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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. April 2008; 19:11
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Zeitgeschichte:
> Die vergessenen Toten von St.Johann
Auf der Homepage von St. Johann im Pongau liest man: "Willkommen in 
Sankt Johann-Alpendorf oder ganz einfach "Gruess Gott"! Sankt 
Johann-Alpendorf liegt rund 60 km suedlich der Mozartstadt Salzburg. 
Unser beliebter Urlaubsort bietet neben einer erstklassigen 
Infrastruktur und hervorragender Gastronomie auch eine Vielzahl von 
freundlichen Fachgeschaeften. Vom familiaeren Privatquartier bis zum 
gemuetlichen Bauernhof, vom Ferienappartement bis zum 5-Sterne 
Wellnesshotel reicht das gastfreundliche Angebot."
Dabei war frueher nicht alles so "gastfreundlich" und viele Menschen 
haben keine sehr gute Erinnerung an diesen Ort. Dass der 
Buergermeister in der Nazizeit und nach 1950 erneut Hans Kappacher 
hiess, der zum Ehrenbuerger ernannt wurde, ist hoechstens ein Hinweis, 
wie man Geschichte auch "aufarbeiten" kann. Ab 1939 hiess diese 
Gemeinde bis zum Ede des Zweiten Weltkriegs Markt Pongau. In "Markt 
Pongau" gab es ab dem Jahre 1941 eines der beruechtigten fuer 
Kriegsgefangene, das . In ihm waren bis zu 30.000 Gefangene 
untergebracht, die von einer etwa 1000 Mann starken Mannschaft bewacht 
wurden. Obwohl das Lager auf einer Flaeche von 8ha zunaechst nur fuer 
etwa 8000 Gefangene geplant war, kam es zu einer menschenunwuerdigen 
Ueberbelegung. Es gab ein Nord- und ein Suedlager. Im Suedlager waren 
die Gefangenen der Westmaechte untergebracht, die man im Sinne der 
Genfer Konvention behandelte.
Im Nordlager war das anders, da galten die Richtlinien des "Abkommens 
ueber die Behandlung der Kriegsgefangenen", die auch das "Dritte 
Reich" im Jahre 1934 ratifiziert hatte, nicht, dort waren die 
sowjetischen Gefangenen untergebracht. Fuer die Kriegsgefangenen der 
Sowjetunion galt der Erlass vom 16 Juni 1941 ueber die "Organisation 
des Kriegsgefangenenwesens im Fall Barbarossa": "Der Bolschewismus ist 
der Todfeind des Nationalsoz. Deutschland. Gegenueber den 
Kriegsgefangenen der Roten Armee ist daher aeusserste Zurueckhaltung 
und Wachsamkeit geboten. Mit heimtueckischem Verhalten insbesondere 
der Kriegsgefangenen asiatischer Herkunft ist zu rechnen. Daher 
ruecksichtsloses und energisches Durchgreifen bei dem geringsten 
Anzeichen von Widersetzlichkeit insbesondere gegenueber 
bolschewistischen Hetzern. Restlose Beseitigung jedes aktiven und 
passiven Widerstandes!"
Die deutsche Heeresfuehrung nahm das Hungersterben der sowjetischen 
Kriegsgefangenen in Kauf. Zehntausende verloren auf dem Transport von 
der Front in die Lager ihr Leben. Es gab Befehle "schlappmachende 
Kriegsgefangene zu erschiessen". Bei den Bahntransporten in offenen 
Gueterwaggons starben bereits im Kriegswinter 1941/42 zwischen 25 und 
70 Prozent der sowjetischen Gefangenen Der Oberbefehlshaber der im 
Osten eingesetzten Heeresgruppe Sued, Generalfeldmarschall Walter von 
Reichenau befahl im Oktober 1941: "Das wesentliche Ziel des Feldzuges 
gegen das juedisch-bolschewistische System ist die voellige 
Zerschlagung der Machtmittel und die Ausrottung des asiatischen 
Einflusses im europaeischen Kulturkreis. Hierdurch entstehen auch fuer 
die Truppe Aufgaben, die ueber das hergebrachte einseitige Soldatentum 
hinausgehen. Der Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kaempfer nach 
denRegeln der Kriegskunst, sondern auch Traeger einer unerbittlichen 
voelkischen Idee und der Raecher fuer alle Bestialitaeten, die 
deutschen und anverwandtem Volkstum zugefuegt wurden." Hitler hatte 
mehrmals geaeussert, dass der Tod sowjetischer Gefangener zur von ihm 
erwuenschten Dezimierung der "slawischen Massen" fuehren wuerde.
In St. Johann trafen im November 1941 die ersten sowjetischen 
Kriegsgefangenen ein. Sie wurden zunaechst in Zeltlagern 
untergebracht. 30 bis 40 Prozent dieser Gefangenen starben schon vor 
der ersten Nacht und Pferdefuhrwerke transportierten die Leichen in 
ein Massengrab. Es spielte eine Rolle, ob man als Franzose, Englaender 
oder Amerikaner Gefangener war, oder eben Sowjetischer.
