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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Jaenner 2008; 19:06
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  Afrika:
  
  > Grenzkonflikte Tschad-Sudan eskalieren
  
  Aufgabenstellung europaeischer Truppen wird immer dubioser
  
  
  Das Beispiel der Tuerkei macht Schule. Kurzinvasionen und Bombardierungen
  auf fremdem Territorium sind nun auch zur Alltagspraxis des Tschad geworden,
  an die man sich offensichtlich, wie im Fall der Tuerkei, gewoehnen soll.
  
  Am Freitag, den 28. Dezember hat die Luftwaffe des Tschad mit drei
  Kampfbombern sudanesisches Territorium bombardiert. Es handelt sich um die
  zwei Ortschaften Rajeh al-Harziah und Karmolah, die 65 km suedoestlich von
  El-Geniana, der Hauptstadt des Westdarfour gelegen sind (1, 2).
  
  Diesen schwerwiegenden Vorwurf erhebt das sudanesische Aussenministerium
  (1). "Eine Eskalation sondergleichen", so wird der Akt in einem Kommuniqué
  des Aussenministeriums bezeichnet (3). Insgesamt sei laut Sudan Tribune das
  Militaer des Tschad bereits drei Mal in sudanesisches Territorium
  eingedrungen. Die ersten Verletzungen des sudanesischen Luftraums fanden am
  5. und am 7. November 2005 statt, das zweite Mal geschah es am 15. Dezember
  2006 (1).
  
  Bei den letzten Luftangriffen am 28. Dezember wurden in der Naehe des Ortes
  Habila neun Zivilpersonen verletzt, drei davon schwer. Sie mussten alle ins
  Krankenhaus von Genaina gebracht werden. Es sind ueberdies groessere
  landwirtschaftliche Flaechen verbrannt, grosse Teile der Ernte sind
  zerstoert. Das berichtete der Gouverneur von West-Darfour, Abulgassim Imam,
  der sudanesischen Nachrichtenagentur SUNA (4).
  
  Der Sudan reichte bei der Afrikanischen Union eine Beschwerde ein, die die
  "wiederholten Aggressionen" des Tschad gegen sudanesisches Territorium zum
  Inhalt hatte (5). Eine weiter Beschwerde richtete der Sudan an den
  Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, in der es hiess, Infanterie habe zum
  wiederholten Male am 28. Dezember sudanesisches Territorium angegriffen,
  wobei sie von der Luftwaffe unterstuetzt wurde (6).
  
  Die Stellungnahmen des Tschad sind teils zynisch, teils vage. Aussenminister
  Ahmat Allami: "Die Verteidigungs- und Sicherheitskraefte haben alle
  notwendigen Massnahmen ergriffen, um die nationalen Grenzen von feindlichen
  Kraeften zu saeubern. In diesem Zusammenhang hat die Luftwaffe entlang der
  nationalen Grenzen einige eng begrenzte Operationen gegen Soeldner
  durchgefuehrt, die versucht hatten, sie vom Sudan aus zu verletzen" (2).
  
  Kein praezises Gegenargument: Die Bezeichnung "entlang der nationalen
  Grenzen" (le long des frontières nationales) bleibt vage, und Aktionen, die
  gegen Massnahmen durchgefuehrt werden, die "vom Sudan aus" erfolgen,
  betreffen per definitionem Bewegungen, die eben zu Beginn im Sudan
  stattfinden. Eine andere Version spricht davon, es seien Aktionen gegen
  "Soeldner" durchgefuehrt worden, "die eben versuchten, die Grenze zu
  ueberschreiten, um in den Sudan zu gelangen" (3). Auch diese Formulierung
  laesst es im unklaren, ob die "Soeldner" kurz vor, direkt an der oder kurz
  nach der Grenze beschossen wurden.
  
  Von beiden Seiten werden Rebellenorganisationen angefuehrt, die vom jeweilig
  anderen Territorium aus operieren. Der Regierungssprecher des Tschad
  Hourmadji Moussa Doumgor beschuldigt den Sudan, mit der Bewaffnung der
  Rebellen des Tschad wuerde auch die Stationierung der europaeischen Truppen
  im Tschad und in der zentralafrikanischen Republik verhindert werden.
  "Derzeit befinden sie [die Rebellen] sich auf den militaerischen und zivilen
  Flughaefen von al-Genaina, und von dort werden in Kooperation mit
  sudanesischen Soldaten Angriffe gegen den Tschad vorbereitet" sagte der
  Regierungssprecher des Tschad am 29. 12. 2007 (1)
  
  Analoge Beschuldigungen erfolgen von der Gegenseite. Der Tschad wuerde ja
  nur versuchen, mit seinen Behauptungen zu verschleiern, dass er selbst auf
  seinem Territorium und zwar im Bhai-Gebirge die sudanesischen Rebellen der
  Bewegung fuer Gerechtigkeit und Gleichheit beherberge (1).
  
