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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Februar 2008; 17:07
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EU-Vertrag/Irland:

> Einsame Parlamentsstimme dagegen

Irland ist das einzige Land, in dem ueber den Vertrag von Lissabon
abgestimmt werden muss. Im Parlament ist nur die Sinn Féin gegen den
Vertrag, doch der Ausgang ist ungewiss.
*

In der kleinen Republik Irland wird entschieden, ob die EU-Verfassung,
diesmal als "EU-Vertrag" auch im zweiten Anlauf scheitert oder doch
endlich europaeisches Recht wird. Denn waehrend Frankreich nach der
Schlappe beim ersten Mal keine Abstimmung mehr riskieren will - und
kuerzlich in einer Nachtsitzung des Parlaments ohne grosse Debatte
eine Ratifizierung ohne Plebiszit beschloss - und auch sonst alle
Regierungen der Meinung sind, dass das Volk nicht das richtige
Verstaendnis fuer solche Fragen hat, besitzt Irland eine Verfassung,
die selbst die kleinste Verfassungsaenderung nur mit einer
Volksabstimmung erlaubt.

Schon im Mai oder Juni soll diese Volksabstimmung stattfinden,
kuendigte Ministerpraesident Bertie Ahern (Fianna Fáil) an. Die
grossen Parteien, aber auch die beiden kleinen Regierungsparteien
Progressive Democrats und Green Party tragen diese Unterstuetzung mit.
Fuer die Gruenen war es allerdings eine Zerreissprobe, denn in ihrer
Basis gibt es eine grosse Gegnerschaft gegen den Vertrag. Die
Parteifuehrung beschloss aber eine Unterstuetzung des "Ja" mit einem
"Gespraechsangebot" an die Gegner.

Damit bleibt im Parlament nur mehr die oppositionelle Sinn Féin (SF;
genauer: das parlamentarische Spaltprodukt der Traditionspartei, auch
"Provisional Sinn Féin" genannt), die klar gegen den Vertrag optiert.
SF hat zwar nur 4 von 166 Mandaten im irischen Unterhaus inne, doch
die Stimmung im Land ist keineswegs so klar wie im Parlament. SF
koennte eine wichtige Stimme sein, um die unsicheren Wahlberechtigten
auf die Seite des "Nein" zu ziehen. Immerhin machen diese
Unentschlossenen laut Umfragen immer noch zwei Drittel aller Waehler
aus.

SF gibt sich dabei keineswegs EU-feindlich. Nach wie vor ist die
Unterstuetzung fuer die EU in Irland -- trotz einer gewissen
Ernuechterung in den letzten Jahren -- hoch. Und daher beruhigt
SF-Abgeordnete Mary Lou McDonald bei der Vorstellung einer Kampagne
gegen den Vertrag: "Die Leute wissen, dass Irlands Stellung in der EU
sicher ist, und dass es moeglich ist, die EU zu unterstuetzen und
gegen den Lissabon Vertrag zu sein."

Irland ist Oesterreich sehr vergleichbar: Eine Einwohnerzahl im
einstelligen Millionenbereich, militaerisch neutral und nach heftigen
Protesten in den 70er-Jahren frei von Atomenergie. Daher sind speziell
in Oesterreich viele Argumente der SF wohl besser verstaendlich als
anderswo in der EU. Hier die Argumente der SF im Detail, wie sie
vorletzte Woche veroeffentlicht wurden:

"10 Gruende, warum der Lissabon-Vertrag ein schlechter Deal fuer
Irland ist:

1. Er setzt unser automatisches Recht auf einen Volksentscheid auf
kuenftige Aenderungen in existierenden Vertraegen einem Risiko aus.

2. Es gibt der EU zu viel Macht und reduziert unsere Faehigkeit,
Entscheidungen anzuhalten, die nicht in Irlands Interesse sind.

3. Es gibt der EU 105 zusaetzliche Kompetenzen in Fragen wie
internationale Verbindungen, Sicherheit, Gewerbe- und
Konjunkturpolitik, und in mehr als 60 dieser Gebiete werden wir unser
Recht verlieren, Gesetze in unserem Staatsinteresse zu gestalten.

4. Es schafft einen EU-Aussenminister und regulaere Militaer- und
Aussenpolitik und erlaubt es der EU, auf dem internationalen Parkett
wie ein Staat zu agieren und in unserem Namen zu sprechen.

5. Es erodiert die Neutralitaet, indem er uns in ein regulaeres
Verteidigungsystem zieht und uns dazu verpflichtet, Wehrausgaben zu
erhoehen.

6. Es reduziert unsere Abstimmungsstaerke im Rat der Minister um mehr
als Haelfte.

7. Es beendet unser automatisches Recht auf einen Kommissar.

8. Es unterminiert massiv Arbeitsrecht und oeffentliche Dienste.

9. Es erlaubt der EU, Atomenergie zu foerdern.

10. Es unterminiert das Engagement der EU, globale Armut und
Ungleichheit zu bekaempfen."

*Bernhard Redl*
*

Kampagnenvorstellung der (Provisional) Sinn Féin:
http://www.anphoblacht.com/news/detail/24219

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