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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Jaenner 2008; 19:17
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Debatte:
> Fuer eine gemeinsame Partei aller NGOs!
Ein Vorschlag der Steuerinitiative im OeGB
2007 ist Geschichte. Ein Ueberblick ueber das politische Geschehen in diesem 
Jahr macht wenig optimistisch fuer die Zukunft. Die Vorherrschaft 
neoliberalen Gedankengutes unter den sogenannten Volksvertretern - sei es in 
Oesterreich oder europaweit gesehen - hat im Wesentlichen noch zugenommen, 
die faktischen Rechte der Buerger haben hingegen abgenommen. Einen nicht 
unwesentlichen Anteil daran hatte dabei der weitere Niedergang der 
Gewerkschaftsbewegung. Dieser gipfelt nicht so sehr im Verkauf der BAWAG 
selbst (ueber dessen Notwendigkeit laesst sich trotz des finanziellen 
Desasters trefflich streiten), sondern zeigte sich im Verlust des Einflusses 
auf der Gestaltung der Lebensbedingungen der Arbeitnehmer insgesamt, weil 
man es verabsaeumt hat, die Strukturen des OeGB nachhaltig und demokratisch 
zu veraendern und weil Teile der Spitze des OeGB die Eckpfeiler neoliberalen 
Gedankengutes nicht nur nicht zu enttarnen wusste, sondern wesentlich 
mitgetragen hat. Das formale Beschwoeren einer gut funktionierenden 
Sozialpartnerschaft konnte keinen Niederschlag mehr in den konkreten 
Verhandlungsergebnissen fuer die Arbeitnehmer finden, weil diese 
"Partnerschaft" schon laengst keine mehr ist und sich dabei ueberwiegend 
Wirtschaft und Industrie mit ihren Interessen durchsetzen. Die Beschwoerung 
einer "Sozialpartnerschaft Neu" sorgt dabei zunehmend dafuer, dass den 
Arbeitnehmern dieses Ungleichgewicht in der Durchsetzung von Interessen 
nicht bewusst wird.
Die von den Sozialdemokraten angefuehrte Regierung hat nicht unwesentlich 
dazu beigetragen eben diese Gewerkschaft zu schwaechen und sich selbst als 
Garant der Fortsetzung des neoliberalen Kurses zu bestaetigen. Die OeVP 
verfolgt weiterhin offen die Durchsetzung ihrer neoliberalen Zielsetzungen, 
die SPOe ist dabei zu einem verlaesslichen Partner geworden. Selbst die 
Oppositionsparteien, allen voran die GRUeNEN, haben ihren vor Jahren 
eingeschlagenen Kurs des Duldens der faktischen Politik fortgesetzt, obwohl 
eine erhoffte Regierungsbeteiligung wohl noch ferner gerueckt ist als in den 
Jahren zuvor. Der Rest der Opposition uebt sich nach wie vor in den 
bekannten Strategien ihr Waehlerpotential zu erhoehen, ohne jedoch ein 
kritisches Bewusstsein gegenueber dem politischen Zeittrend zu entwickeln.
Die Medien - allen voran der ORF und die grossen Tageszeitungen - berichten 
tagtaeglich vorwiegend im Interesse der herrschenden Politik und der 
Maechtigen. Man schlaegt nicht gerne die Hand, die einen fuettert. Der 
Grossteil der Buerger ist diesem journalistischen Jammertal hilflos 
ausgesetzt, da es tagtaeglich auf ihn herunterprasselt und nicht zuletzt 
dazu beitraegt, dass seine politische Ohnmacht steigt.
Die grosse Mehrheit der Buerger haelt daher nicht viel von den Politikern, 
sie glaubt, dass diese nur im Eigeninteresse und im Interesse der Reichen 
und Maechtigen agieren, und sie haelt schliesslich Politik fuer entbehrlich, 
indem sie ihr Desinteresse daran bekundet. Gerade aber dieses Verhalten ist 
es, dass es den Politikern erlaubt, ihren Status Quo aufrecht zu erhalten 
und eine Politik zu machen, die in den wesentlichen Zielsetzungen laengst 
nicht mehr im Interesse der Mehrheit der Menschen ist. Das juengste Beispiel 
dafuer ist die Art und Weise, wie sich die Regierung ueber den Willen der 
Mehrheit des oesterreichischen Volkes hinwegsetzt, das EU-Referendum einer 
Volksabstimmung zu unterziehen. Dass dabei die wichtigsten demokratischen 
Grundrechte mit Fuessen getreten werden und Verfassungsrechte verletzt 
werden, uebersieht auch der Bundespraesident.
Zahlreiche Organisationen und Initiativen haben sich auch 2007 gegen die 
Auswuechse einer Politik gestemmt, welche die demokratischen Rechte der 
Buerger einschraenkt, die zu sehr im Interesse des Gross- und Finanzkapitals 
agiert. Sie haben die neoliberalen Heilslehren enttarnt und zahlreiche 
Vorschlaege erarbeitet, wie eine andere, eine bessere Politik aussehen muss. 
Die "Steuerinitiative" hat sich in diesem Umfeld seit 1999 etabliert. Doch 
waren wir dabei auch erfolgreich?
Erfolgreich sind wir in der Art der Analyse des politischen Geschehens, in 
der Darstellung der - von Organisation zu Organisation verschiedenartigen 
schwerpunktmaessigen - Zielsetzung. Teilerfolge in unserer Arbeit konnten 
ebenfalls erzielt werden.
Gemessen jedoch daran, ob unsere Arbeit die wesentlichen Zielsetzungen 
neoliberaler Politik im Sinne einer Politik fuer die Mehrheit der Menschen 
veraendern konnte, sind wir im vergangenen Jahr nicht weiter gekommen. 
Dafuer sind u.a. folgende Gruende ausschlaggebend:
 Die Mehrheit der Menschen befuerchtet Konsequenzen am Arbeitsplatz, wenn 
sie sich abseits des politischen Mainstreams in Initiativen usw. engagieren.
 Auf Grund der teils immer schlechter werdenden Arbeits- und 
Lebensbedingungen entwickeln die Menschen Kompensationsmoeglichkeiten fernab 
der Einflusssphaere auf das politische Geschehen.
 Das Wissen ueber die politischen Zusammenhaenge und Hintergruende ist in 
vielen Teilen der Bevoelkerung sehr eingeschraenkt.
 Die Menschen haben das Vertrauen in die Veraenderungsfaehigkeit durch 
Anwendung des demokratischen Instrumentariums wie z.B. durch Volksbegehren 
verloren, haben diese doch in der Vergangenheit so gut wie nie den erhofften 
Erfolg gebracht.
 2/3 der Bevoelkerung sind mit den herrschenden Parteien unzufrieden (ORF, 
30.12.07) Deutlich mehr als die Haelfte aller Waehler sind der Meinung, dass 
ihre Partei im vergangenen Jahr schlecht gearbeitet hat. Die Zahl der 
Nichtwaehler ist bei den letzten Wahlen staendig gestiegen.
 Parteien und Gewerkschaften haben ein Interesse, einige NGOs fuer ihre 
Zwecke zu instrumentalisieren. Nicht selten glauben Mitglieder von NGOs, 
alles werde sich zum Besseren wenden, wenn nur die von ihnen favorisierte 
Partei an die Regierung kommt.
 Als profunde Diskussionsteilnehmer am Podium werden Mitglieder von NGOs 
von den Neoliberalen durchaus geschaetzt, manchmal sogar gefuerchtet, aber 
selbst solche "Niederlagen" in der politischen Auseinandersetzung aendern 
nichts an der Vorherrschaft des Neoliberalismus, weil sie grossteils immer 
wieder vor demselben Zuhoererkreis stattfinden.
Aus diesen und aus vielen anderen Gruenden muessen wir unsere Strategie 
aendern, wenn wir eine politisches Umdenken erzwingen wollen:
Wir muessen uns in den wesentlichen politischen Fragen zusammenschliessen - 
und das nicht nur im Sinne eines Kurzzeitzusammenschlusses, sondern indem 
wir eine Partei gruenden. Eine Partei aller NGOs, eine Partei der 
Zivilgesellschaft (siehe dazu auch www.umverteilung.at), wobei wir uns auf 
ein gemeinsames Grundsatzprogramm einigen. Darueber hinaus soll und kann 
jede Organisation sich nach wie vor auch jenen Fragen widmen, ueber die 
keine Uebereinstimmung erzielt werden kann, die also nicht Teil des 
Programms ist. Auf der Grundlage dieses Programms nehmen wir an der 
tagespolitischen Diskussion teil, beteiligen uns an Regional-, Landes- und 
Bundeswahlen, machen Werbung fuer unsere Ziele, indem wir auf die Menschen 
zugehen. Eine solche Partei koennte vielen zu Recht enttaeuschten Waehlern 
eine neue Heimat bieten, sie waere eine laengst faellige Antwort auf die 
Flut der neoliberalen Parteien. Ein muehsamer Weg, sicherlich, aber ich 
denke ein lohnenswerter. Auf diese Art und Weise werden wir auch die grossen 
Regierungsparteien zum Nachdenken zwingen, denn allein die Existenz einer 
solchen Partei koennte die politischen Kraefteverhaeltnisse gehoerig aus dem 
Lot bringen.
*Gerhard Kohlmaier*
http://www.steuerini.at/aktuellerkommentar.htm
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> NGOs sind keine Parteien
Zu Obigem
Also bitte! Wenn ich bedenke, was sich heute alles schon 
"Nichtregierungsorganisation" nennt bis hin zur Katholischen Kirche und dem 
OeGB, kommt mir allein schon deswegen das Grauen. Eine "Partei aller NGOs", 
von der Mini-Initiative bis hin zu Massenorganisationen, egal ob politisch 
links, rechts oder jenseits ausgerichtet, kann es sicher nicht geben.
