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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. Jaenner 2008; 16:45
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Asyl:
> Ausgesperrt
Traiskirchen wird wie militaerisches Sperrgebiet abgeschirmt. Wie die 
Securityleute die Menschen bewachen, soll ein Geheimnis bleiben.
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"Heute hat ein Wachmann seinen Hund auf ein Kind gehetzt. Das Kind, das im 
Garten spielte, erschrak, schrie und weinte. Der Wachmann grinste, als er 
das bellende Tier zurueckpfiff." Diese Episode erzaehlten zwei Bewohner des 
Lagers Traiskirchen dem Autor, als er fuer sein Buch "Gestrandet. Aus dem 
Alltag von AsylwerberInnen" (2006) recherchierte. Wachorgane haben bei 
AsylwerberInnen definitiv keinen guten Ruf.
Was aber denken die Security-Leute, die fuer gewoehnlich vor Discotheken, in 
Einkaufstrassen oder als Gebaeudeschuetzer fuer Ruhe und Ordnung sorgen, 
wenn sie sich ploetzlich in einem Fluechtlingslager mit teils 
traumatisierten Menschen wiederfinden? Das wolllte ich erkunden, indem ich 
ein, zwei Tage einen Sicherheitsmann in Traiskirchen begleiten wuerde. Der 
erste Anruf beim Betriebsrat der Bewachungsfirma des Lagers war positiv, er 
sagte seine volle Unterstuetzung zu. Leider erkrankte der Mann vor unserem 
Gespraechstermin. Er wies aber vorher noch darauf hin, dass das 
Innenministerium eine Erlaubnis erteilen muesse.
Zustaendig ist dafuer Franz Schabhuettl, ehemaliger Polizist und heute 
Lagerleiter von Traiskirchen. Der Beamte war schnell kontaktiert, seine 
Antwort eindeutig: er versagte den Zutritt. (Die besorgte Begruendung ist 
als Email-Auszug im Kasten nachzulesen.) Hatte der oberste Waechter 
Traiskirchens Bedenken wegen zuviel "Schnueffelei"? Oder wegen des 
Vergewaltigungsprozesses im Jaenner vor vier Jahren? Der Security-Mann wurde 
damals freigesprochen.
Militaerisches Sperrgebiet?
Vielleicht liess sich ein Gespraech mit den Sicherheitsleuten in 
Traiskirchen selbst anbahnen? Vor zwei Jahren war es trotz Betretungsverbots 
noch moeglich, an zwei Stellen ueber die Mauer zu springen. Mittlerweile hat 
Traiskirchen alle Attribute einer Hochsicherheitszone. Jeder Meter wird mit 
Kameras ueberwacht, zusaetzlich patrouillieren Wachorgane mit Hunden entlang 
des weitlaeufigen Areals. Selbst das Fotografieren von ausserhalb des 
Gelaendes ist verboten. Gleich zweimal drohten Lager-Bewacher dem Fotografen 
laut und ueberaus heftig. Eine Erinnerung an Besuche hinter dem Eisernen 
Vorhang kam auf, wo militaerische Objekte unter Fotografierverbot gestellt 
waren und ein Zuwiderhandeln dazu fuehren konnte, dass das "feindliche 
Fotomaterial" konfisziert wurde. Das Klima des Lagers leidet darunter. Nicht 
wenige der interviewten Fluechtlinge gaben als Ersteindruck von Oesterreich 
an: "Wir leben hier in einem offenen Gefaengnis." Der Sicherheitsaufwand 
signalisiere: "Wir sind hier nicht willkommen, wir werden als Gefahr 
gesehen, der Kontakt zur oesterreichischen Bevoelkerung ist nicht 
erwuenscht." Wenn die Neuankoemmlinge das Lager fuer einen kurzen 
Spaziergang Richtung Bahnhof verlassen, passieren sie zunaechst die 
oertliche Polizeistation. Spaeter treffen sie auf Uniformierte, die vor der 
Volksschule postiert sind. Ueberraschend viele Eltern warten dort zum 
Unterrichtsschluss vor den Toren der Volksschule, um ihre Schuetzlinge 
sicher nach Hause zu begleiten. An dem ohnehin mit Sicherheitsorganen 
besetzten Bahnhof schliesslich sind gleich mehrere Ueberwachungskameras 
installiert.
Es stellt sich die Frage: Wozu dieser teure Sicherheitsaufwand? Warum ist es 
nicht gestattet, die BewohnerInnen im Lager zu besuchen? Jedes Gefaengnis 
kennt Besuchsregelungen - nur fuer AsylwerberInnen in einem 
Erstaufnahmezentrum sollte es absolut keinen Zutritt geben?
Lage entspannt, Ordnung strikt
Dabei koennten die Beschaeftigten der Bewachungsfirma jetzt weit entspannter 
Auskunft ueber ihren Arbeitsalltag geben, als noch vor zwei Jahren. 
Gegenueber den ehemals rund 1.500 AsylwerberInnen, die sich dort monatelang 
auf engstem Raum aufgehalten hatten, sind nunmehr gerade einmal 700 
Bewohnerinnen und Bewohner da. Ernste Konflikte sind kein grosses Thema 
mehr. Zusaetzlich hat sich die Aufenthaltsdauer drastisch verkuerzt. Nach 
der positiven Abklaerung wird den Neuankoemmlingen nach wenigen Wochen eine 
Unterkunft in einem der Bundeslaender zugewiesen, wo sie in die 
Grundversorgung des jeweiligen Bundeslandes uebernommen werden.
Das Wachpersonal besetzt rund um die Uhr die Portierloge. Ein Kartenscanner 
registriert jede Person, die ein- und ausgeht. Das Betreten und Verlassen 
des Lagers ist den BewohnerInnen zwischen 20 und 7 Uhr frueh nur mit 
Sondergenehmigung erlaubt. Einkaufstaschen werden kontrolliert, Alkoholika 
konfisziert, ebenso Lebensmittel, die gekocht werden muessen. Dafuer gibt es 
die Grosskueche. Sicherheitskraefte entdecken manchmal bei ihren 
Streifzuegen durch das Gelaende Flaschen mit Alkohol. Sie wurden durch den 
Zaun geschoben, um der Kontrolle beim Tor zu entgehen. "Die Hunde erkennen 
die Sachen am Geruch, dadurch werden sie schnell gefunden", erzaehlt ein 
Bewohner. Spannungen gibt es nach wie vor zwischen verschiedenen 
Staatsangehoerigen und Religionen. "80 bis 90 Prozent der Bewohner sind 
Muslime", erzaehlt ein christlicher Fluechtling, er bleibe auf Distanz.
Wie die Security Konflikte schlichtet, soll also Geheimnis bleiben. Selbst 
diplomierte SozialarbeiterInnen stossen bei der Betreuung von Fluechtlingen 
leicht an die Grenzen ihrer Faehigkeiten. Wie geht es erst Wachorganen ohne 
entsprechende Ausbildung? Ist ein Gespraech mit ihnen deshalb 
"Verschlussakte"?
(Konrad Hofer, MOMENT/leicht gek.; Mitarbeit: Andreas Bachmann. Aus dem eben 
erschienen "MOMENT" Nr.10, hg. von SOS Mitmensch. Abos fuer 40 Euro 4 
Ausgaben zu bestellen bei: abos{AT}moment.at, Postfach 220, A-1070 Wien, 
http://www.moment.at )
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Auszug aus dem E-mail-Verkehr mit dem Lagerleiter in Traiskirchen, Franz 
Schabhuettl:
(...) Die Betreuungs- und Erstaufnahmestelle Traiskirchen ist eine 
exponierte Dienststelle des BMI, deren Profession die Betreuung von 
Asylwerbern ist. Diese sensible Aufgabe wird unter Zuhilfenahme 
verschiedener Firmen, Organisationen und einer NGO mit entsprechender 
Sorgfalt und Feingefuehl wahrgenommen. Menschen, die aus verschiedensten 
Gruenden aus allen Teilen der Welt hier eine erste "Anlaufstation" und eine 
"ruhige Insel" im Sturm der Flucht und des Fluchtweges vorfinden, wollen 
zunaechst einmal "Vertrauen schoepfen". Diese notwendige Basis moechten wir 
nicht in Frage stellen oder stoeren (...).
Sehr geehrter Herr Dr. Hofer! Ich bin ueberzeugt, dass Sie bei ihrem enormen 
sozialen Hintergrund und Engagement Verstaendnis dafuer haben werden, dass 
ich einem Sicherheitsorgan der Fa. S. bei der Bewaeltigung ihrer 
verantwortungsvollen Aufgabe nicht eine aussenstehende Person beigeben kann, 
ohne Misstrauen und Verunsicherung zu erzeugen. Es tut mir leid, Ihnen keine 
entsprechende Nachricht zukommen lassen zu koennen und wuensche Ihnen 
weiterhin viel Erfolg und Schaffenskraft in Ihrer verantwortungsvollen 
Taetigkeit.
Mit freundlichen Gruessen
Franz Schabhuettl
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Quelle: http://moment.sosmitmensch.at/stories/1746/
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