**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Februar 2008; 18:05
**********************************************************
Asyl:
> "Nicht entmutigen lassen! Weiter Schubhaft verhaengen"
Brisantes Protokoll der Fremdenpolizei: Absprachen zwischen
"Unabhaengigem" Verwaltungssenat und Fremdenpolizei
Asyl in Not besitzt das Protokoll einer "fremdenpolizeilichen
Besprechung", die am 18. Dezember 2007 in der Sicherheitsdirektion
Niederoesterreich in St. Poelten stattgefunden hat. Dieses Protokoll
zeigt, wie dreist Platters Polizei die Hoechstgerichte missachtet. Und
wie schamlos "unabhaengige" Verwaltungssenate (UVS) mit der
Fremdenpolizei packeln.
Asyl in Not hat, seit das Prokop-Gesetz in Kraft getreten ist, die
Verwaltungssenate mit Schubhaftbeschwerden eingedeckt. Es ging um
(meist schwer traumatisierte) Fluechtlinge, die gleich nach ihrer
Ankunft in Traiskirchen verhaftet wurden. § 76 Absatz 2 - der
Schubhaftparagraph der verblichenen Prokop - macht's moeglich.
Alle Beschwerden wurden abgewiesen; alle trugen wir (mit Hilfe
befreundeter Anwaltskanzleien) zu den Hoechstgerichten. Der
Verwaltungsgerichtshof hat uns in allen seinen Erkenntnissen Recht
gegeben. (Waehrend der Verfassungsgerichtshof zu feige war, um den
Schubhaftparagraphen zu beheben).
Seit Anfang 2008 gewinnen wir auf einmal alle Haftbeschwerden schon
beim UVS. Warum, darueber plauderte eine Dr. Adrienne Zakovsek (UVS
Niederoesterreich) auf der erwaehnten fremdenpolizeilichen Besprechung
vor rund 30 Beamten aus der Schule:
"Bis jetzt", so Zakovsek, "hat der UVS beinahe alle Schubhaftbescheide
gehalten. Auf Grund der Tatsache, dass die Bescheide des UVS beinahe
zur Gaenze vom VwGh gehoben wurden, wird der UVS diese Vorgangsweise
nicht mehr beibehalten koennen."
In diesen Faellen (Schubhaft auf blossen Verdacht, es koennte ein
anderer "Dublin-Staat" zustaendig sein), "gab es kaum einen Fall, den
der VwGH nicht gehoben hat. Es wird daher sehr schwierig werden, in
den Faellen des § 76/2 die Schubhaftbescheide zu halten."
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Die UVSlerin (die von
Amts wegen dazu da ist, Schubhaeftlinge vor Verletzungen ihrer
Menschenrechte zu schuetzen), referiert vor 30 Fremdenpolizisten und
entschuldigt sich quasi dafuer, dass sie deren rechtswidrige Bescheide
nicht mehr, wie bisher, "halten" koennen wird!
Die Sicherheitsdirektion bietet ihr, dem Protokoll zufolge, daraufhin
an, "Daten der Sozialversicherungstraeger zu beschaffen, wenn diese
vom UVS fuer die Pruefung der Tragfaehigkeit einer
Verpflichtungserklaerung benoetigt werden." Auf deutsch: wenn ein
Verwandter erklaert, der Haeftling koenne, falls er freigelassen wird,
bei ihm wohnen. Dann kuemmert sich die Polizei um seine Daten.
Zakovsek lehnt das Angebot keineswegs ab, sondern ersucht, "die
relevanten Akten sofort mittels e-mail oder Fax zu uebermitteln".
Sodann "bedankt" sie sich "fuer die Zusammenarbeit" und "schliesst
ihren Vortrag mit Weihnachtswuenschen."
Aber es kommt noch besser. Hofrat Mag. Reischer (Sicherheitsdirektion
Niederoesterreich), immer noch laut Protokoll: "Die SID NOe bedankt
sich bei den Erstbehoerden fuer die hervorragende Arbeit. Es wird
betont, dass sich die Fremdenpolizisten nicht entmutigen lassen
sollen. Wir werden nach wie vor Schubhaften verhaengen und zwar auch
in den Faellen des § 76/2 FPG."
Platters Hofrat Reischer weist also auf dieser Sitzung seine Beamten
an, die Judikatur des Hoechstgerichts zu missachten.
Tatsaechlich wurden bald darauf, im Jaenner 2008, viele
tschetschenische Fluechtlinge in Traiskirchen verhaftet, Familien
auseinander gerissen, Vaeter vor den Augen ihrer Kinder wie Verbrecher
abgefuehrt. Kriegstraumatisierte Frauen brachen zusammen, eine
unternahm einen Selbstmordversuch.
Wie gesagt: Alle diese Schubhaftbescheide wurden in kuerzester Zeit
dank unseren Beschwerden fuer rechtswidrig erklaert. Selbst der UVS
Niederoesterreich folgt mittlerweile, ganz gegen sein Herz, der
Judikatur des VwGH.
Die Fremdenpolizisten beschwerten sich auch laut diesem
Skandalprotokoll, dass sie "bevormundet" werden. Damit sei der Erlass
gemeint, dass sie die Zustimmung der Sicherheitsdirektion einholen
muessen, "bevor sie Zwangsmassnahmen mit Familienbezug verhaengen
duerfen."
Ein weiterer Vertreter des Innenministeriums, Mag. Mantler, beruhigte
sie jedoch: Grund fuer diesen Erlass sei "keinesfalls die mangelhafte
Qualitaet" ihrer Arbeit. Grund fuer diesen Erlass sei nur, dass
"Faelle mit Familienbezug ueblicherweise von den Medien aufgegriffen
werden (siehe Zogaj und Zequaj)". Und da waeren "Zwangsmassnahmen mit
Familienbezug" (auf deutsch: Abschiebungen gut integrierter Familien)
doch besser von oben zu koordinieren.
Asyl in Not verlangt eine Reform der Beamtenschaft an Haupt und
Gliedern. Leute wie Platters Hofrat, die so offenkundig rechtswidrige
Weisungen erteilen, sind untragbar. Und der UVS Wiener Neustadt
gehoert durch eine echte, unabhaengige Kontrollinstanz ersetzt, die
nicht erst vom Hoechstgericht zur Einhaltung der Menschenrechte
gezwungen werden muss. Aber vor allem: Polizeiminister Platter muss
weg.
*Michael Genner, Asyl in Not (gek.)*
*
Kasten:
> Fremdenpolizeigesetz 2005 (Fremdenrechtspaket 2005)
FPG § 76/2 - "Die oertlich zustaendige Fremdenpolizeibehoerde kann
ueber einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf
internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der
Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemaess § 10
AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn
1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskraeftige -
Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein
Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine
durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares
Aufenthaltsverbot (§ 60) verhaengt worden ist oder
4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der
erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des
Fremden auf internationalen Schutz mangels Zustaendigkeit Oesterreichs
zur Pruefung zurueckgewiesen werden wird."
*
Die entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshof findet man im
Rechtsinformationssystem des BKA unter http://www.ris.bka.gv.at,
dort
unter VwGH-Entscheide die Norm "FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2" eingeben.
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin