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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. Juni 2008; 16:50
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Israel/Palaestina/Oesterreich/Debatte:

> Zu Recht ausgeladen

Leserbrief zu: "Mit und ohne Jagdschein", Bericht von der aus dem
A.Schweitzer-Haus ausgeladenen Gaza-Veranstaltung
(akin 15/08, akin-pd 27.5.2008)
*

Es gibt leider Linke, die zum Thema Israel Meinungen vertreten, die
falsch sind und in die Naehe des Antisemitismus kommen. Man sollte
diesem Spuk ein Ende bereiten. Solche Meinungen sollte man konsequent
bekaempfen.

Hier die schlimmsten Zitate von der Veranstaltung "Gaza muss leben",
die damit auch voellig zu Recht vom Albert Schweitzer-Haus ausgeladen
wurde. Das erste Zitat stammt aber aus einem Protestbrief gegen diese
Ausladung: "Gerade deshalb duerfen wir heute unsere Augen nicht vor
dem schleichenden Voelkermord verschliessen, den Staatsideologie und
Staatspraxis des Judentums an den Palaestinensern, insbesondere im
Gazastreifen, verursachen."

Welcher "Voelkermord" bitte??? Bis heute dachte ich, dass sich bei
einem "Voelkermord" (z.B. Juden, Tutsis, Armenier) die Zahl der
Menschen rasant verringert! Im Gaza-Streifen ist sie dagegen stark
angestiegen! Ausserdem zeigt die Verwendung des Begriffs "Judentum" in
diesem Zusammenhang ("Staatspraxis, Staatsideologie") dass der Autor
die Juden insgesamt (und ihre Ideologie und ihre Verwaltung) ablehnt.
Damit geraet er in die Naehe des Antisemitismus.

Zitat Viola Raheb: "In diesem Krieg hat man einen neuen Feind
gefunden. Einige nennen ihn Islam, andere Islamismus."

Leider ist es so, dass viele Linke einfach nur verallgemeinernde
Plattitueden und Oberflaechlichkeiten vertreten. Das ist ein gutes
Beispiel dafuer, denn die Raheb weiss offensichtlich nur sehr wenig
ueber "Islamismus" und "Islam". Der "Islam" ist zwar tatsaechlich
Feindbild, aber nur bei einem geringen Teil der Gesellschaft, vor
allem bei den Rechtsradikalen. Das kann man aber nicht
verallgemeinern! Die Politik macht ueberall in der westlichen Welt
eine strenge Unterscheidung. Feind ist nicht die Religion "Islam"
(uebrigens gibt es keinen Grund fuer die "Linken" nur das Christentum
zu kritisieren, man darf also auch, nein, man sollte auch die
Institutionen des Islam kritisieren), sondern der "Islamismus" und der
ist rund 80 Jahre alt Er ist also kein "neuer" Feind, sondern ein
alter. Und der Islamismus ist nicht zufaellig vor allem in den 30ern
und 40ern stark geworden, weil er vom Nationalsozialismus und seinen
antisemitischen Schriften beeinflusst war. Es ist auch kein Zufall,
dass heute in der islamistisch gesinnten arabischen Welt die typischen
antisemitischen Schriften wie "Protokolle der Weisen von Zion" und
"Mein Kampf" kursieren.

Nochmal Raheb: "Man hat einen Feind gebraucht, der fuer die Mehrheit
fremd ist". Mit solchen Saetzen offenbart man, dass man in einer
Gedankenwelt lebt, in denen Fakten uninteressant sind und
Verschwoerungstheorien eine Hauptrolle spielen. Eigentlich muesste ein
gebildetes Publikum solche Saetze auspfeifen, stattdessen "erfolgte
starker Applaus".

Zitat Anas Shakfeh: "Nach der Gespraechsverweigerung gab es die
verschaerften Boykottmassnahmen Israels. Wir haben jetzt die
kollektive Bestrafung eines ganzen Volkes! Das ist
voelkerrechtswidrig. Man darf nicht alle bestrafen, wenn man einige
treffen will." Das ist eine falsche Darstellung! Es gab naemlich keine
"Gespraechsverweigerung", sondern GespraechsBEDINGUNGEN. Wenn die
Hamas Israel anerkennt und der Gewalt abschwoert, koennte es jederzeit
Gespraeche geben. Dass diese Bedingungen gestellt werden, ist aber,
wenn man die Charta der Hamas liest, nur allzu verstaendlich! Linke
muessten eigentlich, wenn ihnen die Menschenrechte nicht egal sind,
solche Bedingungen unterstuetzen und fordern, dass die Hamas ihre
(antisemitische) Charta umschreibt statt dass man ihr Geschaeft sogar
unterstuetzt.

Es gibt auch keine "kollektive Bestrafung". Und es ist auch nicht
"voelkerrechtswidrig", wenn man den Strom abstellt, weil das Kraftwerk
beschossen wird. Welcher Nachbar wuerde seinem Nachbarn weiter Milch
vor die Tuere stellen lassen, wenn der dem Milchlieferanten immer
wieder die Reifen durchsticht???