In St. Johann im Pongau bestattete Kriegsgefangene nach Herkunft: 
UdSSR 3709, Jugoslawien 51, Frankreich 15, Sonstige 7. Waehrend des 
Kriegs waren im Suedlager bis zu 10028 Franzosen inhaftiert, und aus 
der UdSSR 7009, ihre letzte Ruhestaette fanden die sowjetischen Toten 
auf dem so genannten "Russenfriedhof".
Kein Wegweiser fuehrt zum ihm, er liegt am Abhang der Bundesstrasse 
noerdlich der Speedwaybahn und erinnert noch heute an ein Verbrechen.
Es ist ein Skandal in St. Johann, der bis zum heutigen Tag nicht 
bereinigt wurde, dass der "Russenfriedhof" nicht zugaenglich ist. Man 
findet auch keinen Hinweis, wo er zu finden sei und ein Gedenkstein 
existiert nicht. Jahr fuer Jahr veranstaltet das Gymnasium von St. 
Johann eine Gedenkfeier auf diesem Friedhof. Die Teilnehmer sind, wie 
Angehoerige der Verstorbenen, die die Graeber besuchen wollen 
gezwungen, den Friedhof illegal zu erreichen. Adolf Schwaiger, der 
seit etwa 40 Jahren diesen Friedhof pflegt, Rasen maeht und 
Graeberpflege voellig ohne finanzielle Zuwendung erledigt, bekam von 
der Polizei einen Strafzettel ueber 160 Euro. Den koennten auch alle 
bekommen, die nun als ehemalige Gefangene mit ihren Kindern und 
Enkelkindern diese letzte Ruhestaette besuchen. Dieses Zutrittsverbot 
soll im Jahre 1948 am 7. Juli beschlossen worden sein.
Wer mit seinen Wanderwegen und der Gastfreundschaft wirbt und keinen 
legalen Zugang zu dieser letzten Ruhestaette samt Hinweisschild 
errichtet und die Kurtaxe kassiert, der solidarisiert sich mit jenen 
Taten und der Sprache derjenigen, die aus Menschen "Untermenschen" 
werden liessen.
All dies veranlasste die Schuelerinnen und Schueler des Gymnasiums 
eine Unterschriftenaktion zu organisieren, die in kurzer Zeit 600 
Unterstuetzerunterschriften zu verzeichnen hatte. Adolf Schwaiger 
musste den Strafzettel nicht bezahlen. Bei der Aktion wurde gefordert 
"aus Respekt den Opfern und deren Angehoerigen gegenueber einen 
oeffentlichen Zugang" zum "Russenfriedhof" zu schaffen. Seitdem 
verging schon wieder einige Zeit. Als ich vor wenigen Tagen von den 
oertlichen Behoerden erfahren wollte, ob nun endlich ein Zugang 
moeglich sei, wurde mir mitgeteilt, dass das oesterreichische 
Innenministerium zustaendig sei. Hinweisschild und Zugang gaebe es 
noch immer nicht.
Im Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 hat sich Oesterreich unter anderem 
zur Achtung, zum Schutz und zur Erhaltung von Graebern von Soldaten, 
Kriegsgefangenen usw. verpflichtet.  Die gesetzlichen Grundlagen der 
Kriegsgraeberfuersorge bestehen aus
- dem Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye aus 1920,
- dem Staatsvertrag (BGBl. Nr. 152/1955), betreffend die
Wiederherstellung eines unabhaengigen und demokratischen Oesterreich- 
dem Bundesgesetz (BGBl. Nr. 175/1948) ueber die Fuersorge fuer 
Kriegsgraeber aus dem ersten und zweiten Weltkrieg und
- dem Bundesgesetz (BGBl. Nr. 176/1948) ueber die Fuersorge und dem 
Schutz der Kriegsgraeber und Kriegsdenkmaeler aus dem zweiten 
Weltkrieg fuer Angehoerige und Alliierten, Vereinten Nationen und fuer 
Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Oesterreich und Opfer 
politischer Verfolgung.
Die Republik Oesterreich (Bundesministerium fuer Inneres) stellt 
dafuer jaehrlich 14.000 Euro fuer das Bundesland Salzburg zur 
Verfuegung. Die Fachabteilung Hochbau der Landesbaudirektion verwaltet 
diesen Geldbetrag im Auftrag der Landeshauptfrau als Traegerin der 
mittelbaren Bundesverwaltung.
Wie hoch wird das Gras noch wachsen - in St. Johann und Oesterreich?
*Dieter Braeg/DAZ (gek.)*
Das Buch von Norbert Stadler und Michael Mooslecher "St. Johann/PG 
1938 - 1945" ist eine vorbildliches Beispiel wie die Geschichte 
waehrend des Nationalsozialismus darzustellen ist. Bezug nur ueber: 
Michael Mooslechner, Lasserstrasse 32/1, A-5020 Salzburg
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