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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. April 2008; 18:53
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EU-Vertrag/Debatte:
> Offener Brief
an Mandats- und Funktionstraeger/innen der Gruenen
Seit es die Gruenen als politische Partei gibt, habe ich sie gewaehlt, 
und zwar bei allen Wahlen auf allen Ebenen, von der kommunalen bis zum 
Europaparlament. Ich werde das von nun an auf absehbare Zeit nicht 
mehr tun. Das Misstrauen gegenueber Buerger/in und Waehler/in und 
zumal gegenueber der NGO/Buergerinitiativen-"Basis", das sich 
Oesterreichs Gruene im Zuge der EU-Verfassungsgebung erlaubt haben, 
hat mir die ganzen letzten Jahre schon auf den Magen gedrueckt. Beim 
sog. Reformvertrag hat sich das wiederholt. Der letzte Tropfen nun kam 
vor kurzem von Bundessprecher Alexander Van der Bellen, als er als 
conditio sine qua non zur "Schonung" der SPOe-OeVP-Koalition 
verlangte, am 9. April die Ratifikation des EU-Reformvertrages ueber 
die Buehne zu bringen. Und zwar in einem Ton, der schneidend ungefaehr 
so klang: "Ohne Wenn und Aber. Keinen Tag laenger Debatte darueber." 
Es mutet einen an, als wuerde die repraesentative Demokratie 
nachgerade als Waffe gegen die um halbwegs chancengleiche, 
oeffentliche Debatte bettelnden Buerger/innen eingesetzt! Wahrlich 
stark fuer eine Partei, die in Oesterreich im grossen und ganzen aus 
der ersten Volksabstimmungsdebatte - aus einer echten politischen, 
staatsbuergerlichen Auseinandersetzung - hervorgegangen ist. Oder 
zumindest ohne sie undenkbar waere.
Ich werde also den Gruenen, wenn am 9.4.2008 der letzte Akt des 
Durchziehens des EU-Reformvertrages, nach moeglichster Ausschaltung 
von Buergerbeteiligung, ueber die Buehne geht, bei den naechsten 
Wahlen nicht mehr meine Stimme geben. Ich werde auch nicht mehr bei 
Familie, Freunden, Bekannten fuers Gruen-Waehlen werben, was ich 
bisher unaufdringlich, aber vielleicht umso wirksamer tat. Wie mein 
bisheriges Wahlverhalten gilt das fuer alle Ebenen. Denn auch 
lokal-regional war jedenfalls im Salzburger Umfeld keine Stimme fuer 
eine Volksabstimmung oder auch "nur" fuer eine breitere oeffentliche 
Pro- und Kontradiskussion vernehmbar: weder auf Stadt- + Landesebene, 
noch von "meiner" Vertreterin im Nationalrat.
Ich halte das nicht nur fuer eine demokratiepolitische Schande, 
sondern fuer eine vertane unendlich grosse Chance: das Abblocken in 
dieser grundlegenden, politisch existenziellen Frage spielt NUR den 
engstirnigen, extrempopulistischen Kraeften in die Haende, die die 
EU-Ablehnung v.a. aus nationalistischen Motiven instrumentalisieren. 
(Siehe NOe-Wahl. Doch diesen Faktor wagte - nach den oeffentlichen 
Aeusserungen zu urteilen - nicht einmal in der Wahlanalyse jemand 
anzusprechen.)
Mit bedauernden Gruessen gegenueber allen, die ich wegen so vieler 
politischer Initiativen und Muehen schaetze, die aber hier abgedankt 
haben.
PS: Da jemand von den fuehrenden Salzburger Gruenen auf das am 28.3. 
zunaechst an diese ergangene Schreiben ein paar Tage spaeter mit den 
ersten Worten so reagiert hat: "Dann waehlst du jetzt also die FPOe? 
Es bleibt ja dann nur die uebrig.", hier prophylaktisch: Eine solche 
Vermutung halte ich fuer infam: wie kann man jemanden, der nach rd. 25 
Jahren Gruen-Waehlen (es begann mit dem ersten Buergerliste-Antreten 
zum Sbgr. GR) erklaert, es vorherhand nicht mehr zu tun, 
augenblicklich verdaechtigen, FPOe, noch dazu die Strache-FPOe, zu 
waehlen? Absurder geht es ja nicht mehr! Waehrend dieser Aspekt aber 
eher mich persoenlich (be)trifft, ist ein anderer dabei viel 
weitreichender; betrifft er doch die - "andere", "alternative"?!? - 
Art, Politik zu machen, bei den Gruenen. Denn obige Reaktion ist eine 
der typischsten, die in den etablierten Parteien (=Machtapparaten) zu 
finden sind: Wer nicht mit mir ist, ist mit dem Feind. Dass´jemandem 
ueberhaupt, und nochdazu jemandem der mich kennt, das als erstes 
einfaellt gegenueber jemandem, der ein Vierteljahrhundert Gruen 
gewaehlt hat, "ramt ma komplett s'Hei oba". So lange eine Partei 
gewaehlt zu haben, kann ja wohl nur heissen: mit deren Inhalten 
weitestgehend einverstanden gewesen zu sein, mit deren Agieren und 
Stil detto. Insofern sollte sich schon durch den ersten Satz meines 
Briefes, erst gar im Verbund mit dem letzten Absatz, eine Reaktion wie 
die obige von selbst verbieten.
Wenn sie aber gar die mehrheitliche Reaktion sein sollte, dann gute 
Nacht! Denn das ginge es nur noch um Abwehr jeder ernsthaften Kritik, 
um Nichtwahrnehmen egal wie gravierender Signale.
*Heinz Stockinger (gek.)*
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