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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Jaenner 2008; 19:08
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Paraguay/Kapitalismus:

> Wenn eine Bank etwas entwickelt

Wenn erfolgreiche Projekte von grossen Finanzierungsinstituten entdeckt
werden, kann das fatale Folgen haben. Diese Erfahrung musste eine deutsche
Gaertnerin in Paraguay machen, wo sie Produktion und Vertrieb von
Bio-Schwaemmen fuer einkommenslose Campesinos aufgebaut hatte.


Es war einer der groessten Augenblicke im Leben der Oberbayerin Brigitte
Fuzellier. Deutschlands Bundespraesident Horst Koehler reiste ins ferne
Paraguay, schuettelte ihre Hand und beglueckwuenschte sie zu ihrem
ausserordentlichen sozialen Engagement fuer die paraguayischen Landarbeiter,
die Bevoelkerungsgruppen der Indigenen und Campesinos. Aber nach dem Besuch
des Staatsoberhauptes im Maerz 2007 ging es fuer sie und ihre Initiative
bergab. Ausgerechnet die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) erwies
sich durch fragwuerdige Geschaeftspraktiken als groesste Bedrohung fuer die
Campesinos und das Projekt.

Alles begann vor neun Jahren, als Frau Fuzellier in einem paraguaiischen
Klostergarten den Nonnen das Anlegen von Biogaerten zeigte. Dabei entdeckte
sie das seltsame Gewaechs, die Schwamm-Gurke, und fragte die Nonnen, was
dies denn sei. "Ach, nur Unkraut", antworteten die Nonnen achselzuckend, "es
taugt bestenfalls fuer Schwaemme".

Schwaemme - damit war fuer Brigitte Fuzellier eine Geschaeftsidee fuer die
paraguayischen Landarbeiter geboren. Mit ihrer NGO namens OIPIC entwickelte
sie das Produkt "Loofah-Art" und begeisterte die ersten hundert Campesinos
zu dessen Anbau. Nachdem ein Investor seine anfaengliche Finanzierungszusage
zurueckgezogen hatte, musste sie wegen der einhundert Kleinbauern schnell
handeln. Frau Fuzellier nahm einen privaten Kredit auf und wandte sich an
die amerikanische NGO "Nature Conservancy", die ihr einen Kredit von 50.000
US-Dollar gab. Eine Bedingung allerdings war an die Kreditvergabe geknuepft:
sie musste eine Aktiengesellschaft gruenden: Loofah S.A. war geboren.
Bereits nach vierzehn Monaten war sie in der Lage, den gesamten Kredit
zurueckzuzahlen.

Die IDB zeigt Interesse

Auf diese Erfolgsgeschichte wurde die IDB aufmerksam und bot ihr die
Finanzierung eines landesweiten Projektes an. Frau Fuzellier hatte zu diesem
Zeitpunkt kaum Zeit, ein derartig grosses Projekt zu entwickeln, da sie ihre
aktuelle Initiative nicht gefaehrden wollte. Daraufhin schickte ihr die IDB
zwei Experten, die sich dieser Aufgabe widmeten. Das Ergebnis: ein
nationales Entwicklungsprojekt mit einem Investitionsvolumen von 710.000
US-Dollar. Dessen Finanzierung stellte sich wie folgt dar: fuer den Ankauf
der Loofah gab es von der IDB eine zweckgebundene Kreditlinie von 250.000
US-Dollar, hinzu kamen nicht rueckzahlbare Foerdermittel, auch aus deutschen
Entwicklungshilfegeldern, in Hoehe von 210.000 US-Dollar. Diese dienten
ausschliesslich der Produktentwicklung und Zertifizierung, dem
Schulungsprogramm von 11.000 Kleinbauern und Indigenen, und vor allem der
Absatzfinanzierung. Die verbleibende Summe in Hoehe von 250.000 US-Dollar
musste Frau Fuzellier ueber Fremdfinanzierung aufbringen und zweckgebunden
fuer den Produktions- und Strukturaufbau verwenden.

Die IDB und das Kleingedruckte

Mitarbeiter der IDB verhandelten mit den Vertriebsunternehmen, woraufhin die
IDB das Unternehmen Loofah S.A. verpflichtete, einen dreijaehrigen
Exklusivvertrag mit der franzoesischen Firma "Mastrad" in Paris zu
schliessen. Dieser Kontrakt gilt fuer Gesamt-Europa und beinhaltet ein
Auftragsvolumen von einer Million US-Dollar. Allerdings kam die Firma
Mastrad ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nach, und die Warenabnahme
beschraenkte sich lediglich auf einen Auftragswert von 70.000 US-Dollar.

