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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. Jaenner 2008; 18:59
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Schweiz/Fussball/Kapitalismus:
In Oesterreich freuen sich jetzt alle total auf das Fussballfest im Sommer: 
Die EURO 2008! Zwar bekommen wir dazu auch so huebsche Dinge wie die 
Gefaehrderkartei oder das Recht auf praeventive Festnahme und an den 
Veranstaltungorten wird einstweilen einmal temporaer ein Polizeistaat aus 
hiesigen Kieberern, ausgeliehenen deutschen Bullen und ueberforderten 
Bundesheersoldaten ausgerufen. Aber es wird sicher ein ganz tolles Fest. Bei 
uns wie in der Schweiz. Nicht umsonst betitelte die Schweizer WoZ ihren 
letztwoechigen Leitartikel von Palscal Claude mit
> Der Juni des Grauens
Eine Demonstration fuer kulturelle Freiraeume erhaelt keine Bewilligung, 
weil am Folgetag in derselben Stadt die Gruppenauslosung der Euro 08 
stattfindet. So geschehen in Luzern am 1. Dezember 2007. Die 
Unverhohlenheit, mit der die Sicherheitsbehoerden diese Kausalitaet 
kommunizierten, und die Masslosigkeit, mit der die Polizei bei der 
Aufloesung der harmlosen Kundgebung vorging, beweisen eines: Die Uefa Euro 
2008(tm), die vom 7. bis 29. Juni in der Schweiz und in Oesterreich stattfinden 
wird, ist ein Produkt mit schweren Nebenwirkungen.
Der Staat zahlt, die Uefa profitiert
Nach dem Zuschlag zur Organisation des Turniers wurde das verschaerfte 
Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) durchgeboxt, das seit 
dem 1. Januar 2007 in Kraft ist und uns unter dem irrefuehrenden Titel 
«Hooligangesetz» eine gewaltfreie EM garantieren soll. «Hooligans» - 
darunter fallen laut BWIS auch Zwoelfjaehrige, die einmal im Stadion eine 
Leuchtfackel gezuendet haben - koennen allein aufgrund polizeilicher 
Anzeigen mit Rayonverbot belegt und in der Hooligan-Datenbank registriert 
werden, egal wie das Verfahren endet. Die Unschuldsvermutung ist ausser 
Kraft gesetzt. «Der Widerspruch zwischen dem Ruf nach Sicherheit und der 
gleichzeitigen Gleichgueltigkeit gegenueber stark wachsenden Beschraenkungen 
der Buergerfreiheit ist eine schaedliche Entwicklung», sagte dazu Rainer J. 
Schweizer, Professor fuer oeffentliches Recht, in der NZZ.
So sehr das Hooligangesetz durch die Euro legitimiert wird, so wenig taugt 
es fuer diesen Anlass. Bekaempft werden in erster Linie auffaellige 
Fussballfans aus Schweizer Fankurven - haargenau jene Klientel, die ihr 
Desinteresse an Euro und Nationalmannschaft schon seit Jahr und Tag kundtut. 
Hinzu kommt, dass in den Stadien selber an EM-Spielen seit der EM 1980 keine 
nennenswerten Vorkommnisse mehr zu verzeichnen waren. EM-Fans sind keine 
Klubfans. Sie verstehen ein Fussballspiel als Event und nehmen Preise ab 
siebzig Franken gerne in Kauf. Die groesste Gefahr, die von ihnen ausgeht, 
sind Unmutsbekundungen ueber zu langes Anstehen.
Richtig prekaer kann es dagegen in den Public-Viewing-Arenen werden. 
Waehrend die Uefa fuer EM-Spiele seit Jahren reine Sitzplatzstadien mit 
Sektorentrennung vorschreibt, setzt man beim Public Viewing auf das 
Gegenteil: riesige Stehplatzbereiche fuer Tausende von Fans ohne Trennung 
der beiden Lager. Wie die Polizei mit ihrer Vorliebe fuer Traenengas und 
Gummischrot vorzugehen gedenkt, wenn es mitten im Public Viewing kracht, war 
bis heute nirgends zu lesen.
