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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. März 2008; 18:24
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Prozesse:
> Jahrelange Haftstrafen im "Islamistenprozess"
Richter Gerstberger: "Selbstverstaendlich ist die Gesinnung Gegenstand 
des Prozesses"
Der letzte Prozesstag begann damit, dass neben dem Hauptangeklagten 
Mohamed Mahmoud auch die Zweitangeklagte, seine Frau Mona Salem Ahmed, 
in den Gerichtssaal gefuehrt wurde. Salem Ahmed beharrte weiterhin auf 
ihrem Recht, ihr Gesicht zu verschleiern und wollte wieder in ihre 
Zelle gefuehrt werden. Das Mikrofon, in das sie sprach, war dabei 
defekt, wodurch sie nur schwer zu verstehen war. Vorsitzender 
Gerstberger quittierte das mit den Worten: "Es ist schwer, jemanden zu 
verstehen, der einen Fetzen vor dem Gesicht hat." [Anm.d.Red.: Die 
Batterien der Mikrofone waren tatsaechlich aufgebraucht, das wurde 
gestern, Montag, durch die Berichterstattung ueber den BAWAG-Prozess 
bekannt, der im selben Saal stattfand.]
Verteidiger Lennart Binder legte einen Beweisantrag vor, dass die 
Online-Fahndung illegal gewesen sei und zog dabei erneut Dr. Hans 
Zeger von der ARGE Daten als Experten bei. Der Antrag wurde vom 
Richtersenat abgelehnt.
Patscherte Klandestinitaet
Der Zeuge Wilhelm Langthaler berichtete anschliessend, er wuerde 
Mahmoud von Demonstrationen kennen. Langthaler fuehrte aus, dass ihm 
nichts ueber Mahmouds Aktivitaeten abseits der Antikriegsbewegung 
bekannt sei. Eine politische Taetigkeit, wie Mahmoud sie jahrelang 
betrieben und sich dadurch bewusst oeffentlich und in den Medien 
exponiert habe, stehe aber im Gegensatz zum konspirativen Verhalten 
von Terroristen. Die Besatzung im Irak, in Afghanistan und in 
Palaestina wuerde er ebenso wie Mohamed Mahmoud ablehnen. Gerstberger 
gab darauf erneut seine Vorstellung, im Irak sei jetzt die Demokratie 
ausgebrochen, zum Besten.
Danach wurde eine schriftliche Stellungnahme der Zweitangeklagten 
verlesen. Sie leide in der Haft psychisch und koerperlich und habe 
darueber hinaus das Wertvollste ihres Lebens, naemlich ihr Kind, durch 
die brutale Behandlung im Gefaengnis verloren. Unkommentierte 
Uebersetzungen von politischen Texten wuerden offenbar zur Straftat, 
sobald man Moslem sei. Bei der Verlesung war von berechtigtem 
Widerstand gegen Besatzung zu hoeren, aber auch davon, dass Mona Salem 
Ahmed Al-Kaida und deren Methoden ablehne. Der Jihad gehoere zum 
Islam, schliesse Entfuehrungen von Unschuldigen aber ebenso aus wie 
Selbstmordanschlaege. Sie wies auch nochmals darauf hin, dass Mohamed 
Mahmouds Vater ebenfalls ein Gegner von Al-Kaida sei und seinen Sohn 
in diesem Sinn erzogen habe. Um dem Terrorismus tatsaechlich Einhalt 
zu gebieten, muesse man dessen Ursachen, also Krieg und Besatzung, 
abstellen.
Es folgten stundenlange Verlesungen aus dem insgesamt 23-baendigen 
Akt, unter anderem von Protokollierungen von ueberwachten Chats mit 
politischem Inhalt, die Mahmoud im Internet gefuehrt hatte. Auf die 
Frage von Anwalt Binder, was die politischen Ansichten seines 
Mandanten mit der Frage zu tun haetten, ob dieser eine Straftat 
begangen hat oder nicht, antwortete der Richter: "Selbstverstaendlich 
ist die Gesinnung Gegenstand des Prozesses".
Zwischendurch wurde auf Antrag der Verteidigung Mahmoud Salem Ahmed, 
ein Bruder der Zweitangeklagten, in den Zeugenstand gerufen. Wie schon 
andere Zeugen, berichtete auch dieser, dass Mohamed Mahmoud die 
Methoden von Al-Kaida immer kritisiert und als unislamisch bezeichnet 
habe. Ob seine Schwester auf ihrem Computer Videos von 
Geiselhinrichtungen habe, wusste er nicht.
