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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. April 2008; 18:46
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Asyl/Migration:
> Die nehmen uns unsere Parkplaetze weg!
Der Kampf einer Buergerinitiative gegen den Bau einer Moschee -- ein
Stimmungsbild
Die zwei Teenagermaedchen winken ab. "Wollt ihr nicht zu unserer
Veranstaltung kommen?" hat sie Michael Gehmacher gefragt, der mit
anderen Aktivisten der Sozialistischen Linkspartei vor der
Volkshochschule Brigittenau steht. "Nein" sagen die Maedchen
schuechtern und verschwinden um die Ecke. Zaungaeste kommen nicht zu
der Diskussionsveranstaltung. Wer an der VHS vorbeigeht, will eher zum
Spar schraeg gegenueber, der am spaeten Samstagnachmittag noch offen
hat.
Wer oben im Saal sitzt, ist gezielt gekommen. Die Diskussion um die
Buergerinitiative (BI) gegen den Bau einer Moschee in der Brigittenau
hat Anhaenger beider Gruppen mobilisiert. Sie sind leicht auseinander
zuhalten. Die Sympathisanten und Aktivisten der Veranstalter sind
ueberdurchschnittlich jung, der Block der BI auf den drei Sitzreihen
ganz hinten hebt den Altersschnitt betraechtlich. Vorn Studenten,
Lehrlinge und Schueler. Hinten Menschen im Pensionsalter oder knapp
davor. Beide Gruppen kommen zu einem grossen Teil aus dem Bezirk,
beide haben Anliegen. Heute ist es die kritische Auseinandersetzung
mit der BI - und das mobilisiert die Menschen weniger leicht als
Diskussionsabende der BI. Dagegen sein ist leichter als nachdenken.
Die BI will den Bau einer Moschee in der Dammstrasse verhindern. Es
gebe zu wenig Parkplaetze und man befuerchte Laerm, heisst es
offiziell. Berechtige Anrainer-Anliegen gegen berechtigte Anliegen
einer Religionsgemeinschaft, scheint es. Genaueres Hinsehen ergibt ein
anderes Bild. "Bei der juengsten Versammlung der Buergerinitiative ist
es gleich im ersten Referat eines angeblichen
Religionswissenschaftlers darum gegangen, dass der Islam mit
westlichen Werten und der Demokratie unvereinbar sei", schildert
Michael von der SLP, der die Veranstaltung beobachtet hat. Vom Block
hinten kommt kein Widerspruch, ein Pensionist weiter vorn nickt
zustimmend. Die Homepage der BI (www.moschee-ade.at) befasst sich auch
nur vordergruendig mit Anrainerproblemen. "Wenn der Halbmond aufgeht,
geht das goldene Wienerherz unter", heisst es dort woertlich. Viel vom
Schutz "unserer Kultur" und "unseren Spielregeln" ist da die Rede. Mit
Gruppierungen, die andere Ansichten vertreten, setzt sich die BI auf
der Homepage nicht erst grossartig auseinandern.
"Die Buergerinitiative ist mittlerweile von der FPOe gekapert und von
Rechtsextremisten unterwandert", sagt Sonja Grusch, Vorsitzender der
SLP. "Seitdem sie sich gegruendet hat, sind Neonazis wie von der
Nationalen Volkspartei eingesickert und versuchen im Bezirk eine Basis
aufzubauen". Von den Sitzen links hinten kommt Gelaechter. Eine Frau
mit rotgefaerbten Haaren und rotem Polo schuettelt den Kopf. Auch wenn
sich heute keine Neonazis unter die Unterstuetzer der BI gemischt
haben - ihre Anwesenheit scheint keine Ausnahme zu sein. Der grossen
Demonstration der BI im September hatten sich 120 Skinheads und
sonstige Neonazis angeschlossen. "Die Buergerinitiative war eine
Einladung fuer diese Gruppen, vor allem seitdem die FPOe die
Initiative radikalisiert hat", sagt Grusch. "Und mittlerweile sorgen
diese Gruppen dafuer, dass sie sichtbar werden". Ein Auftreten in der
Gruppe sei in der Gegend der Dammstrasse an der Tagesordnung. Und das
Haus, in dem Grusch wohnt, ist offenbar von rechten Gruppen beschmiert
worden. "Tschuschen raus" und Hakenkreuze legen einen politischen
Hintergrund nahe. "Das ist ein Versuch, bekannte Aktivistinnen und
Aktivisten, die die Rechte von Muslimen vor rassistisch motivierten
Angriffen in Schutz nehmen, einzuschuechtern", sagt Grusch.
"Das stimmt doch nicht", protestiert die Frau im roten Polo. "Wir
laden diese Gruppen nicht ein. Sie kommen einfach zu unseren
Veranstaltungen. Wir koennen sie nicht davon abhalten". Ein Wort des
Bedauerns zur Schmieraktion oder eine Distanzierung kommen ihr nicht
ueber die Lippen. "Und wir sind keine Gruppierung der FPOe. Dass wir
mit den Freiheitlichen sehr eng zusammenarbeiten, hat einen einfachen
Grund: Die FPOe war die einzige Partei, die uns in unserem Kampf gegen
die Moschee unterstuetzt hat". Dass HC Strache Hauptredner bei der
Demonstration der BI im September war - reiner Zufall. "Die Plattform
ist ueberparteilich". Und es ginge nur um die Moschee an dieser
Stelle. "Wir sind nicht gegen Moscheen und gegen Moslems. Wir sind nur
gegen eine Moschee an dieser Stelle". Dass die Homepage "moschee-ade"
heisst ist nach Ansicht der Frau nicht programmatisch zu verstehen.
