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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. Jaenner 2008; 17:01
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Datenschutz:

> Der Datenschutztag geht auch vorbei

Am 28. Jaenner wurde wieder europaweit der Europaeische Datenschutztag
gefeiert. Was es da zu feiern gibt, bleibt fraglich.


Obwohl schon 2003 die Bevoelkerung der EU den Datenschutz aeusserst negativ
einschaetzte und dies eine unabhaengige Studie bestaetigte, wurden keinerlei
Initiativen zur Verbesserung gesetzt. Im Gegenteil. Mit
Passagierdatenweitergabe, Vorratsdatenspeicherung, SWIFT-Datenverkehr,
Ausweitung der Polizeibefugnisse, .... werden die Datenschutzrechte auf
EU-Ebene demontiert. Ein Kniefall gegenueber den USA und den Platters der
EU-Nationen.

Ein ehemals vorbildliches und ambitioniertes Projekt wird von der EU selbst
systematisch demontiert. Der neue Reformvertrag sieht weitere
Beschraenkungen des Datenschutzes vor, einzelne EU-Staaten, wie
Grossbritannien, Irland, Daenemark oder Polen koppeln sich durch
Sonderbestimmungen sogar von dieser Datenschutz-Light-Version ab.

Oesterreich konnte bei Grundrechtseinschraenkungen nicht nachstehen Mit den
ausufernden Lauschbefugnissen des Sicherheitspolizeigesetzes, erstmals sogar
ohne Gerichtsbeschluss, eroberte Oesterreich jedoch die Vorreiterrolle in
Sachen Beschaedigung der Grundrechte zurueck. Privacy International, eine
international agierende Datenschutzvereinigung, stufte Oesterreich, sogar
noch vor der unsaeglichen SPG-Novelle, fuer 2007 gegenueber 2006 um zwei
Gruppen in der siebenteiligen Werteskala zurueck. Oesterreich liegt damit
nur mehr wenig vor den bekannten "Menschenrechtsnationen" Philippinen,
Russland, China, Malaysia und Taiwan.

Schwere Maengel im oesterreichischen DSG

Geradezu uebervoll ist die Maengelkiste beim oesterreichischen
Datenschutzgesetz. Abgesehen von den bekannten Problemen einer fehlenden
unabhaengigen Datenschutzbehoerde (hier laeuft noch immer ein
EU-Vertragsverletzungsverfahren) und einer Datenschutzkommission, die nach
eigener Einschaetzung unter "organisatorischen Wirren" leidet (DSK-Bericht
2005), enthaelt das Datenschutzgesetz eine Fuelle von Fehlern und
Versaeumnissen, viele Bereiche sind nicht mehr zeitgemaess geregelt:

- fehlende Verstaendigungspflicht der Betroffenen, wenn Daten verloren gehen
oder in falsche Haende geraten

- kein ausreichender Rechtsschutz bei veroeffentlichten Daten §1 DSG
(widerspricht Art. 1 EU-RL)

- unzureichendes Schadenersatzrecht (Schadenersatz nach §33 DSG trifft nur
auf "Datenverarbeiter" zu, nicht wenn anderweitig fremde Daten
veroeffentlicht werden)

- keine Rechtsdurchsetzungsmoeglichkeit bei Datenschutzverletzungen von
Behoerden (Datenschutz-Endscheidungen sind nicht exekutierbar)

- EU-widrige Privilegien der Datenverarbeiter bei sogenannten "indirekt
personenbezogene" Daten (widersprechen Art. 2 EU-RL)

- unzureichendes Auskunftrecht §§ 1 und 26 DSG (EU-widrig nur auf
elektronische Daten eingeschraenkt, widerspricht Art. 12 EU-RL)

- Informationspflicht nicht EU-konform umgesetzt (§24 DSG widerspricht Art.
12 EU-RL)

- fehlende Datenschutzregelungen fuer die Bereiche Internet,
Video-Ueberwachung und biometrische Daten

- kein Datenschutz bei Datenmissbrauch durch Abgeordnete

- keine wirksamen innerbetrieblichen Datenschutz-Kontrollen durch
unabhaengige Datenschutzbeauftragte

Problemfall Datenschutzrat

Insgesamt arbeiten die Aufsichtsgremien viel zu langsam und bieten den
Betroffenen keinen wirksamen Schutz. Sie ermoeglichen es hartnaeckigen
Datenschutzverletzern, etwa aus dem Wirtschaftsauskunftsbereich jahrelang
ihr Unwesen zu treiben. Die Reform des Datenschutzes ist ueberfaellig, nur
funktionierende Grundrechte koennen eine ueberzeugende Alternative gegen
extremistische und totalitaere Angriffe darstellen.

