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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Mai 2008; 18:18
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Prozesse:
> "Folterministerin" darf man nicht sagen
"Ministerin fuer Folter und Deportation" darf man die im Dezember 2006
verstorbene Innenministerin Liese Prokop auch weiterhin nicht nennen.
Ein dahingehendes Urteil wegen uebler Nachrede des Landesgerichtes
Wien gegen Michael Genner, Obmann des "Vereins Asyl in Not", wurde am
7.Mai vom Oberlandesgericht bestaetigt. Weder Genner, noch sein Anwalt
Wolfgang Rainer zeigten sich vom Spruch des Richtersenats unter Ernest
Maurer ueberrascht.
Unmutsaeusserungen kamen aus den Reihen der Prozessbeobachter, die den
kleinen Verhandlungssaal im Wiener Justizpalast fuellten. Die
Privatanklage wegen uebler Nachrede war von Gunnar Prokop, dem Witwer
der Politikerin, eingebracht worden. Genner hatte kurz nach dem
unerwarteten Tod der Innenministerin in seinen Aussendungen und auf
der Homepage des Vereins "Asyl in Not" die "gute Nachricht zum
Jahresbeginn" gefeiert. In seinem Nachruf bezeichnete er Prokop als
"abgestumpfte Schreibtischtaeterin", die sich als "Werkzeug einer
rassistisch verseuchten Beamtenschaft" hergegeben habe. Er machte sie
verantwortlich fuer psychische Folter, die durch das unter ihrer
Aegide erarbeitete Asyl- und Fremdenrecht ermoeglicht und toleriert
werde. Seit Inkrafttreten des neuen § 76, Abs.4, Ziffer 2
Fremdenpolizeigesetz am 1. Jaenner 2006 koennen auch traumatisierte
Asylwerber in Schubhaft genommen werden, wenn der Verdacht besteht,
ein anderer Staat koenne fuer den Asylantrag zustaendig sein. In der
Praxis wurden Dutzende tschetschenische und andere Fluechtlinge, an
deren Traumatisierung laut Psychologen kein Zweifel bestand, gleich
nach ihrer Ankunft eingesperrt.
Michael Genner hat in zahllosen Faellen zugunsten dieser Fluechtlinge
Verwaltungsbeschwerde erhoben und letzten Endes vom
Verwaltungsgerichtshof Recht bekommen. Die menschenrechtswidrige
Praxis wurde abgestellt. Anwalt Rainer fuehrte in seiner umfangreichen
Verteidigungsschrift an, Prokop haette Folter in Kauf genommen, um
kuenftige Asylwerber abzuschrecken. So hatte sie es in der Zeit im
Bild 2 abgelehnt, sich bei einem afrikanischen Abschiebekandidaten,
der von Polizisten schwer misshandelt wurde, zu entschuldigen. Der
Mann sei schliesslich ein verurteilter Drogendealer gewesen. Der
vorsitzende Richter Ernest Maurer bescheinigte Prokop, "nicht mit
grossem Geschick" agiert zu haben. Allerdings sei Armin Wolf, der ihr
die Frage gestellt hatte, fuer seine regierungskritische Haltung
bekannt. Wofuer hingegen Richter Maurer bekannt sei, hat Genner schon
vor dem Prozesstag in einer Aussendung betont, in dem er aus einem
diskursanalytischen Gutachten von Alexander Pollak und Ruth Wodak
zitierte, in dem ueber manche Urteilsbegruendungen Maurers gemeint
wird, es sei darin "eine Verharmlosung von rassistischen und
biologistischen Ideologien zu erkennen, die auch tragende Saeulen der
NS-Ideologie waren".
Zu Lebzeiten hatte Prokop gegen den Ausdruck "Folterministerin" nie
geklagt. Genner, der zu 1200 Euro Strafe oder 60 Tagen Haft verurteilt
wurde, will sich daher an den Europaeischen Gerichtshof fuer
Menschenrechte wenden. Der hat in aehnlichen Fragen schon mehrmals
zugunsten der Pressefreiheit entschieden. Spontane Solidaritaet erfuhr
Genner von Peter Rosenauer vom Verein "Resistance for Peace", der nach
einer Beileidsbekundung fuer den Tod von Prokop in einer
Presseaussendung erklaerte: "Fakt ist aber, dass ihr
menschenrechtsverletzendes Reglement noch immer gilt. Daher bezeichne
ich den jetzigen Innenminister Guenther Platter als Minister fuer
Folter und Deportation".
(Ralf Leonhard, DAZ/akin)
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