  Auf die letzte Grenzverletzung durch den Tschad reagierte der Sudan
  schaerfer denn je zuvor. Der sudanesische Verteidigungsminister
  Generalleutnant Abd-al-Rahim Mohammed Husain kuendigte an, das sudanesische
  Heer behalte sich das Recht vor, Gegenmassnahmen gegen den Angriff auf
  West-Darfour zu ergreifen. Weiters gab er zu verstehen, die SAF [Sudan Armed
  Force] sei in der Lage, jeden beliebigen Punkt im Tschad zu erreichen (7).
  Von der sudanesischen Regierung verlautet Entsprechendes: Die Armee sei
  "wohl in der Lage, den geeigneten Zeitpunkt und Ort fuer eine
  Vergeltungsmassnahme zu waehlen" (1).
  
  Gegenueber der Vergangenheit ist dies eine neue Sprache. Die Diplomatie
  Khartoums beschraenkte sich sonst immer auf Formulierungen wie "Der Sudan
  bleibt ruhig, haelt sich zurueck und arbeitet an einer friedlichen Loesung
  des Problems." (1) Der Konflikt eskaliert.
  
  Wuerde ein Eufor-Einsatz auf eine solche bilaterale Eskalation maessigend
  wirken? Waere er in einer solchen Situation imstande, friedensfoerdernde
  Massnahmen zu setzen? Ist es ueberhaupt seine Absicht?
  
  In der Zwischenzeit haben sich die drei groessten bewaffneten
  Oppositionskraefte des Tschad militaerisch zusammengeschlossen (8). Das ist
  insofern bemerkenswert, als in der Vergangenheit gravierende politische
  Divergenzen bestanden. Es handelt sich um diejenigen Organisationen, die im
  Osten des Tschad operieren. In einem Kommuniqué, das an die apanews (9)
  gelangte, hiess es, am 1. 1. 2008 sei ein gemeinsames Militaerkommando
  gegruendet worden. Es steht unter der Fuehrung von Leutnant Fizani Mahadjir
  von der Union des Forces pour la Démocratie et le Développement (UFDD) des
  Generals Mahamat Nouri. Die beiden stellvertretenden Vorsitzenden werden von
  der UFDD Fondamentale, einer Abspaltung von der UFDD, und von der RFC
  (Rassemblement des Forces pour le Changement) des Timane Erdimi gestellt. Am
  12. Dezember war es bereits zu einer politischen Einigung zwischen den drei
  Kraeften gekommen, der militaerische Zusammenschluss baut auf dieser
  Vereinbarung auf (8).
  
  Apanews schreibt: "Die Spaltungen zwischen den verschiedenen
  Rebellenbewegungen waren stets deren Schwaeche, die die Regierung in
  N´Djamena und Frankreich, das den Tschad militaerisch unterstuetzt,
  systematisch ausgenuetzt haben, um die Rebellen auf der internationalen
  Ebene in Schwierigkeiten zu bringen."
  
  Und Tschads Praesident Déby warte ungeduldig auf das Kommen der Eufor, "in
  die er grosse Hoffnung setze, um seine Ostgrenze zu stabilisieren und die
  Rebellen zurueckzudraengen." (8)
  
  Kann in so einem Kontext ein Eufor-Einsatz noch neutral sein?
  *Aug und Ohr (gek.)*
  (1) Sudan accuses Chadian army of violating its territory, Sudan Tribune,
  29. 12. 2007; (2) Attaque du Tchad au Soudan: N´Djamena "indigné" des
  accusations de Khartoum, afp, 30. 12. 2007; (3) Opheera McDoom: Khartoum
  accuse des avions tchadiens d´avoir bombardé le Darfour, Reuters, 30. 12.
  2007; (4) Nine injured in Chadian aggression, SUNA, 31. 12. 2007; (5) Sudan
  files complaint to the African Union against Chad, Sudan Tribune, 30. 12.
  2007; (6) Xinhua, 29. 12. 2007; (7) Alsammani Awadallah: Minister: SAF
  Reserves Right to Retaliate Chad Attack, Sudan Vision, 1. 1. 12007; (8) Les
  principaux mouvements rebelles tchadiens unissent leurs forces, apanews, 2.
  1. 2008; (9) African Press Agency, nicht zu verwechseln mit der apa, der
  Austrian Press Agency; (10) Zu den einzelnen bewaffneten Organisationen des
  Tschad siehe Aug und Ohr: Krieg in Afrika, indymedia Deutschland,
  http://de.indymedia.org/2008/01/204091.shtml
  
  
  
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