Vor 27 Jahren installiert, ist der Datenschutzrat als parteipolitisch
orientiertes Abnickgremium fuer die groebsten Datenmissbrauchsprojekte der
Ministerien verkommen. Dies wurde zuletzt eindrucksvoll am Beispiel des
Sicherheitspolizeigesetzes deutlich. Zunehmend konzentrieren sich die
Beratungen des Datenschutzrates darauf, wie die schlimmsten
Grundrechtsverletzungen schoengeredet werden koennen. Viele brisante
Materien werden ueberhaupt nicht mehr oder verspaetet behandelt, zuletzt
etwa das Gewebesicherungsgesetz oder die Gewerberechtsnovelle. Nur durch
Separatvoten ist es ueberhaupt moeglich Kritik an den Missbrauchsprojekten
der Regierung zu ueben.

Das Gremium ist nicht mehr zeitgemaess und sollte statt den parteipolitisch
agierenden Funktionaeren mit Vertretern von Menschenrechtsorganisation und
unabhaengigen Verfassungsexperten besetzt werden. Wenn das nicht moeglich
ist, waere es besser den Datenschutzrat ersatzlos zu streichen.

Ambitioniertes EU-Projekt Datenschutz gescheitert

In den fruehen 90er-Jahren gab es EU-weit eine aeusserst ambitionierte
Grundrechtsdiskussion. Nur bei starken Grundrechten, so der damalige Tenor
in Bruessel, haben die Buerger genuegend Vertrauen in die EU und die
Nationalstaaten koennen nicht EU-weite Wirtschaftstaetigkeit und die
Grundfreiheiten unter Hinweis auf Grundrechtsdefizite in anderen EU-Laendern
beschneiden.

Damals gab es noch eine Reihe von EU-Laendern, die keinerlei
Datenschutzregelungen aufwiesen, unter anderem Griechenland. 1995 wurde
daher eine EU-weit gueltige Datenschutzrichtlinie beschlossen, im uebrigen
unter dem wuetenden Protest der USA. Sogar mit einem Handelsboykott wurde
bei Verabschiedung einer Datenschutzrichtlinie von Seiten der USA gedroht.

Das ambitionierte Datenschutzprojekt der EU zeigte Wirkung, Griechenland
hatte als eines der ersten Laender die neue Richtlinie umgesetzt und ist
mittlerweile zu einem Datenschutzmusterland aufgestiegen. Auch eine Reihe
von aussereuropaeischen Staaten, wie Kanada und Argentinien hatten das
europaeische Datenschutzkonzept uebernommen. Bis 2002 sah es so aus, als ob
mit der Datenschutzrichtlinie der EU auch ein grundrechtlicher
Exportschlager gelungen waere.

Seit etwa fuenf Jahren haben aber US-Hardliner in der EU immer staerker das
Sagen. Systematisch werden mit dem Terrorismus-"Argument" Datenschutz- und
Menschenrechtsverletzungen voran getrieben. Terroristen wurden damit keine
gefangen, das Netz der systematischen Verdaechtigung aller Buerger jedoch
immer enger geknuepft. Ziel der ausufernden und undurchsichtigen
Datenaufzeichnungen ist es offenbar, die EU-Buerger zu einer Art
vorauseilendem Wohlverhalten zu bringen, "nicht Auffallen" wird zur ersten
Buergerpflicht. Der fuegsame Buerger, ein Idealzustand fuer konzeptlose
Politiker.

Oesterreich ist nach der halbherzigen und verspaeteten Umsetzung der
EU-Richtlinie im Jahr 2000 mittlerweile Datenschutznachzuegler in der EU,
ueberholt sogar von EU-Neulingen, wie Rumaenien, Estland oder Ungarn. Was
die Datenschutzkontrolle betrifft, rangiert Oesterreich mit einem beamteten
Datenschuetzer je 400.000 Einwohner im letzten Drittel der 27 EU-Laender,
bei den Laendern vergleichbarer Groesse an neuntletzter Stelle von 11
Staaten.
(Arge Daten/bearb.)

Quelle und weitere Links:
http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=99307hrr



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