Der oeffentlichen Hand entstehen durch die Euro geschaetzte 300 Millionen 
Franken Kosten, davon 80 Millionen fuer die Sicherheit (veranschlagt waren 
dafuer rund 4 Millionen, die das Parlament grosszuegig verzwanzigfachte). 
Dem gegenueber steht ein von der Uefa kalkulierter Gewinn von rund einer 
Milliarde. «Diese Proportion missfaellt», haelt sogar die NZZ fest.
Die Uefa denkt indes schon weiter, wie ein Gespraech mit Martin Kallen, 
leitender Geschaeftsfuehrer der Euro 2008, in der 
Grasshopper-Club-Zeitschrift «GC Life» zeigt: «Wie weit koennen 
Zeitungsverleger gehen, ohne Rechte kaufen zu muessen? Nimmt man die 
Berichterstattung ueber Fussball in den Medien genauer unter die Lupe, 
stellt man fest, dass Fernsehanstalten, Internetplattformen und auch 
Handyanbieter allesamt Rechte an Uebertragungen bezahlen. Die Zeitungen aber 
zahlen nichts. Das muesste in Zukunft anders geregelt werden.»
Schikanen und Fehlplanungen
Um die Austragung einer EM streiten sich alle vier Jahre zahlreiche Laender. 
Dies staerkt die Position der Uefa. Ihre Bedingungen werden immer dreister, 
ohne dass sie Gegenwehr zu befuerchten haette. In Basel wurden die WirtInnen 
in der offiziellen Fanzone am Rheinufer von der Uefa vor die Wahl gestellt: 
den Betrieb an die Uefa verpachten, den Betrieb mit Uefa-lizenzierten 
Produkten bestuecken (bei einer taeglichen Lizenzgebuehr im vierstelligen 
Bereich) oder den Betrieb mit Zaun von der Fanzone abtrennen. Bei aller 
Sprachlosigkeit ob so viel Arroganz: Die Uefa stuetzt sich dabei auf 
gueltige Vertraege, unterschrieben von Schweizer Behoerden.
In Zuerich fuehrte der bevorstehende Grossanlass zu einem staedtebaulichen 
Hickhack, dessen Ende nicht absehbar ist. Weil die Uefa fuer 
Europameisterschaften Stadien mit einer Mindestkapazitaet von 30 000 
Sitzplaetzen vorschreibt, wurde an Stelle des alten Hardturms ein 
ueberdimensioniertes Fuenfeck projektiert, dessen Bau durch Einsprachen aus 
dem Quartier bis heute blockiert ist. In der Eile wurde darauf das 
Leichtathletikstadion Letzigrund zum EM-Stadion erklaert und neu gebaut, 
ebenfalls mit 30 000 Plaetzen. Ausverkauft war der Letzigrund seit der 
Neueroeffnung im Spaetsommer 2007 erst einmal: beim Leichtathletik-Meeting. 
Der Fussball zog weder bei Meisterschafts- noch bei Uefa-Cup- noch bei 
Laenderspielen genug Leute an. Was Zuerich noetig hat, ist ein einfaches 
Fussballstadion fuer 20 000 Leute. Es braucht wenig Wagemut, um zu 
behaupten: Ohne Euro 08 stuende es.
Es kommen auslaendische Gaeste zu uns, Zehntausende. Sie werden durstig 
sein und gut gelaunt. Das sind die Vorzuege einer EM: dass wir ploetzlich 
mit haufenweise Rumaenen oder Tschechinnen am Tisch sitzen, Zug fahren, 
Bier trinken, sie sogar fragen, woher genau sie kommen und wie es dort ist. 
Doch der Preis fuer diesen Spass ist hoch. Zu hoch, wenn es nach einer 
«gelungenen» EM heisst: So machen wir das ab jetzt immer.
(WoZ 1/2008)
Quelle: http://www.woz.ch/artikel/2008/nr01/schweiz/15809.html
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