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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. April 2008; 19:36
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Rumaenien:
> Streik fuer Loehne wie in Frankreich
Das koennte "das Ende des Mythos des billigen rumaenischen Arbeiters 
sein", titelte die rumaenische Tageszeitung Adevarul ueber den 
aktuellen Streik der Dacia-Arbeiter in Rumaenien.
Nach Angaben der Gewerkschaft befinden sich ueber 80 Prozent der 
13.000 Beschaeftigten der Fabrik in Pitesti (Suedrumaenien) seit 
Montag 7.00 Uhr im unbefristeten Streik. Die KollegInnen, deren 
durchschnittlicher Monatslohn zur Zeit bei ca. 285 Euro liegt fordern 
60 Prozent mehr Lohn. "Wir arbeiten wie in Frankreich aber bekommen 
nur Peanuts", es ist an der Zeit "fuer Loehne wie in Frankreich zu 
kaempfen" so die Gewerkschaft. Das Unternehmen Dacia war 1999 billig 
von Renault aufgekauft worden, seitdem wird dort erfolgreich der Logan 
produziert.
Zwar waeren die rumaenischen Loehne auch mit der geforderten 
Lohnerhoehung noch weit von denen der franzoesischen Kollegen entfernt 
(ein Renaultbeschaeftigter in Frankreich bekommt ca. 2.200 Euro Brutto 
im Monat), symbolisch kommt dieser Forderung jedoch grosse Bedeutung 
zu, da sie ein Versuch ist, die Spaltung der Beschaeftigten zu 
ueberwinden. Einer der Hauptslogans bei einer Kundgebung mit 9.000 
Streikenden am Donnerstag (27.3.) in Mioveni war demnach: "Unitate" 
(Einheit).
Der Arbeitgeber reagierte entsprechend empfindlich, bezeichnete die 
Lohnforderung als inakzeptabel und wollte den Streik per Gericht 
verbieten lassen. Auf Antrag der Gewerkschaft wurde die 
Gerichtsentscheidung darueber auf den 2. April vertagt.
In einem offenen Brief, der in der Zeitung "Evenimentul Zilei" 
veroeffentlicht wurde, drohte der geschaeftsfuehrende Direktor von 
Dacia, François Fourmont, prompt mit Verlagerung: "Diese Forderungen 
koennen die Zukunft des Werks gefaehrden, vor dem Hintergrund, dass 
bis zum Jahr 2010 Renaultwerke in Marokko, Indien und in Russland 
eroeffnet werden, die in der Lage sein werden den Logan zu 
produzieren."
Solche Drohungen sind den Kollegen in Westeuropa wohl bekannt. In den 
letzten Monaten haben einige westliche Grosskonzerne Teile ihrer 
Produktion nach Rumaenien verlegt oder zumindest damit gedroht. So hat 
der amerikanische Autohersteller Ford gerade das Daewoo-Werk in 
Craiova uebernommen, Nokia will bekanntlich seine Produktion von 
Bochum nach Jucu verlagern und Daimler spricht davon ein neues Werk in 
Cluj Napoca zu eroeffnen.
Unternehmerparadis Rumaenien?
Dabei argumentieren die westlichen Grosskonzerne vor allem mit 
niedrigen Produktionskosten und erzaehlen den Kollegen in Deutschland 
oder Frankreich, dass sie zu teuer und anspruchsvoll seien. Die Zusage 
einer Werkseroeffnung bekommt Rumaenien aber keineswegs umsonst. Fuer 
das geplante Nokia-Werk, hat der rumaenische Staat und der Landkreis 
Cluj etwa 33 Millionen Euro ausgegeben. Gas- Strom- und 
Wasserleitungen wurden zu dem entlegenen Gelaende gebaut, sogar 
Schienen aus dem Dorf zur Fabrik verlegt. Dazu kommen ueble 
Arbeitsbedingungen. Bei Romsteel Cord (eine hundertprozentige Tochter 
von Michelin) wehren sich die rumaenischen Beschaeftigten gerade gegen 
unbezahlte Ueberstunden, nicht gewaehrten Urlaub und Probezeiten von 
bis zu 18 Monaten.
Und, die rumaenischen Nokia-Angestellten sollen sieben bis acht mal 
weniger Lohn bekommen als ihre deutschen Kollegen. Dabei fuehren 
rasant steigende Lebenshaltungskosten und Hungerloehne schon heute 
dazu, dass wer irgend kann, Rumaenien den Ruecken kehrt. Vier 
Millionen Rumaenen arbeiten bereits im Ausland, das sind rund zwanzig 
Prozent der Bevoelkerung. Und das, obwohl es alles andere als einfach 
ist ein Arbeitsvisum zu bekommen. Wirtschaftsexperten warnen deshalb 
bereits vor einem Arbeitskraeftemangel in Rumaenien. In der 
rumaenischen Industrie arbeiten stattdessen oft Beschaeftigte aus dem 
noch aermeren Moldawien oder China. So streikten im Februar 2007 etwa 
400 chinesische Textilarbeiter in Bacau im Nordosten Rumaeniens. Diese 
Woche veroeffentlichte die moldawische Regierung Zahlen, nach denen 
75.000 moldawische Kinder ohne ihre Eltern aufwachsen weil diese im 
Ausland arbeiten.
Streik ist kein Ballet!