Mutter stoert
Die Verlesung des Aktes ging weiter. Als man zum Protokoll der 
Verhaftung von Mona Salem Ahmed kam, warf deren Mutter aus dem 
Zuschauerraum aufgebracht ein, das Protokoll sei falsch und 
verschweige, dass ihre Tochter bereits bei der Verhaftung misshandelt 
worden sei und dass die Beamten die Tuer aufgebrochen haetten, anstatt 
einfach anzulaeuten. Der Richter wies Frau Salem Ahmed zurecht, 
Zuschauer haetten keine Einwaende zu machen, woraufhin Verteidiger 
Binder die Vernehmung der Frau als Zeugin beantragte. Der Antrag wurde 
vom Gericht mit der Begruendung abgelehnt, dies sei nicht relevant 
fuer das Verfahren.
Desweiteren kam auch ein Krankenakt des AKH zum Vorschein, der bewies, 
dass Mahmoud die Verletzung seiner rechten Hand im Maerz 2002 bei 
einem Treppensturz erlitten hat und nicht bei einem von der 
Staatsanwaltschaft behaupteten Aufenthalt im Irak Ende 2002 oder 
Anfang 2003. Tatsaechlich konnte auch ueberhaupt nichts vorgebracht 
werden, was belegt haette, dass Mahmoud jemals im Irak war.
Mohamed Mahmoud machte mehrere Male von seinem Recht Gebrauch, die 
Verlesungen aus dem Akt zu kommentieren. Er gab erneut an, die 
Behoerden haetten seine Aussagen mehrfach verdreht und haetten auch 
sein Angebot, seine Kontakte zu nuetzen, um bei der Suche nach 
weiteren Entfuehrten, unter anderem dem Oesterreicher Bert Nussbaumer, 
zu helfen, haetten die Beamten abgelehnt. Mahmoud bekannte sich 
nochmals dazu, den Widerstand gegen Besatzung fuer legitim zu halten, 
Terror gegen Zivilpersonen aber abzulehnen.
Danach verlas der Richter die aus 14 Punkten bestehenden Fragen im 
Sinn der Anklage an die Geschworenen. Diese enthielten u.a. die 
Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, 
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung als Anfuehrer, 
Beteiligung an den Verbrechen einer kriminellen Organisation, 
Noetigung der Bundesregierung und des Nationalrates, versuchter 
schwerer Noetigung, Aufforderung zu Straftaten, Auswahl von Zielen 
fuer Terroranschlaege (u.a. Spiele der Fussball-EM 2008, Gebaeude der 
UNO und der OPEC sowie Politiker wie Tony Blair, Jack Straw, Gerhard 
Schroeder, Joerg Haider und H.C. Strache).
Schlussplaedoyers
Vor den Schlussplaedoyers wurde nochmals eine Pause von 15 Minuten 
angesetzt. An deren Beginn wurden Mohamed Mahmoud die Handschellen mit 
unnoetiger Brutalitaet angelegt, woraufhin er zu schreien begann "Sie 
tun mir weh!" Die Justizwachebeamten zerrten ihn daraufhin gegen 
seinen Widerstand aus dem Saal. Von draussen waren seine Schreie noch 
zu hoeren. Die Angehoerigen der beiden Angeklagten waren daraufhin 
sehr aufgebracht, die Mutter von Mona Salem Ahmed sprach von 
Misshandlung und fragte, wo hier die Menschenrechte blieben. Dazu ist 
zu sagen, dass an diesem Tag das Auftreten der Justizwache wesentlich 
aggressiver war als an den bisherigen Prozesstagen. Es kam zu einigen 
Tumulten vor dem Gerichtssaal, die sich aber bald wieder beruhigten. 
Die Angehoerigen von Mona Salem Ahmed gaben danach einige Interviews, 
in denen sie u.a. ihre Sorge darueber zum Ausdruck brachten, dass 
Mohamed Mahmoud und Mona Salem Ahmed in der Haft haeufiger dieser Art 
von Behandlung ausgesetzt sein wuerden.
