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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 3. Juni 2008; 16:44
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Fremde/Recht/Kommentar:
> Integration konterkariert
Stellungnahme von "Ehe ohne Grenzen" zum OeVP-Massnahmenkatalog ueber 
Integration und Zuwanderung.
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Am 30.5.2008 liessen Minister Platter und Vizekanzler Molterer mit 
einem Massnahmenpaket zur Verschaerfung der Zuwanderungsbestimmungen 
aufhorchen. Bis jetzt wurden fuer binationale Familien drei sehr 
massgebliche Punkte bekannt.
1. Erhoehung der verpflichtenden Deutschkursstunden in der 
Integrationsvereinbarung von 300 auf 600 Stunden.
2. Verpflichtende Deutschkurse im Herkunftsland der PartnerInnen als 
Vorraussetzung fuer den Erhalt eines Aufenthaltstitels.
3. Nachweis einer bestehenden Ehe ueber einen laengeren Zeitraum, 
bevor Familienzusammenfuehrung nach Oesterreich moeglich ist.
Fuer uns als ExpertInnen fuer binationales Familienleben von Ehe ohne 
Grenzen ist dies ein eindeutiger Schritt in eine falsche Richtung und 
konterkariert jegliche Integration unserer PartnerInnen. Binationales 
Familienleben in Oesterreich, so es unter den derzeitigen 
fremdenrechtlichen Umstaenden ueberhaupt noch funktionieren kann, wird 
noch deutlich erschwert. Zu den einzelnen Punkten:
Ad 1) Erhoehung der Deutschkursstunden auf 600
Die Erfahrungen von Ehe ohne Grenzen zeigen, dass unsere PartnerInnen 
allein schon durch die Tatsache in einem oesterreichischen 
Familienverband eingebettet zu leben, hoch motiviert sind, sich die 
deutsche Sprache anzueignen, und dies selbstverstaendlich und im 
Alltag passiert.
Die von der OeVP geforderten 600 Stunden liegen uebrigens weit ueber 
dem Hauptschulabschluss-Niveau und wuerden in etwa einer sechsten 
Schulstufe AHS entsprechen.
Ad 2) Deutschzertifikate schon im Heimatland erwerben
Diese Forderung wurde offensichtlich an die bestehende Praxis in 
Deutschland angelehnt. Doch schon dort zeigte sich nach mehreren 
Monaten, dass dies ein untaugliches Mittel zum Deutscherwerb ist. Der 
Verband Binationaler "IAF", eine seit 25 Jahren bestehende 
Vertretungsorganisation in Deutschland, kritisiert diese Regelung 
vehement und kann aus der Praxis berichten, dass sich diese Bestimmung 
mehr als untauglich zeigt.
So gibt es weltweit keine flaechendeckenden Deutschinstitute, den 
EhepartnerInnen werden stundenlange Anreisen zu den Kursen zugemutet. 
Die erforderlichen Pruefungen duerfen dazu nur in Goethe-Instituten 
abgelegt werden, welche aber nach deutschen Erfahrungen meist gar 
nicht die personellen Ressourcen dafuer besitzen.
Erfahrungsberichte aus Deutschland zeigen, dass es in den meisten 
Staaten schlicht und einfach unmoeglich ist, diese Bedingungen zu 
erfuellen, weil es viel zu wenige Institutionen gibt, wo man Deutsch 
lernen kann.
In Afrika gibt es 19 Goethe-Institute, in Asien 26, in Nordamerika 10, 
in Suedamerika 22 und in Australien 2. In der gesamten Russischen 
Foederation gibt es zB. lediglich zwei Kursinstitute.
Goethe-Institute sind spaerlich gesaet, die PartnerInnen muessten 
unter Umstaenden tagelange Anreisen in Kauf nehmen, sich um Einreise- 
und Durchreisevisa bemuehen um zu den entsprechenden Kursen zu 
gelangen und um dort die Pruefungen abzulegen. Kurse die fuer die 
jeweiligen Landesverhaeltnisse kaum leistbar, und oft ueber Monate 
ausgebucht sind, was eine Trennung der Eheleute ueber Monate hinweg 
mit sich ziehen kann.