Auf der einen Seite hat Dacia 2007 mit einem Plus von 17,4 Prozent im 
Vergleich zum Vorjahr ein Rekordergebnis erwirtschaftet und die 
Kollegen wollen endlich ihren Teil davon sehen. "Wir sind keine 
franzoesische Kolonie!", so ein wuetender Streikender gegenueber der 
rumaenischen Presseagentur Rompres, "die Beschaeftigten stellen alle 
52 Sekunden ein Auto her, aber das Geld wird zu Gunsten Frankreichs 
aus Rumaenien abgezogen."
Auf der anderen Seite wissen viele nicht mehr, wie sie ihre Familie 
ernaehren sollen. Nach dem Anstieg der Lebenshaltungskosten in den 
letzten Jahren sind einige Grundnahrungsmittel wie Milch oder Fleisch 
heute sogar teurer als in Frankreich oder Deutschland. Die 
Preissteigerung fuer Speiseoel betrug 2007 z.B. 44,1 Prozent, Brot 
wurde um 13,27 Prozent teurer. Zusaetzlich steigert die niedrige 
Arbeitslosigkeit (wegen der Kollegen die im Ausland arbeiten!) das 
Selbstbewusstsein. Die Zeitung Cotidianul drueckt die Befuerchtungen 
der Arbeitgeber folgendermassen aus: "Das goldene Zeitalter der 
Verguenstigungen fuer die multinationalen Konzerne ist vorbei, 
waehrend der Mangel an Arbeitskraeften dabei ist eine neue «Diktatur 
des Proletariats» zu errichten."
Fakt ist, dass das Unternehmen bereits am vierten Streiktag ordentlich 
unter Druck geraten ist. Nach Angaben der Gewerkschaft werden durch 
den Streik jeden Tag 1.300 Autos weniger produziert. In den Medien ist 
von einem Verlust zwischen 8 und 10 Millionen Euro pro Tag die Rede. 
Die Unternehmensleitung hat ihr Angebot deshalb bereits von 12 auf 16, 
7 Prozent erhoeht. Fuer dieses "Angebot" hatten die Kollegen 
allerdings nur ein Pfeifkonzert uebrig. In Sprechchoeren riefen sie 
"Mafia", "Diebe", "Wir bleiben hier".
Ariel Ungureanu, Berater von Barnett McCall Recruitment, warnt mit 
Blick auf Ford: "Die amerikanische Gruppe, die dabei ist ihre 
zukuenftigen Investitionen in Rumaenien abzuwaegen, wird jetzt 
zweifelsohne denken, dass ihre Beschaeftigten in den naechsten zwei 
Jahren ebenfalls Forderungen nach 70-prozentigen Lohnerhoehungen 
stellen werden."
Und dabei koennte er gar nicht so Unrecht haben, denn zumindest wenn 
die Kollegen von Dacia erfolgreich sind, wird ihr Beispiel bald 
Nachahmer finden. Bei der Kundgebung am vierten Streiktag waren 
bereits auch Kollegen von Avione Craiova, der Posta Romana sowie des 
kuerzlich von Ford uebernommenen Werkes in Craiova anwesend. Die 
Gewerkschaft sprach von 1.500 Kollegen aus anderen Betrieben die aus 
Solidaritaet nach Mioveni gekommen waren. Ebenfalls anwesend war ein 
Vertreter des franzoesischen Betriebsrats und die bei Renault 
vertretenen Gewerkschaften haben eine Solidaritaetserklaerung 
verabschiedet.
Der Betriebsratsvorsitzende Nicolae Pavelescu erklaerte der 
Nachrichtenagentur Rompres, er erwarte eine Radikalisierung des 
Konflikts in den naechsten Tagen: "Ein Streik ist kein Ballet , die 
Kollegen koennen eine deutlichere Sprache sprechen. Vielleicht nicht 
am ersten Tag, aber es ist moeglich das in den naechsten Tagen zu tun. 
Die Leute wissen dass sie ihre Rechte nur durch Streik durchsetzen und 
sind bereit mehrere Tage zu protestieren."
Der Streik der Dacia-Arbeiter und die Forderung nach Loehnen wie in 
Frankreich koennte ein erster Schritt sein, der Abwaertsspirale der 
Loehne durch Abwanderung in Rumaenien etwas entgegenzusetzen. Gerade 
in einem internationale Werk wie Renault sind Solidaritaet ueber die 
Laendergrenzen und gemeinsame Forderungen dringend notwendig. Das 
Beispiel Dacia muss bei KollegInnen in Westeuropa bekannt gemacht 
werden. Sollte der Konzern versuchen Produktionsausfaelle durch 
Mehrarbeit an anderen Standorten wieder reinzuholen muessen sich die 
Kollegen in Frankreich oder anderswo weigern. Wenn Konzerne trotz 
Rekordgewinnen versuchen die Kollegen der verschiedenen Laender 
gegeneinander auszuspielen indem sie mit Abwanderung drohen, Stellen 
vernichten oder Hungerloehne zahlen. gibt es es aber nur eine 
effektive Antwort: die Ueberfuehrung des Konzerns in Gemeineigentum 
unter demokratischer Kontrolle der Beschaeftigten.
*Tinette Schnatterer, CWI-Deutschland*
Quelle: 
http://www.slp.at/index.php/artikel/1/
 ?&cHash=43de9a1b64&tx_ttnews[tt_news]=2177
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