Aber wenn ich den Autor richtig verstehe, meint er mit "alle" einfach nur 
alle einigermassen fortschrittlichen NGOs - aber auch da wuerde es schnell 
happern: Der Blick eines Gewerkschafters auf die Pflegedebatte und speziell 
die Amnestierung osteuropaeischer Pflegekraefte ist bisweilen vielleicht 
doch ein anderer als der von Gruppen, die die totale Grenzoeffnung fordern, 
oder von Behinderteninitiativen. Letztere haber wohl auch ein gewisses 
Problem mit Frauengruppen, weil sie dort Euthanasie sehen koennten, wo die 
Frauenrechtlerinnen das Recht auf Abtreibung behaupten.
Beides sind jetzt sicher sehr zugespitzte Beispiele und man kaeme da 
vielleicht sogar auf einen gemeinsamen gruenen Zweig, wenn man die Dinge 
genau ausdiskutiert, aber klar ist doch, dass NGOs einen ganz klaren, 
abgegrenzten Arbeitsbereich haben und alle politischen Fragen aus diesem 
ihren speziellen Blickwinkel betrachten - sie alle ueber einen Kamm scheren 
geht wohl nicht so einfach und zu einem gemeinsamen politischen Programm zu 
kommen, erscheint mir daher kaum vorstellbar. Es ist zwar so, dass in 
Oesterreich politische Parteien mittlerweile ganz gut ohne ernstgemeinte 
Programme auskommen, weil sowieso niemand diese liest und seine 
Wahleintscheidung danach ausrichtet, weil sich politische Parteien daran in 
ihrer Alltagsarbeit sowieso nicht halten, weil sie eh niemand kennt, weil 
sie niemand liest... (ad infinitum), aber der Autor hat schon recht, dass 
eine serioese Partei so etwas braeuchte - nur, wie gesagt: ein grosser 
Haufen NGOs macht noch keine ideologisch einordenbare Partei.
Dazu kommt, dass viele NGOs bereits parteipolitsich gebunden sind. Ganze 
Politikbereiche muesste man aussparen, denn beispielsweise im 
Gewerkschaftsbereich gibt es keine wirklich unabhaengigen Fraktionen - auch 
wenn deren Vertreter gerne das Gegenteil behaupten.
Es ist aber auch nicht sinnvoll NGOs in eine Partei umwandeln zu wollen, 
selbst wenn es ideologisch sich ausginge. NGOs sollen der Aufgabe gerecht 
werden koennen, in ihrem Bereich politisch zu arbeiten - sie sind 
Partikularorganisationen, Ein-Punkt-Bewegungen, die die Auswirkungen auf 
ihren Bereich beschreiben und aus ihren Interessen heraus politisch kaempfen 
sollen. Darin liegt ihre Staerke. Fasst man sie zu einer Partei zusammen, 
bekommt man eine totgeborene Partei und kaputtgemachte NGOs.
Der Autor hat sehr schoen beschrieben, wie die politische Landschaft in 
diesem Land aussieht. Die logische Schlussfolgerung ist aber wohl, dass es 
ohne irgendeine grosse "Erzaehlung" (wie sie sie zum Beispiel die Gruenen 
mit ihrem apokalyptischen Umweltmahnertum und dem Event Hainburg hatten) 
unmoeglich erscheint, eine neue Partei zu etablieren. In der zweiten 
Republik gab es auf Bundesebene gerade mal vier Parteineugruendungen, die 
tatsaechlich den Einzug ins Parlament schafften: die VdU (die spaetere FPOe, 
die zwar als liberale Partei gegruendet worden war, aber als Auffangbecken 
einer anderen politischen Ausrichtung ueberlebte), die Gruenen (siehe oben), 
die Liberalen (die aber vorher schon im Parlament waren und sich durch 
Abspaltung dort gruendeten) und das BZOe (fuer das das gleich gilt). Damit 
ist klar: Ohne einen grossen Hebel geht da gar nichts. Entweder die Gruenen 
spalten sich endlich - was nicht passieren wird, weil die Linken in dieser 
Partei zu feig sind - oder es braucht eine starke Bewegung, die wie ohne 
grossen Aufwand eine neue Partei ins Parlament spuelt. Zuerst eine Partei zu 
gruenden und dann auf die vielbeschworenen Unzufriedenen zu hoffen, ist naiv 
und hiesse das Pferd vom Schwanz weg aufzuzaeumen.
Denn selbst wenn es so eine Bewegung geben wuerde, ist die Frage, ob es 
sinnvoll waere, daraus eine Partei zu machen - gruene wie rote 
Sozialdemokraten sind da nun wirklich kein Vorbild.
Daher: Schauen wir einmal, dass wir eine politische Bewegung auf die Beine 
stellen. Ueber das mit der Partei koennen wir dann immer noch reden. Aber 
bitte: Lassts die NGOs in Ruhe!
*Bernhard Redl*
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