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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. April 2008; 19:43
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Glosse/Wien/Soziales:

> Die Gruenen und das Bettelverbot

Grundsaetze und Prinzipien koennen grundsaetzlich und prinzipiell
ueberdacht und ueber Bord geworfen werden. Und das ist gut so. Die
Haltungsaenderung der Gruenen zur Verschaerfung des Wiener
Bettelverbots ist ein Beispiel dafuer.

Noch Ende Jaenner liess die Kinder- und Jugendsprecherin der Wiener
Gruenen, Claudia Smolik, der Presse wissen: "Dass das Wiener
Landesicherheitsgesetz, welches die Bettelei regelt, nun auch jene
unter Strafe stellt, die Minderjaehrige zum Betteln veranlassen oder
mitfuehren, ist GRUNDSAeTZLICH zu begruessen."

Es soll jetzt gar nicht analysiert werden, auf welchen GRUNDSAeTZEN
die gruene Politik aufbaut, wenn sie eine Gesetzesnovelle begruesst,
die Resultat eines reaktionaeren Diskurses ueber den oeffentlichen
Raum, Armut und Migration ist. Entscheidend ist, dass die Gruenen ihre
Haltung korrigierten. Dafuer gebuehrt Anerkennung, wenn auch der
schale Beigeschmack bleibt, dass sie dies nicht zuletzt aus
opportunistischen Gruenden taten. Keine zivilgesellschaftliche
Akteurin, die sich progressiv mit Armutsbekaempfung beschaeftigt hat,
konnte der Verschaerfung des Bettelverbots etwas Positives
abgewinnen - im Gegenteil: das neue Bettelverbot wurde strikt
abgelehnt.

Die Ablehnung durch die Armutskonferenz, Social Attac, KPOe usw. haben
bei den Gruenen wohl ein Umdenken bewirkt. "Dieses Gesetz bekaempft
die Armen und nicht die Armut. Im Vorfeld der Euro 2008 will die Stadt
jetzt offensichtliches Elend aus der Stadt vertreiben, um das Image
aufzupolieren", wird die Klubobfrau der Gruenen Wien, Maria
Vassilakou, zitiert, ein Zitat, das sich sehr stark an einem Text der
KPOe Margareten orientiert (siehe "Die gesaeuberte Stadt", akin
8/2008).

Die KPOe, die unter dem Motto "Armut statt Arme bekaempfen" Aktionen
durchfuehrte (siehe Video unter http://de.youtube.com/user/kpoe5)
schrieb: "Menschengruppen, die nicht im Hochglanzfolder Innenstadt
vorkommen sollen, werden einfach aus dem Bild gerueckt. Sie schaedigen
das Image, das die Regierenden der Stadt zu Werbezwecken geben wollen.
(...) Wien soll offenbar nicht laenger und schon gar nicht zur EURO
2008 von "Hungerleidern" behelligt werden."

Schade ist, dass der Meinungsschwenk der Gruenen nicht dem
Bettelverbot allgemein gilt, obwohl die zitierten scharfen
Formulierungen von Klubobfrau Vassilakou es nahelegen wuerden. Die
Meinungskorrektur erstreckt sich nur auf die jetzt beschlossene
Verschaerfung. So hat Vassilakou ihre Ablehnung damit begruendet, dass
der Schutz von bettelnden Kindern nicht nach einer neuen Regelung
verlangt, weil organisiertes Betteln ohnehin schon Straftatbestand
war.

Wie sehr diese Einschaetzung des Charakters von Bettelverboten
zutrifft, kann am Wiener Bettelverbot leicht illustriert werden. In
Wien steht organisiertes und aggressives Betteln unter Strafe.
Organisiert ist Betteln auch dann, wenn sich Arme, die Betteln zum
Ueberleben brauchen, Mitfahrgelegenheiten nach Wien organisieren.
Aggressives Auftreten von Frauen und Maennern, die betteln, ist
strafbar. Aggressives Anpoebeln von BettlerInnen, das haeufig zu
beobachten ist, hingegen nicht. Hierfuer braucht es offenbar keine
eigenen Paragraphen. Der Grund: Bei Bettelverboten geht es ueberhaupt
nicht um den Schutz vor Kriminalitaet oder aggressiven Uebergriffen,
sie haben eine ganz andere Funktion; sie sollen "unliebsame" Menschen
vertreiben. Es geht um Vertreibung!

Und folglich waere es wuenschenswert, wenn die Gruenen nicht nur die
Sprachregelung von karitativen und politischen Initiativen kopieren
wuerden, um fuer ihre halbherzige Positionsaenderung Aufmerksamkeit zu
erhalten, sondern es mit dem Slogan "Armut statt Arme bekaempfen"
ernst nehmen wuerden, denn dieser Slogan impliziert ein prinzipielles
Nein zu Bettelverboten.
*KPOe Margareten (gek.)*



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