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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Maerz 2008; 18:15
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Wien/Kommentar:

> Die gesaeuberte Stadt

Immer mehr Bettelverbote werden beschlossen. Die extreme Rechte sagt
unverbluemt, worum es ihr geht: sie will ausmisten. Menschen sollen
wie Dreck behandelt werden. "Wir saeubern Graz" war etwa der
Wahlslogan des BZOe. Die "gesaeuberte Stadt" als Wahlversprechen. Die
Mistgabel gehoert wieder zur Bildsprache der Politik.

Doch laengst werden Bettelverbote nicht nur von reaktionaeren
Saubermaenner propagiert, auch die politische Mitte hat sie entdeckt,
als Instrument um Staedte als saubere, attraktive Standorte zu
positionieren. Menschengruppen, die nicht im Hochglanzfolder
Innenstadt vorkommen sollen, werden einfach aus dem Bild gerueckt. Sie
schaedigen das Image, das die Regierenden der Stadt zu Werbezwecken
geben wollen. Die Standortlogik macht das menschenverachtende
Kehraus-machen zum politischen Konsens.

Und im Konsens aller im Wiener Gemeinderat vertretenen Parteien wird
auch das Wiener Landesicherheitsgesetz, das die Bettelei regelt,
dahingehend verschaerft, dass das Mitfuehren von Kindern beim Betteln
unter Strafe gestellt wird. Dabei geht es der SPOe vor allem um
bettelnde Roma, die aus Rumaenien und Bulgarien kommend mit Kindern
bei U-Bahnstationen und anderen stark frequentierten Plaetzen sitzen
oder knien.

So wie in Deutschland vor der Fussballweltmeisterschaft etwa in
Hamburg ein Bettelverbot verhaengt wurde, wird nun in Wien im Vorfeld
der EURO 2008 gegen Arme vorgegangen. Seitens der SPOe und den
Gruenen, die das neue Verbot "grundsaetzlich begruessen", wird
selbstredend nicht mit dem Erscheinungsbild der Stadt, sondern mit dem
Kindeswohl argumentiert.

Betteln ist natuerlich keine Beschaeftigung mit oder gar von Kindern.
Aber was bewirkt ein Verbot, fuer das Strafen bis zu EUR 700 oder eine
Woche Freiheitsstrafe drohen? Die, die es erwischt, werden noch weiter
ins Elend gerissen. Fuer die betroffenen Roma ist Betteln schlicht
eine Ueberlebensfrage, die einzige Moeglichkeit, legal zu Geld zu
kommen. Wer mit einem Verbot darauf antwortet, zerstoert ihre
Existenzgrundlage und aendert nichts an der desastroesen Lage, die sie
zum Betteln zwingt. Betteln findet mitunter auch unter Zwang und
kontrolliert von kriminellen Organisationen statt. Bettelnde werden in
Schuldknechtschaft ausgebeutet und sind Opfer von Menschenhandel.
Gegen diese Menschenrechtsverletzungen gibt es allerdings ausreichende
gesetzliche Grundlagen, um dagegen vorzugehen. Das wuerde aber
verlangen, polizeiliche Ermittlungen anzustellen und nicht die
sichtbaren Opfer, naemlich die bettelnden Frauen mit den Kindern,
einzusammeln und zu bestrafen. Ein Bettelverbot setzt folglich keine
Menschenrechte durch, sondern nur das reaktionaere, inhumane Konzept
der "sauberen Stadt".

Ein Bettelverbot, schrieb der Schriftsteller Karl-Markus Gauss, ist
der Anspruch einer reichen Gesellschaft, "ihren Mitgliedern den
Anblick jenes Elends zu ersparen, das sie selbst produziert." Es
werde, so Gauss weiter, so getan, als "gebe es so etwas wie ein
Menschenrecht des Wohlhabenden, auf dem Weg durch seine Stadt nicht
durch die pure Anwesenheit von Hungerleidern behelligt zu werden."

Wien soll offenbar nicht laenger und schon gar nicht zur EURO 2008 von
"Hungerleidern" behelligt werden. Anders ist es nicht zu erklaeren,
dass Stadtraetin Sandra Frauenberger, die das neue Verbot
ausgearbeitet hat, noch vor einem Jahr der Wiener FPOe, die ein
Bettelverbot forderte, ausrichten liess, dass weder Polizei, noch
Verbote Armut verhindern koennen und es vielmehr darum gehe, Armut zu
bekaempfen.
*KPOe-Margareten*


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