Staatsanwalt Klackl betonte in seinem Schlussplaedoyer, Mahmoud habe 
sich durch verschiedene Aussagen selbst am meisten belastet, vor 
allem, indem er sich im Fernsehinterview als Sprecher der GIMF 
ausgegeben und diese als medialen Arm der Mujaheddin in den 
umkaempften Staaten im arabischen und zentralasiatischen Raum 
dargestellt habe. Terrorismus sei nicht nur die Ausuebung von 
terroristischer Gewalt, sondern bereits deren propagandistische 
Aufbereitung. Mahmoud haette Informationen mit terroristischem Inhalt 
verbreitet, er sei ein Propagandawerkzeug von Terrororganisationen und 
wuerde diese aktiv unterstuetzen, habe auch im Internet mit Sprechern 
islamistischer Terrornetzwerke kommuniziert. An Produktion und 
Ausstrahlung des bekannten Drohvideos sei er fuehrend beteiligt 
gewesen, er habe die oesterreichische und die deutsche Regierung zum 
Abzug ihrer Soldaten aus Afghanistan noetigen wollen und sei dabei 
gewesen, in Oesterreich eine Terrororganisation aufzubauen.
Verteidiger Binder bezeichnete die Anklage als masslos ueberzogen. Die 
Angeklagten haetten nichts anders getan als im Internet zu 
recherchieren und Informationen ins Netz zu stellen, was nicht 
strafbar und bisher nie Anlass gewesen sei, jemandem Mitgliedschaft in 
einer terroristischen Vereinigung vorzuwerfen. Die GIMF sei weder in 
Bruessel noch in Oesterreich als Terrororganisation eingestuft worden. 
Mona Salem Ahmed habe nichts anderes als Uebersetzungsdienste 
geleistet und habe keinerlei Kontakt zu anderen Islamisten gehabt, sei 
daher freizusprechen. Mohamed Mahmoud habe keinerlei terroristische 
Handlungen gesetzt und seine Kontakte sogar noch zur Befreiung von 
Geiseln genuetzt. Die angeblichen Anschlagsplaene seien niemals 
abgeschickt worden, daher sei hier auch keine Aufforderung zu einer 
Straftat feststellbar. Der Ausschluss von Mona Salem Ahmed sei 
keineswegs gesetzlich gerechtfertigt, und falls die Geschworenen zu 
keinem Freispruch der Zweitangeklagten bereit seien, sollten sie 
wenigstens ihre Zulassung zur Verhandlung und ihre Vernehmung vor 
Gericht beantragen. Die Ermittlungsmassnahmen seien zum Teil rechtlich 
hoechst bedenklich gewesen und im Justizbereich im Oesterreich mache 
sich zunehmend Fremdenfeindlichkeit bereit.
Mohamed Mahmoud sagte in seiner Schlussansprache, gaebe es in 
Oesterreich die Todesstrafe, wuerde der Staatsanwalt wahrscheinlich 
diese fordern. Er waere von der Polizei schlimmer als ein Moerder oder 
ein Vergewaltiger behandelt worden. Die Dinge, die er tatsaechlich 
getan habe, waeren bei einem Sebastian oder einem Christian niemals 
strafrechtlich geahndet worden, bei einem Mohamed, einem Moslem aber 
eben schon. Das Drohvideo sei ihm untergeschoben worden, er habe damit 
nichts zu tun. Seine Familie werde seit Monaten oeffentlich beschimpft 
und beleidigt. Er wiederholte noch einmal, dass er keinesfalls 
Anschlaege auf Zivilpersonen, sondern nur den Kampf gegen 
Besatzungstruppen befuerworte. Es gaebe viele Intersetseiten, auf 
denen Texte von Mujaheddingruppen zu finden seien, deren Betreiber 
stuenden aber nicht vor Gericht. Die angeblichen Anschlagsplaene habe 
er niemals abgeschickt, was auch bewiesen sei, aber von Leuten, die 
sich mit Computern und Internet nicht auskennen wuerden, leider nicht 
verstanden wuerde. Er habe keine Moeglichkeit gehabt, sich ausreichend 
zu verteidigen, er erwarte sich auch keine Gerechtigkeit.
Das Urteil
Nach 5-stuendiger Beratung wurde schliesslich von den Geschworenen der 
Schuldspruch in allen Anklagepunkten verkuendet, in 2 Punkten mit acht 
zu null Stimmen, in allen uebrigen Punkten mit sechs zu zwei Stimmen.
Das Gericht verurteilte Mohamed Mahmoud zu 4 Jahren Haft und Mona 
Salem Ahmed zu 22 Monaten Haft. Da die beiden Ueberzeugungstaeter 
seien, sei auch von einer bedingten Strafe abzusehen.
(Antiimperialistische Koordination/gek.)
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Volltext: 
http://www.antiimperialista.org/index.php?
 option=com_content&task=view&id=5572&Itemid=234
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Nachtrag: Das Urteil ist nicht rechtskraeftig, die Beschuldigten 
gingen nach Bedenkzeit in Berufung. ###
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