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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. Jaenner 2008; 17:11
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WEF/... und draussen:
> Berner Haefenelegie
242 Festnahmen gab es am vorletzten Wochenende in Bern wegen der Demos gegen
das Weltwirtschaftsforum in Davos. Eigentlich wollte man polizeilicherseits
zuerst eine Demo genehmigen, verbot sie dann aber kurzfristig, um dann mit
massiven Einsatz diese zu unterbinden. Jedoch waehrend im einen Teil der
Stadt irgendwelche Leute, unabhaengig ob sie demonstrieren wollten oder
nicht, verhaftet wurden, fand in einem anderem Teil doch eine Demo statt --
es paarte in Idealkombination sich bei diesem Polizeieinsatz Brutalitaet mit
Organisationsdefizit. DINU GAUTIER, Reporter der Zuercher WoZ kam gar nicht
bis zu dieser Demo -- was er berichtete, laesst besser als jeder Demobericht
ahnen, was sich in der Stadt abgespielt hat.
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Am Samstagnachmittag verlasse ich zusammen mit einer Buerokollegin und einem
Journalisten der Genfer Tageszeitung «Courrier» das Redaktionsbuero der WOZ
in der Berner Innenstadt. Wir wollen ueber die angekuendigte Demonstration
von Wef-GegnerInnen berichten. Noch wissen wir nicht, dass wir stattdessen
Zeugen der Haftbedingungen in einem Polizeigebaeude werden sollten.
Direkt vor dem Hauseingang erwartet uns ein Mann, der sogleich zischend zu
verstehen gibt, ich wuerde zwecks Personenkontrolle festgenommen. Der Mann
ist kein Unbekannter: Er heisst Kurt Trolliet und ist mutmasslicher Chef des
Nachrichtendienstes der Kantonspolizei Bern.
Ich zeige ihm ein Schreiben der Redaktionsleiterin, welches bestaetigt, dass
ich im Auftrag der WOZ die Demonstration beobachten solle. Da kommen bereits
etwa zehn Polizisten in Vollmontur anmarschiert und fesseln uns mit
Kabelbindern.
Im Hof des Polizeipostens beim Waisenhausplatz stehen wir an der Wand und
werden durchsucht. Wir protestieren und machen die Polizisten erneut auf die
Pressefreiheit aufmerksam. Dazu der Anfuehrer der Polizeieinheit: «Mit einem
Schreiben der WOZ kann ich mir geradeso gut den Hintern abwischen.»
Beim Journalisten des «Courriers» findet ein Polizist einen Presseausweis,
was die Beamten aber nicht weiter beunruhigt: «Fesselt ihn! Wir koennen das
ja auch spaeter noch abklaeren.»
Nach einer Stunde werden meine Buerokollegin und der «Courrier»-Journalist
entlassen. Spaeter komme ich in einen Raum, in dem an einem Computer ein
aelterer Polizist mit hochrotem Kopf sitzt. Ob der wohl so rot ist, weil
sich ihm gegenueber verhaftete Frauen und Maenner ausziehen muessen? Die
Vorhaenge vor den zwei kleinen Leibesvisitationskabinen sind nur zu etwa
zwei Dritteln zugezogen. Spaeter erzaehlt mir ein Gefangener, er habe darin
sogar seine Pobacken spreizen muessen.
Ich werde fotografiert, dann komme ich in einen Art Freiluftkaefig hinter
dem Gebaeude. Die Waende sind aus Beton, statt eines Dachs hat es aber ein
Gitter in etwa zwei Metern Hoehe. Die grosse Mehrheit der knapp fuenfzig
Personen wurde bereits vor Stunden verhaftet, darunter auch Leute, die in
ihrem Leben noch nie an einer Demo teilgenommen haben. Gepinkelt wird in die
Ecke, dort hat sich bereits ein kleiner See gebildet. Jemand fokussiert
seine Wut auf die Stahltuere. Die ist zwar praktisch unzerstoerbar, der
Laerm scheint die PolizistInnen auf der anderen Seite aber zu stoeren.
Ploetzlich geht die Tuere einen Spaltbreit auf, und jemand spritzt
fluessiges Traenengas in die Zelle.
Etwas spaeter wird ein humpelnder Mann hereingebracht. Er ist ganz bleich
und setzt sich auf den kalten Betonboden. «Ich bin Bluter und brauche
dringend Medikamente», sagt der Mann, der Michael heisst. Seit seiner
Festnahme habe er innere Blutungen im Bein, die Polizisten haetten seine
diesbezueglichen Hinweise aber nicht ernst genommen. «Es kann ja nicht so
schlimm sein, wenn Sie noch gehen koennen», habe ein Polizist gesagt.
Spaeter habe einer seinen Haemophilieausweis gesehen. Daraufhin habe es
anders getoent: «Sie muessen als Bluter ja auch nicht an unbewilligten Demos
teilnehmen.»
Nun wartet Michael bereits seit etwa dreiviertel Stunden auf die angeblich
gerufene Sanitaetspolizei. Wir beginnen ununterbrochen zu schreien:
«Notfall, wir brauchen einen Arzt! Hilfe!» Panik macht sich breit. Dann,
nach zehn Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, darf er endlich
raus. Und bald erlange auch ich wieder die Freiheit -- nach vier Stunden
«Personenkontrolle», was der angegebene Grund fuer die Festnahme war.
Drei Tage spaeter telefoniere ich mit Michael. Er ist seit dem Samstag im
Spital. Mittlerweile weiss er, dass er kaum bleibende Schaeden davontragen
wird, was aber nicht immer klar gewesen sei: «Als mein Bein auf dem
Polizeiposten immer mehr anschwoll, fragte ich mich, ob ich es verlieren
wuerde.» Gluecklicherweise habe die Notaerztin den Polizisten klarmachen
koennen, dass ein Nierenversagen und somit der Tod drohe. Sonst haetten sie
ihn wohl gar nicht gehen lassen. «Und dies alles, weil ich mich im falschen
Moment in der Berner Innenstadt aufgehalten habe», so Michael.
(aus: WoZ 4, 24.1.2008)
Quelle: http://www.woz.ch/artikel/2008/nr04/schweiz/15880.html
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