Diese Bestimmung ist in unseren Augen unoekonomisch und kann nur als 
Schikane verstanden werden, wenn man bedenkt, dass das gewuenschte 
Ergebnis in Oesterreich vor Ort, mit Unterstuetzung des 
oesterreichischen Familienverbands so viel einfacher und nachhaltiger 
erzielt werden kann.
Ad 3) Ehen muessen im Ausland laengere Zeit bestanden haben
Es ist uns noch nicht ganz klar, wie die Aussagen Minister Platters zu 
deuten ist, wonach "eine Ehe schon eine bestimmte Zeit bestanden haben 
muss, um eine Familiezusammenfuehrung in Oesterreich zuzulassen". Aber 
auch wenn die Details zu dieser Bestimmung noch nicht bekannt sind, 
erfuellen sie doch mit Sorge.
Die Bestimmung nimmt auch keine Ruecksicht darauf, dass 
OesterreicherInnen vor allem in ihrer Freizeit mobil und global 
vernetzt sind, so dass in ihnen der Wunsch nach einem realen 
Zusammensein mit einem liebgewordenen Menschen auch ueber temporaere 
Kontakte entstehen kann. Ganz abgesehen davon, dass solche Kontakte 
nicht selten zu ganz realen Familiengruendungen fuehren, weil sich ein 
Kind ankuendigt.
Heisst das, was Platter sagt, dass OesterreicherInnen ihren 
Arbeitsplatz verlassen und im Herkunftsland des Partners leben 
muessten? Wie stellt sich der Minister das vor? Es hiesse, dass 
OesterreicherInnen ihren Wohnsitz und Arbeitsplatz aufgeben und im 
Herkunftsland der Partnerin/des Partners leben muessten. Fuer 
schwangere Oesterreicherinnen hiesse es, waehrend der Schwangerschaft 
oder kurz nach der Geburt ihres Kindes in oftmals prekaere 
Lebenssituationen in Drittstaaten ziehen zu muessen, ohne Aussicht 
darauf, in absehbarer Zeit mit ihrer Familie zurueckzukehren.
Fuer wirtschaftliche und wissenschaftliche High-Potentials, die ins 
Ausland entsandt werden, um dort Praktikas zu machen, an grossen 
Auftraegen oesterreichischer Firmen mitzuarbeiten oder dort Firmen mit 
aufzubauen, wuerde es bedeuten, ihren Job bei der Firma, die den 
Aufenthalt ermoeglichte, kuendigen zu muessen, um bei der Familie zu 
bleiben. Und umgekehrt: Gruendet ein Oesterreicher/eine 
Oesterreicherin hier mit einer/m solchen Entsandten oder mit einem/r 
Studentin aus einem Drittstaat eine Familie, so waere auch diese/r 
OesterreicherIn gezwungen ins Ausland zu gehen.
Sollten etwa oesterreichische Kinder, damit ihr Stiefvater nach 
Oesterreich kommen kann, einen Schulwechsel z.B. nach Pakistan, in die 
Ukraine oder nach Zimbabwe vollziehen, um mit ihrer Mutter und deren 
neuen Mann dort zu leben, damit Minister Platter von dem bestehenden 
Familienleben ueberzeugt ist?
Sollten OesterreicherInnen, welche beruflich ins Ausland entsendet 
wurden und sich dort verheiraten, ihre Arbeit kuendigen, wenn die 
Entsendung vorbei und sie wieder nach Oesterreich muessten, aber die 
erforderliche Ehedauer noch nicht gegeben ist?
Sollten oesterreichische Top-Kraefte mit ihrer oft unersetzlichen 
Auslandserfahrung nicht mehr nach Oesterreich zurueckduerfen, wenn die 
erforderliche Ehedauer noch nicht gegeben ist und dann vielleicht auch 
noch der Job verloren ging, oder auf ihre Familien verzichten?
