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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Maerz 2008; 19:17
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Moderne Zeiten:
> Videoueberwachung im Gemeindebau -- was tatsaechlich genehmigt wurde
Entscheidung der Datenschutzkommission: Stiegenhaus- und 
Hauseingangs-Ueberwachung in Wiener Gemeindebauten wird eine Absage 
erteilt. Probegenehmigt wird nur die Ueberwachung von Garagen, 
Aufzuegen und Muellplaetzen.
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Mit der DSK-Entscheidung fuer Wiener Gemeindebauten wird der Zweck der 
Videoueberwachung endgueltig klar. Es geht um das Nachgeben gegenueber 
dem populistischen Druck von der Strasse und um Sozialkontrolle, etwa 
bei der Muellentleerung. Alles was biedere Buerger stoert, 
Verunreinigung, Ausspucken, Laerm, anstoessige Kleidung, 
fremdlaendisches Aussehen,... soll per Videoueberwachung beseitigt 
werden. Mit Kriminalitaetsbekaempfung hat das laengst nichts mehr zu 
tun.
Nachdem die Wiener Stadtregierung bereits vergangenen Sommer mit ihrem 
Wunsch nach Videoueberwachung im Gemeindebau vorgeprescht war, hat 
nunmehr die Datenschutzkommission einen Bescheid erlassen. Unter 
grossem medialem Echo wurde hinausposaunt, die DSK habe die 
"Videoueberwachung" im Gemeindebau bewilligt. Was dabei unterging, ist 
die Tatsache, dass keineswegs allen Begehrlichkeiten der Stadt Wien 
nachgegeben wurde und eigentlich nur Ueberwachung in Randbereichen 
bewilligt wurde.
Hauseingaenge und Stiegenhaeuser
Die beantragte Videoueberwachung von Hauseingaengen und 
Stiegenhaeusern darf nicht stattfinden, da dieser Bereich fuer die 
Privatsphaere bedeutsam ist und keine wesentlichen Schadensfaelle im 
Antrag ausgewiesen waren. Damit folgt die DSK der bisherigen Judikatur 
zur Videoueberwachung bei Wohnungseingaengen. Schon in der 
Entscheidung 6Ob2401/96y wurde durch den OGH festgehalten, dass die 
Ueberwachung von Stiegenhaeusern und Eingaengen einen massiven 
Eingriff in die Privatsphaere darstellt und selbst zur Klaerung von 
Einbruechen nur eine Ueberwachung der allgemeinen Bereiche und nicht 
der einzelnen Eingangstueren noetig sei.
Dass Aufzuege ueberwacht werden duerfen, Stiegenhaeuser aber nicht, 
gehoert zum Kapitel Unverstaendliche DSK-Entscheidungen und spricht in 
ihrer Inkonsistenz fuer sich.
Die Videoueberwachung von Garagen, Muellraeumen und Aufzuegen wurde 
antragsgemaess genehmigt, allerdings mit der Auflage, dass keinesfalls 
Wohnungseingaenge von der Videoueberwachung erfasst sein duerfen.
Die Weiterverwendung von Daten aus der Videoueberwachung ist --  
entsprechend dem Zweck der Videoueberwachung -- zur Ausforschung der 
Verursacher von Vandalismusschaeden erlaubt; sonst nur soweit eine 
gesetzliche Verpflichtung zur Ausfolgung des Bildmaterials, z.B. an 
Strafverfolgungsbehoerden, besteht.
Evaluierung der Aufzeichnungen
Die Ueberwachung wurde zeitlich befristet genehmigt, mit der Auflage 
einer darauf folgenden Evaluierung, ob die entsprechende Ueberwachung 
ueberhaupt etwas gebracht hat.
Fuer den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2009 muessen von Wiener Wohnen 
Aufzeichnungen ueber Vandalismus-Schadensfaelle in den Wohnhausanlagen 
mit Videoueberwachung und in vergleichbaren Wohnhausanlagen ohne 
Videoueberwachung durchgefuehrt und der Datenschutzkommission 
vorgelegt werden, um nach diesem Beobachtungszeitraum darueber 
entscheiden zu koennen, ob Videoueberwachung ueberhaupt ein geeignetes 
Mittel zur Bekaempfung von Vandalismusschaeden ist und daher der damit 
verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz gerechtfertigt 
ist.