Nochmal Shakfeh: Die Schoah war: "ein massloses Unrecht, die Schoah
hat stattgefunden, und wer sie leugnet, leugnet die Wahrheit." Die
Unterdrueckung der Palaestinenser sei "die unmittelbare Folge davon"
und "fuer beide Unrechte, fuer beide Katastrophen tragen vor allem die
Deutschen schuld."

Das ist falsch! Die angebliche "Unterdrueckung der Palaestinenser" ist
ganz sicher keine Folge der Shoah! Zunaechst einmal: Welche
"Palaestinenser"??? Erst mit dem Zuzug der Juden (wobei es im 19.Jhdt.
in Jerusalem wesentlich mehr Juden gab als Moslems) kamen auch viele
Araber und das vor allem deshalb, weil ihnen die Juden einen Ausweg
aus der Armut in den arabischen Staaten boten. Die Einwanderung der
Juden nach Palaestina verbesserte also die (wirtschaftliche und
soziale) Situation der "Palaestinenser". In den 30ern unterstuetzte
sogar der syrische Diktator die Einwanderung der Juden genau aus
diesem Grund!

Welche "Unterdrueckung"??? Die "Araber" haben in Israel alle
moeglichen wirtschaftlichen und politischen Rechte. Die ganz normale
arabisch sprechende Bevoelkerung ist sogar weit besser gestellt als
die Vergleichbare in den umliegenden arabischen Staaten. "Die" Araber
sind in Israel wesentlich weniger diskriminiert als z.B. in Jordanien.
Wer die "Unterdrueckung" der "Palaestinenser" in Israel anprangert
ohne die viel schlimmere in Jordanien zu erwaehnen, outet sich als
antisemitisch denkender Mensch!!!! (1)

O.K. Es mag auch eine gewisse "Unterdrueckung" der "Palaestinenser" in
Israel geben, die ist aber absolut keine Folge der Shoa, sondern eine
des antisemitischen Hasses von Arabern gegen die Juden. Es gab
naemlich schon in den 20ern und erst recht in den 30ern, als der
Nationalsozialismus der Deutschen immer mehr Einfluss bei den Arabern
bekam, Anschlaege gegen Juden, weil Geruechte und
Verschwoerungstheorien kursierten ("Juden werden uns beherrschen" oder
"Juden haben unsere Frauen vergewaltigt"). Und so wie heute haben die
Juden auch schon in den 1930er Jahren auf solche Anschlaege mit Gegen-
und Sicherheitsmassnahmen reagiert!

Wuerden "die" Palaestinenser mit ihrer Gewalt gegen Juden und gegen
Israel aufhoeren, es gaebe bald keine Unterdrueckung mehr. Ich
erinnere daran, dass viele nach Palaestina ausgewanderte Juden
sozialistische Ideale der Gleichberechtigung der Ethnien und der
Religionen vertraten!

Und darueber hinaus kann man nicht einmal behaupten, dass "die
Deutschen" daran Schuld sind, weil meines Wissens der groesste Anteil
der 1946 und 1947 nach Palaestina ausgewanderten Juden aus Polen kamen
(und davor kamen ja viele aus Russland).

Zitat Franz Sieder: "Gleichzeitig koennen die unmenschliche Politik
und die Verbrechen, die heute von Israel am palaestinensischen Volk
begangen werden, nicht mit dem Holocaust gerechtfertigt werden."

Erstens: Welche "Verbrechen"? Der Mauerbau? Die Stromabschaltung, nach
2 Tagen rueckgaengig gemacht, weil die ganze Welt protestierte? Die
Bezeichnung "Verbrechen" dafuer ist laecherlich! Wegen der Versuche,
Raketenabschussrampen zu zerstoeren? Israel hat -- voelkerrechtlich --
jedes Recht dazu!

Zweitens: Stimmt nicht! Israel "rechtfertigt" gar nichts mit dem
Holocaust, sondern mit "Gewaltakten, Entfuehrungen und Attentaten".

Zitat Peter Melvyn: "Denn der Staat Israel beruht seit seiner
Gruendung auf Terror, auf Massakern, auf ethnischer Saeuberung. ...
750.000 Menschen wurden damals vertrieben, ihr Hab und Gut wurde
beschlagnahmt, Israel hat sich auch daran bereichert."

Erstens: Der Staat Israel gruendet sich nicht auf "Terror..." sondern
auf einen Teilungsbeschluss der UN, angenommen mit mehr als 2/3 der
Stimmen. Israel hat zwar nach einem Angriff arabischer Staaten sein
Gebiet vergroessert. Es hat (in der Geschichte) Gebiete aber auch
gegen einen dauerhaften Friedensvertrag wieder vollstaendig (Aegypten)
zurueckgegeben!

Zweitens: Wenig bekannt ist, dass rund 900.000 Juden aus arabischen
Staaten vertrieben wurden! Man muesste also nicht von einer
"ethnischen Saeuberung" sprechen, man koennte "Bevoelkerungstausch"
dazu sagen! Und fuer mich war es das auch: Bevoelkerungstausch!

