**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Februar 2008; 17:12
**********************************************************

Iran/Menschenrechte/Termin:

> Ein Ende der Steinigungen?

amnesty international berichtet ueber derzeitige Praxis der
Hinrichtungen, aber auch ueber Hoffnungen auf ihre Abschaffung.
*

Die Steinigung, eine der brutalsten Hinrichtungsformen ueberhaupt, ist
im Iran nach wie vor gaengige Praxis. Trotz eines Moratoriums im Jahr
2002 wurden seither mindestens drei Menschen zu Tode gesteinigt.
Mindestens dreizehn weitere Personen, die zum Tod durch Steinigung
verurteilt wurden, warten derzeit auf ihre Hinrichtung.

Der Tod durch Steinigung steht im Iran auf eine Tat, die in den
meisten Laendern nicht einmal strafbar ist: Ehebruch. Oft gehen
Steinigungen unfaire Gerichtsverfahren voraus. Als Beweismittel
koennen die "Erkenntnisse" des zustaendigen Richters ausreichen.

Die Mehrheit der zum Tod durch Steinigung Verurteilten sind Frauen.
Das liegt vor allem daran, dass Frauen in vieler Hinsicht
diskriminiert sind. So ist es fuer Frauen schwerer, eine Scheidung zu
erreichen, waehrend Maenner ein uneingeschraenktes Scheidungsrecht
geniessen. Laut iranischem Recht hat die Aussage einer Frau vor
Gericht nur halb soviel Gewicht wie die eines Mannes. Im Rahmen von
Prozessen wegen Ehebruchs zaehlen Zeugenaussagen einer Frau zudem nur
dann, wenn sie von mindestens zwei Maennern bestaetigt werden.

Die Schlechterstellung von Frauen in Gerichtsverfahren wird dadurch
noch verstaerkt, dass vielen schlicht das Geld fuer eine/n AnwaeltIn
fehlt. Besonders schwierig ist es auch fuer Angehoerige ethnischer
Minderheiten. Sie verstehen die Gerichtssprache Persisch oft nicht.
Viele koennen nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben.

"Die Steine duerfen bei einer Steinigung nicht so gross sein, dass die
Person getoetet wird, wenn sie von einem oder zwei davon getroffen
wird, und auch nicht so klein, dass man sie nicht mehr als Stein
ansehen kann." (Art. 104 des iranischen Strafgesetzbuchs)

Steinigungen sind besonders grausam. Der Tod durch Steinigung soll
langsam und qualvoll eintreten. Maenner werden dabei bis zur Huefte
und Frauen bis unter die Brust eingegraben. Ueblicherweise sind sie in
weisse Tuecher gehuellt. Dann werden sie oeffentlich - unter den Augen
von Richter, Zeugen und Schaulustigen - solange mit Steinen beworfen,
bis der Tod eintritt.

Hajieh, Ka'far und Ebrahimi

Hajieh Esmailvand, eine 35-jaehrige Angehoerige der
aserbaidschanischen Minderheit im Iran, wartete fast sieben Jahre lang
auf ihre Steinigung. Der Moerder ihres Mannes hatte sie der
Mittaeterschaft bezichtigt und behauptet, sie sei mit ihm fremd
gegangen. Bei Verhoeren hatte Esmailvand auch unter Zwang ein Dokument
unterschrieben, das sie aufgrund ihrer mangelnden Persisch-Kenntnisse
nicht lesen konnte. Im Prozess wurde das Papier dann als "Gestaendnis"
gewertet und gegen sie verwendet. Esmailvands Aussage, wonach sie mit
dem Mord nichts zu tun habe und der Taeter in Wahrheit vergeblich
versucht hatte, sie zu vergewaltigen, fand vor Gericht hingegen keine
Beruecksichtigung. Sie wurde verurteilt - fuer den Mord zu fuenf
Jahren Haft, fuer den Ehebruch zum Tod durch Steinigung.

Auch ihr Urteil verstand sie nicht, da sie unter anderem das persische
Wort fuer Steinigung (rajm) nicht kannte, bis sie von ihrem Bruder
ueber den Schuldspruch aufgeklaert wurde. Aufgrund von
Unregelmaessigkeiten im Verfahren setzte der zustaendige
Vollzugs-Richter die fuer September 2004 vorgesehene Hinrichtung
vorerst aus. Erst im September 2006, nach massivem Druck, unter
anderem von amnesty international und der iranischen Kampagne "Stop
Stoning Forever", wurde Esmailvand aus der Haft entlassen und im
Dezember 2006 vom Vorwurf des Ehebruchs freigesprochen.

