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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Februar 2008; 17:05
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EU:
> Rechtsextreme Kooperationen in Europa
Die Kooperation unter Rechtsextremisten bzw. Rechtspopulisten in 
Europa hat eine lange Tradition (1). Auch wenn der bedeutendste 
Versuch einer internationalen Vernetzung der rechtsextremen Szene in 
juengster Zeit durch das Auseinanderbrechen der Fraktion des 
Europa-Parlaments 'Identitaet/Tradition/Souveraenitaet' mit ihren 23 
Abgeordneten gescheitert ist, kann das Problem in keiner Weise als 
'erledigt' betrachtet werden.
Was heute kaum noch bekannt ist: die Fraktion 'Identitaet/Tradition/ 
Souveraenitaet' (ITS) hatte bereits einen - kleineren - Vorlaeufer. 
Zwischen 1989 und 1994 bildeten der franzoesische Front National (FN), 
die deutschen Republikaner (REPs) und der Vlaams Blok eine gemeinsame 
Fraktion im Europa-Parlament (2). Doch die Fraktion wurde schon bald 
von Querelen zwischen den Nationalisten erschuettert- so gab es etwa 
jede Menge Streit ueber den `deutschen Charakter Suedtirols`...
Der juengste Versuch einer parlamentarischen Kooparation schien 
quantitativ und qualitativ besser abgesichert zu sein. Die Fraktion 
ITS, die am 15. Januar 2007 aus der Taufe gehoben wurde, verfuegte 
schliesslich ueber 23 Abgeordnete. Ihr gehoerten starke rechtsextreme 
Parteien wie der Front National, der im belgischen Flandern 
einflussreiche Vlaams Belang oder die oesterreichische FPOe an. Auch 
in Osteuropa gab es mit der Grossrumaenienpartei (PRM) einen wichtigen 
Buendnispartner - mit urspruenglich 5 'Delegierten' zum 
Europa-Parlament (3).
Waehrend die 'alte' FPOe (4) unter Joerg Haider und der Front National 
mit Le Pen an der Spitze nicht zu einer Zusammenarbeit kamen, klappte 
es mit der 'neuen' FPOe unter HC Strache. Darueber hinaus fungierte 
der FPOe-Europa-Parlamentarier Andreas Moelzer als treibende Kraft des 
extrem rechten Buendnisses.
Die Fraktion ITS Europa-Parlament konnte anfangs auch eine Reihe von 
'Erfolgen' erzielen:
- es setzte eine intensive wechselseitige politische 
'Besuchertaetigkeit' ein. Unter anderem stattete HC Strache der "Pro- 
Koeln-Bewegung" einen Besuch ab, um an einer Hetzkundgebung gegen 
'Moschee-Bauten' teilzunehmen; umgekehrt lud die FPOe 'Pro-Koeln' zu 
einer Veranstaltung nach Wien ein.
- in Bruessel wurde ein gemeinsames Buero eingerichtet, mit dem 
Oesterreicher Georg Mayer als Generalsekretaer.
- der Fraktion standen betraechtliche Geldmittel zur Verfuegung, mit 
denen zum Teil auch Blaetter wie die oesterreichische Zeitschrift 
'Aula' finanziell unterstuetzt wurden. Beispielsweise erschien in der 
Ausgabe der 'Aula' vom September 2007 ein Artikel unter dem 
verraeterischen Titel 'Bald Pogrome in Ungarn?', den man als 
Stimmungmache fuer Pogrome interpretieren konnte (5).
- bei den ersten Europa-Wahlen in Bulgarien erhielt die Partei 'Ataka', 
die ebenfalls der Fraktion angehoert, ueber 14 Prozent der Stimmen und 
bekam 3 Abgeordnete (statt des bisherigen einzigen 'Delegierten'). Aus 
den Reihen der Ataka wurde eine 'Freiwilligen-Garde' gebildet, die den 
'Kampf gegen den Zigeuner-Terror' auf die Fahnen geschrieben hat und 
deren Uniformen an die SA erinnern (6).
Bruch der Fraktion
Als die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini, die als Abgeordnete ihrer 
'Azione Sociale con Alessandra Mussolini' der ITS-Fraktion angehoert, 
in rassistischer Weise rumaenische ImmigrantInnnen in Italien 
attackierte, kam es zum offenen und mit Vehemenz ausgetragenen 
Schlagabtausch mit der Grossrumaenien-Partei. Es folgte der Bruch und 
die offizielle Aufloesung der Fraktion - uebrigens unter dem Beifall 
vieler Abgeordneter des Europa-Parlaments , was Le Pen zu einer 
'rueden Geste' gegenueber dem Abgeordneten Hans-Peter Martin 
veranlasste (7)...
Bei den - ebenfalls ersten - Europa-Wahlen in Rumaenien musste die PRM 
starke Stimmenverluste hinnehmen und kann in Zukunft nicht einen 
einzigen Abgeordneten fuer sich reklamieren. Interessant ist 
allerdings, dass eine zweite rechtsextreme Partei, die 'Neue 
Generation', die in einer klerikalen Tradition steht, ein Mandat 
erringen konnte. Sie steht unter dem Einfluss des maechtigen Chefs des 
Fussball-Clubs Steaua Bukarest, George Becali (8).
Ohne Zweifel stellt der Fraktions-Bruch fuer die rechtsextreme und 
rechtspopulistische Szene in Europa einen gravierenden Rueckschlag 
dar. Politische Einflussmoeglichkeiten ueber die Buehne des 
Europa-Parlaments und finanzielle Ressourcen gingen verloren. Es gab 
ausgereifte Plaene, gemeinsam zu den Europawahlen anzutreten. Zur 
Disposition stand nicht nur die Intensivierung der wechselseitigen 
Besuchertaetigkeit, sondern ebenso oeffentlichkeitswirksame gemeinsame 
Auftritte der 'creme de la creme' der europaeischen extremen Rechten. 
In Bukarest etwa war fuer Herbst 2007 ein grosses internationales 
Meeting zur Unterstuetzung des Wahlkampfs der PRM geplant, an dem 
unter anderen Le Pen, Alessandra Mussolini, Vertreter der britischen 
Independence Party bzw. des Vlaams Belang teilnehmen sollten (9). Auch 
einige deutsche Parteien der extremen Rechten wollten erklaertermassen 
bei einer europaweiten Kandidatur mitmachen: So gaben NPD, DVU, die 
Republikaner und 'Pro Koeln' unter dem Titel 'Gemeinsam fuer ein 
Europa der Vaterlaender' eine Unterstuetzungserklaerung fuer die ITS 
heraus (10). Gegenueber der Presse spielte Andreas Moelzer den 
Tabubruch der Kooperation mit der neonazistischen NPD (11) herunter: 
Originalton Moelzer: 'Beruehrungsaengste habe ich nicht' (12).
Was ist fuer die naehere Zukunft zu erwarten?
Nach dem Auseinanderfallen der ITS sind die Rechtsaussen-Parteien 
jedenfalls gezwungen, die Plaene eines gemeinsamen Antretens zu den 
Europa -Wahlen einer fundamentalen Revision zu unterziehen. All das 
darf fuer Linke und AntifaschistInnen jedoch kein 'Ruhepolster' sein. 
Mehrere Szenarien sind moeglich. Um nur einige zu skizzieren:
- der verbliebene 'Rest' der ehemaligen ITS agiert - reduziert - 
weiter. In diese Richtung weist etwa der Versuch, eine 'Staedteallianz 
gegen Moscheebauten' zu installieren. (13). Auf derselben Ebene liegen 
die Bemuehungen, eine Art islamophoben Parteienzusammenschluss zu 
finden: In Wien fand im Jaenner 2008 diebezueglich ein Treffen statt, 
an dem u.a. Le Pen, Frank Vanhecke (Vlaams Belang), Wolan Siderow 
(Ataka), Strache und Moelzer teilnahmen. Ziel sei nichts weniger als 
die 'Rettung des Abendlandes'. Bis November 2008 sollen weitere 
Mitstreiter gewonnen werden, um eine gesamteuropaeische Partei der 
extremen Rechten zu zimmern und damit auch in den Genuss von 
EU-Foerdermitteln zu kommen. An einen gemeinsamen Wahlkampf sei nicht 
gedacht (14).
- es koennte versucht werden, 'Gras ueber die Sache wachsen zu lassen', 
um spaeter einen Neustart zu probieren.
- neue, ganz rechte Buendnispartner, die bereits im Europa-Parlament 
vertreten sind (etwa die ' Liga der polnischen Familien' oder die 
griechische Partei LAOS), koennten gewonnen werden. (15)
Wie auch immer - es gilt, fuer alle Varianten geruestet zu sein, um 
einer verstaerkten Zusammenarbeit der europaeischen Rechtsextremisten 
und Rechtspopulisten zu begegnen - theoretisch wie praktisch (16).
Das 5. Europaeische Sozialforum in Malmoe im September 2008 etwa 
bietet eine gute Gelegenheit dazu. Auf internationaler Ebene kann hier 
ueber die extreme Rechte reflektiert und - unmittelbar bevor der 
Startschuss fuer die Europa-Wahlen Juni 2009 erfolgt - sollten einige 
gemeinsame mobilisierende Schritte gegen den kollektiv agierenden 
europaeischen Rechtsextremismus beschlossen werden. Einige zentrale 
Termine fuer laenderuebergreifende Aktionen von Linken und 
AntifaschistInnen bieten sich 2008/2009 geradezu an:
- einerseits der 70.Jahrestag der 'Reichskristallnacht' im November 
2008 bzw.
- andererseits der 70.Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs im 
September 2009 (bereits nach den Europa-Wahlen).
- der 40. Jahrestag des 'Mai 1968' bzw. des 'Prager Fruehlings' als 
konkrete Versuche eine 'andere Welt' zu schaffen - ohne Ausbeutung, 
Unterdrueckung, Rassismus und Krieg ('Sozialismus mit menschlichem 
Antlitz').
- unmittelbar vor den Europa-Wahlen im Juni 2007 vernetzte dezentrale 
Kundgebungen bzw. Demonstrationen in mehreren Laendern und ein 
gemeinsamer Auftritt (inklusive Pressekonferenz) in Bruessel oder 
Strassburg.
*Hermann Dworczak*
Anmerkungen:
1 Vgl. Oskar Wiesflecker: Internationale Verbindungen, in: 
Rechtsextremismus in Oesterreich nach 1945, 5. ueberarbeitete und 
ergaenzte Auflage, Oesterreichischer Bundesverlag, Wien 1981, S. 354 
ff. "Odessa" und "Spinne" waren die Namen von Organisationen, die 
insbesonders dafuer sorgten NS-Kriegsverberchern die Flucht ins 
Ausland zu ermoeglichen. Auch der Vatikan verfuegte ueber Stellen, die 
solche Fluchten organisierten.
2 Vgl. Andre Osterhoff: Die Euro-Rechte. Zur Bedeutung des 
Europaeischen Parlaments bei der Vernetzung der extremen Rechten, 
Muenster 1997, S.171 ff.; Zu den Vorlaeufern der Fraktion ITS und 
ihrer eigenen Entstehungsgeschichte vgl. Heribert Schiedel, Der rechte 
Rand. Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft , Wien 2007, 
S. 136 ff.
3 Die ITS hatte folgende Zusammensetzung (in Klammer die Anzahl der 
jeweiligen Mandate): Front National (7), Grossrumaenienpartei (5), 
Vlaams Belang (3), Ataka (3), FPOe (1), Azione Sociale con Alessandra 
Mussolini (1), Movimiento Sociale Fiamma Tricolore (1), United Kingdom 
Independence Party (1) sowie der 'unabhaengige' rumaenische 
Abgeordnete Dumitru Gheorghe Mircea Cosea.
4 Zur Geschichte der FPOe und ihrer Spaltung in 'alte' FPOe und 'neues' 
BZOe ('Buendnis fuer die Zukunft Oesterreichs') und ihren jeweiligen 
'Fuehrern' Joerg Haider und Hans Christian (HC) Strache, vgl. Hermann 
Dworczak: Modernisierter Rechtsextremismus und Rechtspopulismus am 
Beispiel Oesterreichs, in: Neoliberalismus und Rechtsextremismus in 
Europa (Hrsg. Peter Bathke, Susanne Spindler) Reihe Texte 
Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 29, Berlin 2006 S. 84.
5 Ein Kommentar gegenueber der Aula: 'Wenn MAZSIHISZ (= Vereinigung 
juedischer Organisationen in Ungarn) und deren auslaendischer Anhang 
so weitermachen wie bisher, dann koennten sie eine Pogromstimmung 
entfachen, die jener im zaristischen Russland bzw. im Grossherzogtum 
Polen gleichkommen wird', in: Aula, September 2007 S.18.
6 'Nach Roma-Aufstand in Sofia formieren sich ultrarechte Kraefte', 
in: Kurier 24. August 2007. In Ungarn wieder hat die 
ultranationalistische Bewegung Jobbik eine 'Ungarische Garde' auf die 
Beine gestellt.
7 Tosender Applaus fuer Ende von 'Rechtsaussen', in: Die Presse 15. 
November 2007.
8 Vgl. 'Abrechnung mit der Innenpolitik', in Kurier 26. November 2007. 
Zur extremen Rechten mit klerikaler Grundierung, vgl. Martin Luksan/ 
Hermann Schloesser / Anton Szanya: Heilige Scheine. Marco d` Aviano, 
Engelbert Dollfuss und der oesterreichische Katholizismus, Wien 2007; 
Emmerich Talos, Wolfgang Neugebauer (Hg.) Austrofaschismus. Politik - 
Oekonomie - Kultur 1933 - 1938, Wien 2005
9 'Rechte laden nach Bukarest ein', in: Neues Deutschland, 17. August 
2007
10 Vgl. Pressemitteilung der ITS Fraktion/ Europaparlament Strassburg 
26.9.2007
11 Zum neofaschistischen Charakter der NPD, vgl. Toralf Staud: Moderne 
Nazis. Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD, 3. Auflage, Koeln 
2006
12 Vgl. APA-Aussendung vom 26. September 2007.
13 'Anti-Islampolitik soll Europas Rechte einen', In: Der Standard , 
18.Jaenner 2008.
14 `Neue Partei, alte Bekannte`, In : Der Standard 26./27.Jaenner 2008 
und `Die nationale Internationale`, In : Die Presse 26./27.Jaenner 
2008
15 Das 'Reservoir' im Europa-Parlament, aus dem neue Buendnispartner 
angeheuert werden koennten ist betraechtlich: So verfuegt etwa die 
weit rechts angesiedelte Fraktion 'Union fuer ein Europa der Nationen' 
derzeit ueber 44 Abgeordnete. Ihr gehoeren Parteien wie die - wegen 
ihrer rassistischen Ausfaelle beruechtigten - Lega Nord (Italien) oder 
die Liga der Polnischen Familien an.
16 Zum Gefahrenpotential eines 'updated', also eines modernisierten 
Rechtsextremismus heute, vgl. Robert O. Paxton: Anatomie des 
Faschismus, Muenchen 2006. S.252 ff. Paxton unterstreicht diese 
Gefahren, verweist jedoch auf wesentliche Unterschiede zur 
Zwischenkriegszeit, unter anderem das veraenderte oekonomische 
Ambiente im Gegensatz zur Grossen Depression oder den weitgehenden 
Verzicht der aktuellen extremen Rechten auf den 'Primat der Politik', 
also das Setzen auf den 'freien Markt'.
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