Drittens: Es wird zwar behauptet, aber es gibt dennoch keine Beweise
dafuer, dass Palaestinenser vorsaetzlich und planmaessig vertrieben
wurden, um das Staatsgebiet zu vergroessern und nicht aufgrund von
Spannungen und Kaempfen im Jahr 1948. Ausserdem wurden waehrend des
Krieges auch Juden aus Jerusalem vertrieben, wo sie seit Jahrhunderten
gelebt haben. Waehrend der jordanischen Besatzung Jerusalems wurden
Synagogen und juedische Friedhoefe zerstoert.

Viertens: Dieser Teil der Linken erwaehnt zwar das Massaker von Deir
Yassin, ignoriert aber viele andere, die zur gleichen Zeit stattfanden
und an Juden veruebt wurden! Da wird mit zweierlei Mass gemessen! Und
deshalb ist auch da der Vorwurf des Antisemitismus berechtigt!

Zitat Fritz Edlinger: "Es ist ihr Recht, ihren eigenen Staat zu
bekommen, ihre Selbststaendigkeit zu bekommen, so wie auch andere
Voelker das Recht hatten. Sie sind eines derjenigen Voelker, denen
dieses Recht verweigert wird, und zwar seit 60 Jahren in immer
staerkerem Ausmass."

Auch dieser Satz ist historisch Bloedsinn! Denn die PLO hat zunaechst
gar keinen palaestinensischen Staat gefordert, sondern immer die
"Befreiung Palaestinas" von Israel! Es gab auch keine Forderungen
gegenueber Aegypten oder Jordanien fuer einen palaestinensischen Staat
als diesen die Gebiete Gaza und Westjordanland gehoerten.

Und es ist eigentlich sogar Bloedsinn von "dem" palaestinensischen
"Volk" zu sprechen, weil es im ganzen Nahen Osten Moslems, Araber,
Christen und Juden gibt und viele Staatsgrenzen (Jordanien, Libanon,
Syrien, Irak) nach dem 1. Weltkrieg neu geschaffen wurden nachdem das
Gebiet vom Osmanischen Reich befreit wurde und ueberall diese Ethnien
und Religionsgruppen vorkommen. "Die" Palaestinenser gibt es
eigentlich nicht!

Ich denke es wird wohl etwas Wahres daran sein, wenn behauptet wird,
dass es "die Palaestinenser" nur solange gibt, bis Israel wieder von
der Landkarte verschwindet!
*Thomas Herzel (gek.)*

1) siehe dazu:
http://www.theisraelproject.org/site/apps/nlnet/content2.aspx?c=hsJPK0PIJpH&b=3911541&ct=5161949
*

> Eine Antwort

Lieber Thomas, natuerlich war die Gaza-Veranstaltung einseitig. Das
sind aber pro-zionistische (oder wie immer man das moeglichst
nichtwertend bezeichnen moechte) Veranstaltungen auch, genauso wie
Deine Position.

Einige von Dir als Fakten bezeichnete Behauptungen moegen wir
bezweifeln, bei anderen geht uns ein wenig der Kontext ab.
Tatsaechlich waere aber die muehselige Arbeit, all das in anderem
Licht darstellen zu wollen, wenig sinnvoll, denn darueber ist nun
wirklich genug geschrieben worden. Du hast Deine Fakten, die
Gegenseite die ihren; sich diese Behauptungen bis in alle Ewigkeiten
gegenseitig um die Ohren zu hauen, bringt niemandem etwas.

In unserer Redaktion vertritt niemand Deine Meinung, denn sie ist
einer Dialogfindung absolut nicht dienlich. Die Menschen im
historischen Gebiet Palaestina, Juden wie Araber, vor allem die
jungen, koennen absolut nichts fuer die Geschichte, aber sie muessen
mit deren Folgen leben. Historische Aufrechnerei, wer denn hier
"recht" hat oder wem Palaestina "gehoert", hilft niemandem ausser den
Nationalisten auf beiden Seiten.

Einfach nur alles als Bloedsinn anzusehen, was nicht Deiner Meinung
entspricht, und Menschen, die sich schon lange mit dem Thema
auseinandersetzen und manche davon auch in diesem Gebiet leben,
taxfrei Unkenntnis zu unterstellen, ist auch nicht gerade Ausfluss
einer noblen Zurueckhaltung.

Dennoch: Wir drucken Deinen Text ab, weil wir nicht den Fehler des
Albert Schweitzer-Hauses machen wollen, Diskussionen zu unterdruecken.
Allerdings haben wir Deinen Text etwas gekuerzt und auch die aergsten
Faschismuskeulen und Hitler-Vergleiche aus dem Text genommen, da sie
eben dieser Diskussion nicht dienlich sind. Das mag Dir zensorisch
erscheinen, aber uns erschien es besser so. Du kannst uns aber zu Gute
halten, dass wir Interessierten den Volltext Deines Artikels gerne
zusenden werden.
*Bernhard Redl fuer die Redaktion*


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