Obwohl der Iran bereits 2002 zusicherte, die Praxis der Steinigungen
zu beenden, hat es seitdem mehrfach Hinrichtungen dieser Art gegeben.
So wurden im Mai 2006 eine Frau namens Mahboubeh M. und ein Mann
namens Abbas H. auf einem Friedhof in Mashhad wegen des Mordes an
Mahboubehs Ehemann und wegen Ehebruchs zu Tode gesteinigt. Unter den
Personen, die sich an der brutalen Exekution beteiligten, waren mehr
als hundert Revolutionswaechter und Angehoerige der
Basij-Freiwilligenmiliz.

Der letzte Mensch, der im Iran zu Tode gesteinigt wurde, war Ja'far
Kiani am 5. Juli 2007. Die Behoerden gaben spaeter an, dies sei ein
"Versehen" gewesen. Er war des Ehebruchs mit Mokarrameh Ebrahimi, mit
der er zwei Kinder hat, fuer schuldig befunden worden. Ebrahimi, die
ebenfalls zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde, befindet sich
derzeit mit einem ihrer beiden Kinder im Gefaengnis von Choubin,
Provinz Qazvin, in Haft und koennte weiterhin jederzeit exekutiert
werden.

Mitte 2006 startete eine Gruppe iranischer
MenschenrechtsverteidigerInnen eine Kampagne zur Abschaffung von
Steinigungen. Die AktivistInnen sind laufend Schikanen und
Verhaftungen ausgesetzt. Von den 11 Personen, fuer die sie sich
urspruenglich eingesetzt hatten, sind fuenf in der Zwischenzeit nicht
mehr von Steinigung bedroht. Einige Urteile werden derzeit
ueberprueft. Nach amnesty international vorliegenden Informationen
warten Anfang Februar 2008 im Iran mindestens elf Frauen - Iran,
Khayrieh, Kobra N, Fatemeh, Ashraf Kalhori, Shamameh Ghorbani,
Mokarrameh Ebrahimi, Leyla Ghomi, Hajar, Zohreh und Azar Kabiri-niat -
und zwei Maenner - Abdollah Farivar und ein namentlich unbekannter
afghanischer Staatsbuerger - auf ihre Hinrichtung durch Steinigung.

Zurueck in die Zukunft

Seit einiger Zeit liegt dem iranischen Parlament (Majles) eine
Neufassung des Strafgesetzbuchs vor. Diese enthaelt eine Bestimmung,
die vorsieht, dass Steinigungsurteile in anderen Hinrichtungsarten
oder Pruegelstrafen umgewandelt werden koennen.

amnesty international begruesst dieses Reformvorhaben, lehnt jedoch
die Todesstrafe und jede Form der Pruegelstrafe als Verletzung des
Rechts auf Leben und des Verbotes der Folter und Misshandlung
uneingeschraenkt ab. ai fordert die iranische Regierung auf, alle noch
anstehenden Steinigungen auszusetzen und die Anwendung der Todesstrafe
durch Steinigung und von Pruegelstrafen sowie die Bestrafung von
"einvernehmlichen ausserehelichen sexuellen Beziehungen" auf
Gesetzesebene endgueltig abzuschaffen. Zudem sollte der Iran als
Unterzeichnerstaat des Internationalen Paktes ueber buergerliche und
politische Rechte auf die Abschaffung der Todesstrafe hinarbeiten. ###

Quelle: http://www.amnesty.at/aktionen/2008/iran/index.htm

*

> Veranstaltung: Solidaritaet mit iranischen Frauenrechtsaktivistinnen

Iranische Frauen sind nicht nur Opfer patriarchaler Politik und
Gesellschaft, sondern setzen sich aktiv zur Wehr. Im Jahr 2006
starteten iranische Frauenrechtsaktivistinnen eine Kampagne fuer die
Gleichstellung von Frauen und wehrten sich damit gegen gesetzliche
Diskriminierung, staatliche und haeusliche Gewalt.

Montag, 3. Maerz 2008, 19:00, AAI-Wien, Grosser Saal (Tuerkenstrasse
3, 1090 Wien)

Programm: Fataneh Kianerci: Todesstrafe, Steinigung (Campaign against
stoning), ai-Netzwerk Todestrafe: Todesstrafe - unmenschlich und
unwiderruflich; Shiva Badihi (GIF): Iranische Frauen fordern ihre
Rechte.




***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin