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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Maerz 2008; 19:29
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Moderne Zeiten:
> Der trojanische Esel bockt
Das Urteil des deutschen Hoechstgerichts zum Thema Bundestrojaner ist 
zweischneidig. Aber auch die technische Machbarkeit koennte der 
Abteilung Lausch&Guck in Deutschland wie in Oesterreich noch zu 
schaffen machen.
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In der ORF-ZiB war es eine Kurzmeldung: Das deutsche 
Bundesverfassungsgericht habe die Anwendung der Online-Durchsuchung, 
den sogenannten Bundestrojaner, fuer verfassungskonform erklaert. Eine 
Zusammenfassung, die auch dem hiesigen Innenminister sicher sehr gut 
gefallen hat. Tatsaechlich aber hatte das Hoechstgericht der 
Anwendbarkeit dieses Mittels am 27.Februar sehr enge Grenzen gesetzt. 
Denn die Landespolizeien haetten den Bundestrojaner gerne nach 
Gutduenken eingesetzt, recht lockere Gesetzgebungen gab es in manchen 
Bundeslaendern dazu bereits. Doch die Karlsruher Richter erklaerten 
eine entsprechende Regelung fuer den nordrhein-westfaelischen 
Verfassungsschutz fuer grundgesetzwidrig und nichtig.
Auf die Klage des frueheren deutschen Innenministers Gerhart Baum 
(FDP), zweier Anwaelte, einer Journalistin und einem Mitglied der 
Linkspartei, die gegen das Landesgesetz geklagt hatten, wurde 
entschieden, dass das heimliche Eindringen in ein Computersystem nur 
bei konkreten Gefahren fuer ueberragend wichtige Rechtsgueter 
zulaessig sei, etwa bei Terrorplanungen und Angriffen auf Leib, Leben 
oder Freiheit. Das Gericht schloss damit die Anwendung der heimlichen 
Online-Durchsuchung bei Straftaten wie Kinderpornographie oder 
Steuerhinterziehung aus. Ausserdem muss ein Richter die Massnahme 
genehmigen. Wenn die Behoerden nur "diffuse Anhaltspunkte" fuer 
moegliche Gefahren haben, duerfen sie die Online-Durchsuchung nicht 
anwenden. Selbst der Verfassungsschutz hat in diesem Zusammenhang 
keine Sonderrechte. Ausserdem sind intime Daten auch weiterhin zu 
schuetzen und nach der Auswertung sofort zu loeschen.
Die Entscheidung weist ueber den konkreten Fall hinaus: Das deutsche 
Gericht stellte erstmals fest, dass es ein Grundrecht auf 
Vertraulichkeit und Integritaet von Computern gebe. Gerichtspraesident 
Hans-Juergen Papier verwies darauf, dass heute auf Rechnern oft 
persoenliche Daten wie Texte, Bilder und Tondateien gespeichert 
wuerden. "Eine Erhebung solcher Daten beeintraechtigt mittelbar die 
Freiheit der Buerger, weil die Furcht vor Ueberwachung, auch wenn 
diese erst nachtraeglich einsetzt, eine unbefangene 
Individualkommunikation verhindern kann", sagte er.
Nun muss sich der deutsche Innenminister Schaeuble, der ja den 
Bundestrojaner -- daher der eigentliche Name -- zum Bundesrecht machen 
will, ueberlegen, wie er seine Forderung nach Einfuehrung fuer ganz 
Deutschland verfassungskonform modifizieren kann.
Platter und Berger
Auch auf Oesterreich wird dieses Urteil wohl Auswirkungen haben --  
schliesslich ist das deutsche Grundrechtssystem dem oesterreichischen 
nahe verwandt. Innenminister Platter wollte ja in Oesterreich als 
erstem EU-Staat die Online-Durchsuchung durchsetzen. Von 
Justizministerin Berger kam prinzipiell ein Einverstaendnis mit der 
Argumentation, dass die bisherige Rechtslage durchaus eine 
Interpretation zuliesse, dass der Bundestrojaner jetzt schon moeglich 
waere und daher eine explizite Regelung noetig sei.
Das deutsche Urteil wird aber die Verwirklichung wohl noch etwas 
weiter verzoegern, denn auch ohne diese Entscheidung steckt eine 
innerministerielle Arbeitsgruppe derzeit ziemlich fest. Deren 
Vorsitzender, Bernd-Christian Funk, bezweifelt generell die 
Sinnhaftigkeit einer solchen Methode genauso wie die Einschaetzung der 
Justizministerin. Denn das Einbringen der sogenannten "Remote Forensic 
Software" sei nach der bestehenden Gesetzeslage keineswegs erlaubt, so 
Funk. "Dazu kommt eine Reihe von technischen wie rechtlichen Fragen, 
die ebenso vielfaeltig wie kontrovers" in der Arbeitsgruppe 
abgehandelt worden seien. Etwa das Problem, dass die Technologie 
ueberhaupt nur fuer Windows gedacht ist -- Mac, Linux und andere 
Unix-Derrivate sind inkompatibel und aufgrund besserer 
Software-Architektur generell nicht so leicht angreifbar. Und 
schliesslich laesst sich auch Windows einigermassen sicher machen --  
Angriffe waeren damit nur unter Ausnutzung eben erst entdeckter 
Sicherheitsluecken moeglich. Was nur zwei Moeglichkeiten offen laesst: 
Ausgedehnte Hackeraktivitaeten bei der Polizei oder der Ankauf solcher 
Informationen bei professionellen, aber leider kriminellen Haendlern, 
die dafuer ziemlich hohe Summen verlangen.
Dieser Tage soll ein Bericht der Arbeitsgruppe an Berger und Platter 
gehen. Funk warnt aber die Polizei vor zu grossen Erwartungen 
bezueglich einer Gesetzwerdung: "eine Hauruck-Aktion wird das nicht".
(futurezone, APA/akin)
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