Mit diesem Entscheidungsteil beschreitet die DSK neue -- und durchaus 
sinnvolle -- Wege: Bislang hat es bei Videoueberwachungen keine 
vernuenftige Evaluierung gegeben. Meldungen, dass dank 
Videoueberwachung etwa das Vandalentum zu Lasten der Wiener Linien 
reduziert worden sei, sind insofern irrefuehrend, als in solchen 
Faellen ja kein Zusammenhang ueberprueft worden ist; allein ein 
Rueckgang von Vandalenakten in einem bestimmten Zeitraum laesst sich 
nicht zwingend auf eingefuehrte Ueberwachungsmassnahmen 
zurueckfuehren. In diesem Zusammenhang wird auch verschwiegen, dass 
zeitgleich mit der Installation der Videoueberwachung massiv der 
zivile und uniformierte Streifendienst in den Stationen und Zuegen 
ausgeweitet wurde.
Verdraengungswettbewerb
Bei einem Direkt-Vergleich zwischen Anlagen mit und ohne Ueberwachung 
ist zu hoffen, dass tatsaechlich sinnvolle Vergleichskriterien 
entwickelt werden.
Wer unbedingt auf Vandalentum aus ist, wird sich davon von einer 
fetten -- allgemein sichtbaren -- Kamera bzw. entsprechenden 
Warnhinweisen mit Sicherheit nicht abbringen lassen, seine 
Zerstoerungswut allerdings wohl auf Bereiche auslagern, die nicht 
videoueberwacht werden.
Erfolgreich waere die Videoueberwachung nur, wenn einerseits die 
Gesamtzahl von Vandalismusfaellen sinken wuerde und andererseits kein 
Anstieg in der unmittelbaren Umgebung der ueberwachten Bereiche 
stattfinden wuerde.
Ansonsten wuerde mit hohen (Steuer-)Kosten nur eine Verlagerung des 
Vandalismus erreicht und schliesslich die Ueberwachung immer weiterer 
und neuer Bereiche gefordert, ohne jedoch den Schadensursachen auf den 
Grund zu gehen.
Ob Videoueberwachung Erscheinungen wie Vandalentum, ignorantes 
Muellablagern oder andere Sozialdelikte bloss oberflaechlich 
verdraengt oder doch nachhaltig verhindert, konnte noch durch keine 
Studie bewiesen werden. Tatsaechlich gibt es eine Reihe von 
Untersuchungen, die zeigen, dass Videoueberwachung am besten VOR deren 
Installation nuetzt, da in dieser Zeit oeffentlichkeitswirksam 
berichtet wird.
Auch die beruehmten "Erfolge" in Grossbritannien, etwa in Newham, 
lassen sich nur mit Hilfe grober sozialwissenschaftlicher 
Pseudoerklaerungen der Vidoeueberwachung zuschreiben. Tatsaechlich war 
die Videoueberwachung bloss der Endpunkt einer umfassenden 
Stadtteilsanierung, in der Muellhalden entfernt, Gassenlokale und 
Strassen saniert und besser beleuchtet worden sind; dazu kam 
verstaerkte Patrouillentaetigkeit. Im Laufe dieser Entwicklung 
wandelte sich auch die Bevoelkerungsstruktur. Es ist daher unserioes, 
Aenderungen in den Deliktraten bloss der Ueberwachungstechnik 
zuzuschreiben.
Illegale Muellablagerung durch Ueberwachung bekaempfen?
Neben Vandalentum wird als weiteres Problem, das es zu bekaempfen 
gilt, die "illegale" Muellablagerung an den privaten Muellplaetzen 
verschiedener Hausanlagen genannt. Auch hier ist auf den 
Verdraengungscharakter entsprechender Massnahmen zu verweisen: Wem 
Muellentsorgung egal ist, der kippt dann einfach seinen Dreck in den 
Wald oder auf die Strasse.
Juristisch gesehen ist ueberhaupt fraglich, wie eine Bekaempfung 
unerwuenschter Muellablagerung von statten gehen soll. 
Muellablagerungen stellen zwar einen zivilrechtlichen Eingriff in die 
Rechte der Hauseigentuemer dar, sind aber weder 
Verwaltungsuebertretung noch Strafdelikte. Es wird daher juristisch 
ueberaus problematisch bis unmoeglich sein, Muellablagerer zu 
identifizieren, selbst wenn man sie auf Video aufgenommen hat. Zu 
befuerchten ist daher, dass entsprechende Massnahmen zwar viel kosten, 
aber keinen Effekt bringen. Am einfachsten waere es jedenfalls, 
entsprechende private Muellplaetze zu versperren.
(ARGE Daten/gek.)
Volltext:
http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s#192zuh
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