
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige 
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement 
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den 
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin