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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 5. Februar 2008; 18:36
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Klima/Glosse:

> "Das Aergste in den letzten zwanzig Jahren"

Eva Glawischnig ist durchaus zu verstehen, wenn sie sagt: "Was in der
letzten Woche geschehen ist, ist das Aergste, was ich in den letzten zwanzig
Jahren erlebt habe": Es geht um das neue EU-Klimapaket und die Reaktionen in
Oesterreich darauf.

Ich hab mir nun die EU-Dokumente im Detail angesehen. Die einzelnen Teile
dieser komplexen Materie geben tatsaechlich ein mehr als ernuechterndes
Bild. Die allgemeinen Ziele und Ansaetze schauen - wie bei der EU oft -
akzeptabel aus. Bis 2020: plus 20% Energieeffizienz, 20% erneuerbare
Energien, und minus 20% Treibhausgase (im Verhaeltnis zu 1990) klingt gut
und ist auch leicht zu merken.

Nicht dass ich zu viel von der EU halten wuerde, aber in den letzten Wochen
vorher sickerten einige interessante Details aus dem "Paket" durch...

Allerdings: Die konkreten Einzelheiten unterhoehlen die Ziele und verkehren
sie mitunter ins Gegenteil.

Das Ganze ist zu wenig; und es muesste klar sein, dass wieder ein
Gleichgewicht beim CO2 erreicht werden muss: Nur soviel CO2 in die
Atmosphaere, wie (von den Pflanzen) auch wieder entnommen wird. Das sind
maximal 20 % unseres jetzigen Niveaus; daher muss die Reise auf minus 80 %,
auch wenn es schwierig wird; und noch weiter, weil ja die Armen etwa in
Indien, die bisher wenig verbraucht haben, nicht nur nicht so viel einsparen
koennen, sondern auch zu einem bescheidenen Wohlstand kommen moechten. D. h.
"wir" muessen in einigen Jahrzehnten deutlich mehr als minus 80 % bei
Energie und CO2 erreichen.

Wenn das nicht gelingt, so gibt schwer vorstellbare Konsequenzen. Der -
immer sehr vorsichtig formulierende - IPCC (Friedensnobelpreistraeger) sagt
nicht weniger, als dass etwa bei einer Klimaerwaermung um 3,7 Grad (das ist
die mittlere Prognose, wenn nichts dagegen gemacht wird) ueber 50 % aller
Tier- und Pflanzen-Arten aussterben werden (siehe Seite 13 IPCC
Sythesis-Report 2007)

Da sind minus 20% sicher ein erster Ansatz, zumal ausser der EU weltweit
niemand ueberhaupt Aehnliches anvisiert. Aber wie gesagt: Im Detail sieht's
wieder anders aus:

- Der Hauptpunkt: Die "Presse" schreibt am 22.1.08, dass das Lobbying in
Bruessel noch nie so intensiv war als vor diesem Klimapaket und: "Die
Lobbyisten haben... dem Vernehmen nach ganze Arbeit geleistet": die
"energieintensiven" Industrien wie Stahl, Chemie oder Aluminium erhalten
offenbar Ausnahmebestimmungen. Sie muessen europaweit um 21 % CO2 abbauen,
bekommen aber weiter gratis Verschmutzungszertifikate. Das wird den Gusto
auch bei anderen wecken. Dabei waere der Abwanderungsdrohung ganz einfach zu
begegnen: es muessten nur Klimaschutzzoelle fuer Waren eingefuehrt werden,
die woanders "schmutzig" produziert werden. Dabei muesste nur endlich das
Freihandelsdogma der WTO repariert werden, das soviel oekologischen und
sozialen Schaden anrichtet. Klimaschutzzoelle finden sich zwar
grundsaetzlich noch in den Entwuerfen, das muesste aber viel zielgerichteter
angegangen werden.

- Punkt zwei: Wie beim Kyoto-Protokoll, das immerhin ein voelkerrechtlicher
Vertrag ist, aber nun offenbar stillschweigend und sanktionslos auslaeuft,
zeichnet sich auch beim neuen EU-Klimapaket ab, dass alles letztlich
unverbindlich bleibt - im Gegensatz zu Budgetvorschriften oder Verletzungen
von WTO-Bestimmungen! Das provoziert das Schmaehfuehren geradezu.

- Der Verkehr, und insbesondere der LKW-Verkehr ist bekanntlich der am
staerksten wachsende Bereich mit CO2 -Ausstoss; er wird im EU-Klimapaket nur
oberflaechlich behandelt.

- Es scheint, dass die Atomenergie als "erneuerbar" eingerechnet werden
wird; eine Energieform, bei der der Rohstoff Uran auch zur Neige geht, und
bei der ausser Muell fuer Jahrtausende kaum Positives bleibt.

- Bei den Biotreibstoffen, die am konkretesten behandelt werden, sollen 10 %
erreicht werden, da wird erfreulicherweise wieder etwas zurueckgerudert, da
hier mindestens soviel Probleme geschaffen werden, wie vorgeblich geloest
werden. Es muessten zumindest Unterlagen dafuer geliefert werden, dass nur
wirklich nachhaltig produzierte Biotreibstoffe zugelassen werden.

- Der geplante EU-interne und globale Handel mit den Verschmutzungsrechten,
der bis jetzt eher ein Fiasko war, wird als Erfolg dargestellt, und soll
deutlich ausgebaut werden (Investitionen in erneuerbare Energien ausserhalb
der EU werden fuer den CO2-Abbau angerechnet). Das kann auch ein Ansatz von
vielen sein, ersetzt aber sicher nicht den notwendigen Ausgleich zwischen
Nord und Sued als Voraussetzung fuer eine globale Klimapolitik

- Das EU-Paket ist ein Entwurf und wird mit den Regierungen jetzt
verhandelt, real heisst das, weiter verwaessert.

Ein positiver Gesichtspunkt zum Schluss: die Windenergie, die vor allem vor
den Kuesten grosses Potential hat, kann zumindest damit weiter forciert
werden.


Von der EU-Klimatragoedie zur oesterreichischen Tragikomoedie


Nun geht es um die Reaktionen darauf in Oesterreich. Was da in der EU
geschehen ist, ist tragisch; was dann in Oesterreich geschehen ist, ist
tragisch-komisch.

Die Neuberechnung der Zeiten fuer die Verringerung ab 2005 ist fuer
oesterreichische Schmaehfuehrer ein Geschenk des Himmels. Denn die groessten
Zuwaechse beim CO2 fielen gerade in die Zeit von 2000 bis 2003, von 81 auf
93 Millionen Tonnen CO2 (das war die schwarz-blaue Zeit, das ist aber
wahrscheinlich eher zufaellig). Von 1990 bis 2005 nahm der CO2-Ausstoss um
18 % zu - statt nach dem Kyoto-Vertrag um 13 % abzunehmen. Jetzt ist bis
2020 (von 2005 gemessen) als Zielstellung fuer Oesterreich von der EU nur
mehr eine Abnahme von 16 % vorgesehen. Das heisst, wir werden nach den neuen
Zielen 2020 erst wieder da sein, wo wir in etwa 1990 waren. Eine aeusserst
"elegante" Entsorgung der nie ernst genommenen Kyoto-Vertraege, die nun 10
Jahre voellig ungenuegend, aber immerhin eine gewisse Orientierung waren.

Wurde vom "Umweltmusterland" schon etwas gehoert von der notwendigen
80%-Verminderung? Von Strafen beim Bruch von Voelkerrechtsvertraegen?
"Schwamm drueber"! I wo, mir san mir und wir treiben es auf die Spitze:

Sowohl Kanzler als auch Vizekanzler versichern dem Boulevard, dass sie auch
die neuen EU-Ziele bis 2020 fuer Oesterreich nicht hinnehmen werden, es
stehen 5 % im Raum. Unverschaemt mutig, oder nur uninformiert, oder beides?

Was werden wir da den Chinesen, die pro Kopf bei einem Bruchteil unserer
Mengen liegen, ernsthaft von Klimapolitik erzaehlen?

In 15 Jahren, wenn Trockenheiten, Stuerme, Ueberschwemmungen und
Klimafluechtlinge wahrscheinlich fuehlbar zugenommen haben werden, wird eine
Regierung bei so einem Verhalten wahrscheinlich sofort aus dem Amt gejagt
werden. Die oesterreichischen Medien haben in merkwuerdiger Einigkeit die
Regierung in dieser Frage durchgehend gestuetzt. Die kritischen Kommentare
der Umweltorganisationen wurden von den Medien groesstenteils ignoriert.

Am lustigsten/traurigsten ist, dass unsere Politikspitzen "mutig" auch die
EU-Vorgaben von 34 % zur erneuerbaren Energie fuer Oesterreich wegverhandeln
wollen. Dabei haben sie selbst unvorsichtigerweise das Ziel von 45 % vor
einem Jahr ins Regierungsprogramm geschrieben, was aber offenbar nicht so
ernst gemeint war. Verwechselt jemand hier Addition und Subtraktion? Nein,
Kanzler und Vize verstehen da keinen Spass und moechten ihr eigenes
Regierungsprogramm der EU gegenueber "wegverhandeln" - jedenfalls ein
schwieriger Psycho-Fall im Lande Freuds.

Der Verkehr, auf den bekanntlich der groesste Teil der Zuwaechse beim CO2
zurueckgeht (etwa Verdoppelung seit 1990), wird speziell pardoniert, er soll
(von 2005 bis 2020) nur mehr 10 % reduzieren. Das Hauptuebel, die Explosion
des LKW-Verkehrs wird nur mehr nebenbei erwaehnt. Die Autobahnen sollen
offenbar im Namen der "Freiheit" des Warenverkehrs ein "mobiles Warenlager"
mit hoechsten CO2-Emissionen bleiben.

Die Zeitungen druckten ernsthaft und unkritisch eine Aussendung vom OeAMTC
nach, wonach der Verkehr seine Hausaufgaben gemacht haette und bei Abzug des
Tanktourismus das EU-Klimapaket schon jetzt erfuellt werde. Als
Faschingsscherz waere das nett gewesen - aber sogar die "Presse" bringt das
unkritisch auf Seite 1.

Das Kapital spielt das Spiel wie seit Jahrzehnten: "Umweltschutz oder
Arbeitsplaetze". Aber selbst die industriefreundliche Presse schreibt am
24.1.08 im Leitartikel vom "inszenierten Geschrei der Industrie" ob der
EU-Vorgaben. Die einfache Loesung waere - wie schon angefuehrt, und von der
EU urspruenglich ins Auge gefasst - Klimazoelle fuer Importwaren mit hohem
CO2-Gehalt. - Ein besonders Spiel treibt die Voest, die vom vielerwaehnten
"chinesischen" Massenstahl kaum betroffen ist, weil sie hochwertige Staehle
macht, und auch Gewinne wie nie zuvor macht (wie fast alle Stahlfirmen
weltweit, uebrigens auch staatliche), und trotzdem den Untergang an die Wand
malt. Dass die Voest-Manager ueberhaupt offen mit Verlagerungen drohen
koennen, liegt uebrigens in der Privatisierung.

Die E-Wirtschaft, seit Jahrzehnten ein System von Megapfruenden im Schatten
der Parteien, sollte endlich die vielen Gelder fuer den Einstieg in
erneuerbare Energien verwenden. Statt Raenkespiele, Kauf von Firmen im
Ausland, Bau von voellig unnoetigen (Gas)-Leitungen wie Nabucco und
Abverkauf an Raiffeisen &Co wie jetzt in OOe sollte endlich eine wirklich
demokratische Energie- und Klimapolitik im Interesse der Mehrheit der
Bevoelkerung gemacht werden.
*Josef Baum/bearb.*

Weblog http://baum.puon.at/



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