Wie man auf den Namen kommt, der eher eine prinzipielle Ablehnung
suggeriert, beantwortet sie nicht. Ein Zuhoerer aeussert die
Vermutung, dass die BI offenbar nicht nur von Neonazis unterwandert
sei sondern auch von Dadaisten. Schmunzeln am Podium.
Dass die FPOe BI's unterstuetzt, die gegen Moscheen sind, ist in den
vergangenen Jahren Tradition geworden. Es passt programmatisch zu
einer Partei, die vor einer Islamisierung warnt und in Wahlkaempfen
Slogans wie "Daham statt Islam" plakatiert. Und es zahlt sich aus. In
Bad Voeslau, wo die FPOe gegen eine geplante Moschee im
Zuwandererviertel mobilisierte, erzielte sie bei den Landtagswahlen im
Maerz 16,5 Prozent der Stimmen, mehr als viermal so viel wie bei den
Wahlen 2003. Das Klima in der Gemeinde ist seit dem Kampf um "unsere
Kultur" vergiftet, die tuerkischen Zuwanderer eingeschuechtert. Der
Buergermeister der Gemeinde sah sich genoetigt, einen Mediator
einzuschalten, der zwischen Zuwanderern und radikalisierter
Buergerinitiative vermittelte. Bad Voeslau ist gespalten.
Aehnliches befuerchten die SLP und andere Gruppen in der Brigittenau.
Und hier gibt es eine weitere Parallele. Zuwanderer sind nicht bei der
Diskussionsveranstaltung. Der Verein ATIB, der der tuerkischen
Regierung nahe steht und Betreiber der Moschee-Plaene in der
Brigittenau und in Bad Voeslau ist, beteiligt sich nicht an
oeffentlichen Debatten. Man befuerchtet, weiter zu polarisieren.
Ein Standpunkt, der nicht unberechtigt erscheint. Angst vor "dem
Islam" ist in den vergangenen Jahren politischer Mainstream geworden.
Viele reduzieren Zuwanderer auf ihre religioese Zugehoerigkeit
(Stichwort: Identitaet) und blenden deren soziale Wirklichkeit aus.
Das wurde auch beim Prozess gegen einen angeblichen Islamisten
deutlich, der wegen angeblicher Bildung einer terroristischen
Vereinigung zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Auch bei der
Veranstaltung der SLP hoert man diese Stimme. "Es geht um ganz
Oesterreich. Ich empfinde den Islam als eine grundsaetzliche Gefahr
fuer uns", sagt ein Pensionist weiter vorn. Er hatte genickt, als
Michael die Thesen eines angeblichen Religionswissenschaftlers zitiert
hatte. Nach eigenem Bekunden ist dieser Mann aus dem Westen Wiens.
"Ich gehoere keiner der Gruppierungen an, die heute hier sind. Ich bin
neutral", sagt er und beginnt, mit einem dicken Buch in die Hand, der
SLP ins Gewissen zu reden. "Ich stehe weder rechts noch links. Ich
habe mich intensiv mit dem Problem beschaeftigt. Daher verstehe ich
etwas davon", sucht er eine Legitimation fuer seinen Standpunkt. Auf
linke Gruppierungen treffe das nicht zu. "Sie als Sozialisten und
Atheisten koennen nicht verstehen, worum es im Islam geht. Er bedroht
uns alle". Ein weissbaertiger Mann zwei Sitze neben ihm schuettelt den
Kopf. Der Pensionist laesst sich nicht beirren. "Lassen Sie mich
ausreden. Ich habe Sie auch ausreden lassen", faehrt er einen Zuhoerer
an, der seinen Thesen widerspricht. "Das sind demokratische
Spielregeln".
Versuche, den Mann davon zu ueberzeugen, dass muslimische Zuwanderer
mehr sind als Vertreter ihrer Religionsgemeinschaft, scheitern
erwartungsgemaess. Fuer ihn ist es nicht vorstellbar, dass ein Mensch
von seinem sozialen Umfeld gepraegt wird und nicht nur von der
Religion der Eltern. Solche Debatten praegen den Verlauf der
Veranstaltung. Trotz der Ueberzahl von Menschenrechtsaktivisten und
Sozialisten ist es eine offene Debatte. Ob das bei einer Veranstaltung
der BI auch so zugehen wuerde? Natuerlich, sagen Vertreter der BI.
Aktivisten der SLP schildern gegenteilige Erfahrungen. Sie berichten
von diffusen Drohungen von Neonazis, die bei der juengsten Versammlung
der BI gewesen sein.
Loesen wird die heutige Veranstaltung den Konflikt nicht. Sie zeigt,
dass sich hier zwei Gruppen mit grundsaetzlich verschiedenen
Weltbildern gegenueberstehen. Debattiert wird das Recht einer kleinen
Minderheit, das zu tun, was fuer die Mehrheit ein Selbstverstaendnis
ist. Ein Recht, das mit diesem Argument auch von Atheisten
unterstuetzt wird. Eine Grundsatzdebatte, aus der sich die raushalten,
um die es geht. Als ich die Veranstaltung verlasse, sehe ich eine
tuerkische Familie, die gerade aus dem Auto aussteigt. Sie kommen von
einem Ausflug zurueck. Ob sie von der Diskussion heute wissen, frage
ich und erklaere ihnen, worum es gegangen ist. "Das interessiert uns
nicht", sagen sie mir und verschwinden im Hauseingang.
*Viktor Englisch*
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