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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 6. Mai 2008; 17:26
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Wien:

> Management by Chaos

Drei Festnahmen vor der Pankahyttn bei der Mayday-Parade als Ergebnis
einer recht seltsamen Rathauspolitik.

Bei der MayDay-Parade gegen Prekarisierung und fuer bedingungsloses
Grundeinkommen am 1.Mai kam es zu wilden Szenen mit der Polizei. Diese
hatte bei der Ankunft der Parade den Zugang zur Pankayttn in der
Johnstrasse das von den Punks der Stadt abgetrotzte Haus hermetisch
abgesperrt. Die Argumentation der Polizei vor Ort: Sozialstadtraetin
Sonja Wehsely haette verordnet, dass niemand, der nicht in dem Haus
wohne, es betreten duerfe. Ausserdem wolle man das Haus vor einer
Horde deutscher Autonomer schuetzen, die es besetzen wollte. Die Punks
dazu in einer Stellungnahme: "Wie wurden also nicht kriminalisiert,
sondern beschuetzt -- total bescheuert! In den Augen der Stadt sind
wir also die Guten und die Demo die Boesen."

Einer seltsamen Weisung der Politik folgte eine hilflose Umsetzung
durch die Polizei, die einfach niemanden rein in das oder raus aus dem
Haus lassen wollte. Die Eskalation war damit absehbar: Eine Scheibe
des Sozialbetreuungscontainers vor dem Haus ging zu Bruch -- es setzte
Hiebe und 2 Festnahmen. Bei der anschliessenden Haefndemo vor dem
Kommissariat Tannengasse gab es eine weitere Festnahme.

Cui bono?

Der Hintergrund all dessen bleibt auf den ersten Blick raetselhaft.
Wozu sollte eine rathausgesteuerte Eskalation gut sein? Schliesslich
nutzt eine Pruegelei mit der Polizei doch nur der FPOe, die seit
Monaten gegen die Hyttn hetzt -- und gegen die SPOe, die das Heim der
Punks widerwillig installiert hatte.

So seltsam es klingt, es gibt eine moegliche Erklaerung des
Geschehenen, als da waere, dass das Rathaus die Pankahyttn jetzt gar
nicht mehr als solche ansieht.

Zur Vorgeschichte: Die Punks hatten eineinhalb Jahre lang etliche
Haeuser in Wien besetzt, um ihrer Forderung nach einem eigenen Haus
Nachdruck zu verleihen. Letztendlich gab das Rathaus nach und liess
das baufaellige Haus in der Johnstrasse notduerftig bezugsfertig
machen. Der Oeffentlichkeit verkaufte Wehsely das Projekt als
Resozialisierungsmassnahme, den Punx aber als Haus, wo sie tun
koennten, was sie wollen: Gemeinsam und selbstbestimmt leben. Sie
haetten lediglich eine Sozialbetreuungsstelle an Ort und Stelle zu
akzeptieren, die vorerst in einem Container vor dem Haus installiert
wurde. Das war im Herbst letzten Jahres.

"Sozial Verwahrloste"

In den letzten Monaten kristallisierte sich immer mehr doch die
Sozialbetreuungsschiene heraus. Ploetzlich will der unmittelbar
zustaendige Fonds Soziales Wien (FSW) nichts mehr von einer Pankahyttn
wissen und spricht von einem Missverstaendnis. Denn das Projekt sei in
Wirklichkeit "ein Wohnprojekt fuer junge Erwachsene, sozial
Verwahrloste und gesundheitlich Gefaehrdete" meint Florian Winkler vom
FSW gegenueber dem Jugendmagazin chilli.at. Ziel sei die
Resozialisierung und damit das baldige Wiederausziehen der Punx aus
dem Haus.