Muessten Studentinnen nach Beendigung ihres Auslandssemesters ihr 
Studium unterbrechen, um weiter im Land ihres Angetrauten verbleiben 
zu koennen, um die Ehedauer im Ausland nachweisen zu koennen?
Zusammenfassend muessen wir festhalten, dass es den Erfindern dieser 
Massnahmen nicht ernsthaft an Integration gelegen sein kann. Vielmehr 
laesst es die Vermutung zu, dass unter dem Deckmantel einer 
"Integrationsdebatte" schlichtweg noch mehr 
Zuwanderungsverschaerfungen beschlossen werden sollen, ungeachtet der 
Auswirkungen auf die davon betroffenen OesterreicherInnen und deren 
EhepartnerInnen und Kinder.
Diese Massnahmen entbehren jeder ernsthaften Auseinandersetzung mit 
der Thematik binationaler Familien, es mangelt an Fachkenntnis der 
Materie und vor allem mangelt es an der Anerkennung der 
Integrationsarbeit, die binationale Familien leisten.
Ehe ohne Grenzen wird in Zukunft, wie wir das auch schon in der 
Vergangenheit getan haben, gerne jenen als Expertin zur Verfuegung 
stehen, denen an ernst gemeinter Integrations- und Familienpolitik 
gelegen ist.
Ehe ohne Grenzen moechte festhalten, dass das Fremdenrechtspaket 2005, 
auch schon ohne die nun geforderten Verschaerfungen, massive 
Verschlechterungen fuer binationale Familien bereit haelt.
OesterreicherInnen, die mit Drittstaatsangehoerigen verheiratet sind, 
muessen ein Netto-Einkommen von mind. 1120 Euro + Miete (+ 79Euro/ 
Kind) nachweisen, damit ihre PartnerInnen eine 
Niederlassungsbewilligung bekommen. Gleichzeitig duerfen diese erst ab 
Erhalt der Niederlassungsbewilligung arbeiten. Dadurch ist 
einkommensschwachen OesterreicherInnen, StudentInnen, Arbeitslosen, 
PensionistInnen, KindergeldbezieherInnen u.v.m. ein Familienleben in 
Oesterreich mit ihren EhepartnerInnen aus Nicht-EWR-Laendern de facto 
verwehrt.
Das Gesetz verlangt von drittstaatsangehoerigen EhepartnerInnen, die 
Niederlassungsbewilligung vom Herkunftsland aus zu beantragen und dort 
die Entscheidungen der oesterreichischen Behoerden abzuwarten. Das 
bedeutet, dass Familien auf unbestimmte Zeit getrennt werden, die 
Antragssteller sich u. U. grossen Gefahren aussetzen muessen, und 
enorme Kosten auf die Familien zukommen. Nicht in jedem Land gibt es 
ausserdem eine zustaendige oesterreichische Auslandsvertretung. 
Antraege aus dem Inland sind nur zulaessig, wenn man sowohl legal 
eingereist wie aufhaeltig ist, wodurch Asylwerber faktisch gezwungen 
werden, in das Land, aus dem sie geflohen sind, fuer die Dauer von 
mehreren Monaten bis zu einem Jahr zurueckzukehren.
Das Gesetz sieht keine Uebergangsbestimmungen vor, rechtmaessig 
gestellte Antraege aus dem Jahr 2005 und davor wurden fuer nichtig 
erklaert. Weiters mussten Asylsuchende, um eine 
Niederlassungsbewilligung als Angehoerige zu beantragen, ihren 
Asylantrag - auf Geheiss der Behoerden! - zurueckziehen und wurden 
dadurch per 1.1.2006 illegalisiert. Damit sind sie von Schubhaft und 
Abschiebung bedroht.
Das Fremdenrechtspaket benachteiligt auch OesterreicherInnen 
gegenueber EU-BuergerInnen - eine weitere Diskriminierung binationaler 
Partnerschaften, die noch ihrer Aufhebung durch die Hoechstgerichte 
harrt. ###
Quelle: http://eheohnegrenzen.sosmitmensch.at/stories/1976/
 Link: http://www.ehe-ohne-grenzen.at/
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