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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Maerz 2008; 19:24
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Glosse:

> 1933 und heute

Was NGOs aus der Geschichte lernen koennen

Vor 75 Jahren, im Maerz 1933, errichtete der christlichsoziale
Bundeskanzler Engelbert Dollfuss die klerikale, austrofaschistische
Diktatur. Seit langem hatten sich die Christlichsozialen (die
Vorlaeuferpartei der heutigen OeVP) auf diesen Kurs festgelegt. Die
Machtergreifung Hitlers in Deutschland, wenige Wochen zuvor, gab ihnen
frischen Mut.

Die Linie vorgegeben hatte aber schon ein Dollfuss-Vorgaenger: Ignaz
Seipel, Bundeskanzler und "Praelat ohne Milde", am 15. Juli 1927 mit
dem Massaker vor dem Justizpalast.

Ein Anlass war leicht gefunden; es konnte auch irgendein anderer
sein - eine parlamentarische Formalitaet, die zum Ruecktritt der
Praesidenten des Nationalrats fuehrte. Schwer bewaffnetes Militaer
hinderte die Abgeordneten am Betreten des Parlaments.

Die Arbeiterbewegung verfuegte damals ueber eine bewaffnete Macht: den
Republikanischen Schutzbund. Hervorgegangen aus der (in der Revolution
von 1918 spontan gegruendeten) Arbeiterwehr, sollte er die junge
Demokratie vor Anschlaegen der Reaktion schuetzen. In den
Zwanzigerjahren wurde er allerdings der Kontrolle durch die Fuehrung
der Sozialdemokratischen Partei unterstellt.

Damals, im Maerz 1933, standen ueberall in Oesterreich, in den
Gemeindebauten, aber selbst in entlegenen Waldviertler Orten,
Schutzbuendler Gewehr bei Fuss, um den Staatsstreich niederzuschlagen.
Kuriere sassen auf ihren Motorraedern bereit, um die Parole zum
bewaffneten Aufstand hinauszutragen ins ganze Land.

Sie warteten, warteten vergebens - auf den Befehl, der nicht kam.
Verzweifelt, muede, enttaeuscht gingen die Menschen nach Hause - und
gruben ihre Waffen wieder ein.

Otto Bauer, Chefideologe der austromarxistischen Sozialdemokratie,
sprach damals von seiner Verantwortung fuer die Muetter dieses Landes,
deren Soehne fallen wuerden, wenn er den Kampfbefehl gab. Spaeter, als
alles verloren war, hat er sein damaliges Zaudern, seine
Entschlusslosigkeit, den schlimmsten aller seiner Fehler genannt.

Im Februar 1934, als der Aufstand dann doch ausbrach - spontan, von
der Fuehrung einmal mehr im Stich gelassen - war alles zu spaet. Das
Volk war entmutigt, demoralisiert. Nur wenige Aufrechte griffen zu den
Waffen; der Generalstreik, zu dem die Massen im Maerz 1933 bereit
gewesen waeren, fand nicht mehr statt.

Die Schutzbuendler, in den Gemeindebauten verbarrikadiert, sahen Zuege
vorbeifahren. Gepanzerte Zuege, aus denen das Bundesheer auf die
Haeuser der Arbeiter schoss. Die Lokomotivfuehrer waren
Sozialdemokraten. Es war Wirtschaftskrise, sie fuerchteten um ihren
Arbeitsplatz.

Der Aufstand wurde in Blut erstickt. Der Faschismus hatte gesiegt. Von
da zum Anschluss an Nazideutschland war es nur mehr ein kleiner
Schritt. Im Parlamentsklub der OeVP haengt heute noch ein Bildnis des
Diktators. Es gibt in diesem Land eine ungebrochene faschistische
Tradition.

Koennen wir aus der Geschichte lernen? Mit dieser Tradition haben wir
NGOs Tag fuer Tag zu kaempfen. Wir wollen uns nicht eines Tages den
Vorwurf machen, wir waeren durch allzu grosse Friedensliebe, durch
allzu grosse Nachsicht mit den Feinden der Freiheit und Gleichheit
mitschuldig geworden am Untergang der Demokratie in diesem Land.
*Michael Genner, Obmann von Asyl in Not*

Literatur:
Ilona Duczynska, "Der demokratische Bolschewik. Zur Theorie und Praxis
der Gewalt", 1975
Charles Gulick, "Oesterreich von Habsburg zu Hitler"
Michael Genner, "Mein Vater Laurenz Genner. Ein Sozialist im Dorf",
1979



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