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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Mai 2008; 15:19
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Glosse:

> Was fuer ein Sozialismus im 21.Jahrhundert?

Versuch einer Standortbestimmung

Extrem verdichtet laesst sich sagen: nicht weniger als eine
'rifondazione', eine Neubestimmung bzw. Neugruendung des Sozialismus
steht im 21. Jahrhundert an. Das 20.Jahrhundert, das mit der
Oktoberrevolution so hoffnungsvoll fuer die ArbeiterInnenbewegung
begonnen hatte, endete mehrheitlich im Stalinismus. Dem Faschismus
gelang es in einigen Laendern an die Macht zu kommen. Sechs Millionen
Juden und Juedinnen wurden Opfer des industriuell organisierten
Holocaust. Stalinismus bedeutete nicht nur brutalste Herschaft einer
buerokratischen Kaste ueber die sowjetische und nach 1945 ueber die
osteuropaeische ArbeiterInnenklasse, sondern Unterordnung der
kommunistischen Parteien der ganzen Welt unter die Politik der
Kremlbuerokratie. Insbesonders nach der 'Volksfront'-Wende 1935 wurden
die KPs angehalten, mit den 'nationalen' bzw. 'antifaschistischen'
Bourgeoisien zu kooperieren. Die sozialistische Veraenderung der
buergerlichen Gesellschaft wurde auf der Basis einer mechanistischen
'Etappentheorie' auf 'spaeter' vertagt...

Es gab in der internationalen Arbeiterbewegung Minderheitspositionen,
die Positionen vertraten, die sich spaeter als 'richtig' erwiesen,
aber zum neuralgischen Zeitpunkt nicht geschichtsmaechtig wurden:
erinnert sei etwa an Trotzkis leidenschaftlichen Kampf gegen den
Faschismus und fuer eine 'Arbeitereinheitsfront' oder an die
theoretischen und politischen Vorstellungen eines Jose Carlos
Mariategui, der sich der konkreten Realitaet Perus bzw. Lateinamerikas
stellte und insbesonders die spezifische Situation der -- in einigen
Laendern- mehrheitlichen Indio-Bevoelkerung unterstrich (1). Es ist
richtig, dass die Krakenarme des Stalinismus nicht ueberall
hinreichten: die chinesische Revolution etwa erfolgte gegen den Willen
Stalins. Ein positives 'Modell' des Aufbaus einer sozialischen
Gesellschaft gelang jedoch nicht. Heute geht die KP Chinas unter
Beibehaltung des politischen Monopols sogar einen extrem
'kapitalistischen Weg' (2). Nach dem klaeglichen Zusammenbruch der
Sowjetunion bzw. ihrer Satellitenstaaten und dem weitestgehenden
Einschwenken der Sozialdemokratie auf neoliberalen Kurs -- da und dort
durch keynesianische Pflaesterchen gemildert -- steht nicht weniger
als eine grundsaetzliche Neubestimmung sozialistischer Positionen --
organisatorisch eine rifondazione auf der Tagesordnung .

Unverzichtbare Kernelemente

Selbstredend beginnt die Debatte nicht bei Null und es gibt einen
historischen Fundus, aus dem kritisch geschoepft werden kann: die
Nationalitaetenpolitik der Bolschiwiki -- konzipiert von Lenin und
Trotzki -- ist so ziemlich das Gegenteil, was spaeter Stalin und seine
Gefoglsleute betrieben oder aktuell die KP Chinas (Tibet!)
praktiziert. Rosa Luxemburgs Diktum 'Die Freiheit ist immer die
Freiheit des anderen' zeugt von einem offenen, nicht-buerokratischen
Sozialismus-Verstaendnis. Viele solcher Positionen des 'Waermestrom
des Marxismus' (Ernst Bloch) sind jedoch verschuettet worden und heute
kaum mehr bekannt.

An vier Punkten moechte ich exemplarisch klarmachen, was
'Neubestimmung' eines Sozialismus des 21. Jahrhundert meint:

- Angesichts der dramatischen Probleme auf dem Globus (selbst der
Hunger, das taegliche Elend ist weltweit wieder da!) muss er
REVOLUTIONAeR sein: also nicht die kapitalistische Misere bloss zu
verwalten und einen bisschen zu modifizieren zu versuchen. Es geht um
das Brechen der Logik des Kapitals, um eine fundamentale Veraenderung
der Eigentumsverhaeltnisse, um das Knacken des buergerlichen Staates.
Dies zu unterstreichen ist keine muessige

'Selbverstaendlicheit': in jeweils anderem sozialen und politischen
Kontext sind der suedafrikanische ANC, die brasilianische PT oder die
Rifondazione Communista in Italien ursprueglich fuer eben solche
radikale Veraenderungen angetreten. In der Folge haben sie sich jeoch
'realpolitisch ' arrangiert und nur mehr die Misere gestaltet.

- Angesichts des Verkommens der revolutionaeren Ansaetze im
Stalinismus gilt es den Sozialismus des 21. Jahrhunderts
nicht-etatistisch als SELBSTVERWALTUNGSOZIALISMUS zu sehen.
Eigeninitiate, Selbsttaetigkeit auf allen Ebenen ist seine Messlatte.
Oeffentliches Eigentum der grossen Produktionsmttel und
Mehrparteiensystem sind unverzichtbar. Aber das Um und Auf ist die
Selbstgestaltung des gesamten Lebens: plural, frei und von unten nach
oben ohne Dominanz von 'weisen Fuehrern' und 'Caudillos '.

- Angesichts der enormen Umweltprobleme kann ein Sozialismus des 21.
Jahrhundert nur radikal (im Sinne von Marx, naemlich 'an der Wurzel
fassend' ) OeKOLOGISCH sein. Der Kapitalismus untergraebt, ja
zerstoert zunehmend und immer rascher die natuerlichen Grundlagen der
(menschlichen) Existenz. Dem kann nur entgegengearbeitet werden, wenn
die gesamte Produktions- und Konsumweise veraendert wird.
Realistischerweise kann solch ein Mammut-Projekt nur eine
nicht-kapitalistische Gesellschaft bewaeltigen.

- Angesichts der global andauernden Unterdrueckung von Frauen hat ein
kuenftiger Sozialismus nur dann eine Chance, wenn er sich fundamental
FEMINISIERT, aktiv gegen Patriarchat und Machismo vorgeht.
*Hermann Dworczak*

(1) Jose Carlos Mariategui: Revolution und peruanische Wirklichkeit.
Ausgewaehlte politische Schriften. herausgegeben von Eleonore v.
Oertzen, Franfurt/M. 1986

(2) Hyekyong Cho: Chinas langer Marsch in den Kapitalismus, Muenster
2005 359 Seiten



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