Nur sind die Punx halt nicht unter diesen Bedingungen eingezogen und
fuehlen sich jetzt "verarscht". Aber nicht nur durch die Taeuschung
und Bevormundung, sondern auch dadurch, wie die Stadt mit ihrer
Definition nach "sozial Verwahrlosten und gesundheitlich Gefaehrdeten"
umgeht. Denn ein Teil des baufaelligen Hauses ist ueberhaupt nicht
bewohnbar, im Rest teilen sich ueber 25 Menschen und ihre Hunde 12
Zimmer und 3 Kabinette unter alles anderem als gesunden Bedingungen --
selbst Tueren mussten notduerftig durch Decken ersetzt werden. Die
Punx mussten nach eigenen Angaben 3000 Euro aus eigener Tasche locker
machen, um wenigstens ein bisschen Bewohnbarkeit herzustellen -- auf
einen versprochenen Kostenersatz warten sie seit Monaten.

Gleichzeitig versucht sich der FSW die totale Kontrolle ueber das Haus
zu bewahren: Nach wie vor gibt es keine Mietvertraege mit den Punx
(schliesslich sollen sie ja moeglichst bald wieder ausziehen) und
diese koennen sich deswegen nicht mal polizeilich melden, leben also
im rechtlich luftleeren Raum. Auch will der FSW bestimmen koennen, wer
bei seinem Heim fuer unbotmaessige Zoeglinge ein- und ausgeht.

So ergibt sich aber fuer die Sperrketten vor dem Haus am 1.Mai
ploetzlich ein Sinn, ganz nach dem Motto: "Wir wollen euch unter
Kontrolle halten, damit ihr keinen schaedlichen Einfluessen ausgesetzt
seid!" Denn die Plaene des Rathauses gehen ja noch viel weiter: Die
komplette Sozialanlaufstelle "Axxept", die bislang in der Mariahilfer
Windmuehlgasse residierte, soll jetzt in die Johnstrasse verlegt
werden -- mit 24-Stunden-Dienst und zusaetzlichem Betreuungsmandat
fuer jugendliche Drogenabhaengige. Die Punks vermuten eine
Doppelstrategie dahinter: Durch Vermischung der beiden Szenen kann man
einerseits die Punks besser kriminalisieren und andererseits sie noch
weiter in das Eck der zu betreuenden "Klienten" treiben. Tatsaechlich
wird das aus Sicht des Rathauses auch dringend noetig sein, denn diese
Punks wollen von sich aus partout nicht "klientoes" werden. Sie sind
naemlich alles andere als verwahrlost, sondern bilden seit zumindest
zwei Jahren eine gefestigte soziale Gruppe, deren Mitglieder sich
trotz aller Widrigkeiten eben nicht gegenseitig den Schaedel
einhauen -- vielleicht sogar vorbildhaft fuer eine Gesellschaft, in
der der Ellbogen zum hervorragendsten Koerperteil geworden ist; sicher
aber unbrauchbar fuer die Sicherung von Arbeitsplaetzen
betreuungswuetiger Sozialarbeiter.

Truebe Aussichten

Wie es weitergehen kann? Die Punks werden sich so leicht nicht
unterkriegen lassen. Andererseits sprechen hartnaeckige Geruechte
davon, dass das Projekt von Anfang an nur dafuer gedacht war, die
Punks waehrend der Fussball-EM von der Strasse zu bekommen -- und dass
das Haus nachher geraeumt werden solle. Das wiederum passt ueberhaupt
nicht zusammen mit dem Umzug des Axxept in das Gebaeude.

Wie sich die letztveranwortliche Stadtraetin Wehsely aus dieser
Affaere ziehen moechte, bleibt abzuwarten. Sie wird es auf alle Faelle
moeglichst karriereschonend zu gestalten suchen. Denn analog zu ihrem
Bundesparteivorsitzenden hat schliesslich auch sie -- so war aus
aeusserst glaubwuerdigen Quellen zu erfahren -- schon als kleines Kind
erklaert, einmal Bundeskanzlerin werden zu wollen.
*Bernhard Redl*


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