Zu einem weiteren dreijaehrigen Exklusiv-Vertrag -- nunmehr fuer den
gesamten amerikanischen Raum -- wurde Loofah S.A. gegenueber dem Unternehmen
"Janitta International" mit einem jaehrlichen Auftragsvolumen von 500.000
US-Dollar verpflichtet. Nach kleineren Auftraegen kam es zu einem
Grossauftrag von 100.000 US-Dollar. Ein Rechnungsbetrag von 50.000 US-Dollar
blieb jedoch bis heute offen. Weitere bestellte Loofah-Produkte im Wert von
300.000 Dollar warten immer noch auf ihre Abnahme.

Statt sich an die vertraglichen Vereinbarungen zu halten, ging die Firma
"Janitta International" mit der Firma "Sitlax" ein Joint Venture ein. Beide
Unternehmen verschmolzen und firmieren nunmehr unter der Firmenbezeichnung
"Sitlax". Sitlax gruendete das amerikanische Unternehmen "Loofah-Art" und
uebernahm dafuer das Label von Loofah S.A. Unter diesem Label vertreibt das
Unternehmen von der amerikanischen Ostkueste aus derzeit erfolgreich
Loofah-Produkte: zwar mit der Erfolgsstory von Loofah S.A. aus Paraguay --
allerdings mit qualitativ minderwertigen asiatischen Produkten. Fuer einen
Rechtsstreit auf nordamerikanischem Boden fehlen Frau Fuzellier derzeit die
Mittel.

Die IDB zahlt nicht aus

Der IDB wurden diese unhaltbaren Umstaende vorgetragen, diese sah jedoch
keinen Handlungsbedarf. Somit waren der Firma Loofah S.A. in Paraguay wegen
der Exklusivitaet der Vertraege die Haende gebunden und es gab keine
Moeglichkeit, andere Vertriebskanaele zu oeffnen. Die Situation spitzte sich
zu, eine Million Loofah-Schwaemme lagen auf Lager, mehr als 500.000
Schwaemme befanden sich bei den Campesinos und Indigenen. Sie brauchten
dringend einen Absatzmarkt. Als sich Frau Fuzellier entschloss, die
Vertraege mit beiden Unternehmen zu kuendigen, stellte die IDB die Zahlungen
der nicht rueckzahlbaren Foerdermittel an Loofah S.A. fuer die
Absatzfinanzierung ein. Eine buerokratische Hinhaltetaktik begann. Frau
Fuzellier legte ihre letzten finanziellen Reserven in das Unternehmen ein
und nahm an kleineren Messen teil. Mit Erfolg, der Umsatz von Loofah S.A.
stieg von 100.000 USD auf 350.000 USD an. Fuer weitere Messen fehlte ihr das
Geld. Immer noch keine Zahlungseingaenge von der IDB. In der Folge kam die
"Loofah S.A." mit ihrer Absatzfinanzierung in Schwierigkeiten und konnte an
keiner der grossen internationalen Messen teilnehmen.

Die amerikanische Handelskammer schaltete sich ein und bot Frau Fuzellier
eine Messe-Vorfinanzierung in den USA an, unter der Voraussetzung, dass die
IDB der Kammer die Kosten erstattet. Die IDB geriet unter Druck und stimmte
einer Kostenerstattung zu, fuehrte diese jedoch nicht durch. Frau Fuzellier
blieb der amerikanischen Handelskammer die Rueckzahlung schuldig.

Zwischenzeitlich liefen die ersten Zinszahlungen an die IDB auf. Frau
Fuzellier handelte einen neuen Zahlungsplan aus, der im Nachhinein einseitig
von der IDB verworfen wurde. Der fuer das Projekt zustaendige Mitarbeiter,
Herr Gustavo S., bat Frau Fuzellier um ein Vier-Augen-Gespraech. Dabei bot
er an, "er muesse nur ein paar Telefonate fuehren, um ihr Problem zu loesen,
so was koste natuerlich Zeit und Geld". Brigitte Fuzellier wollte diese
zweideutige Aussage nicht verstehen und beendete das Gespraech. Seitdem sind
die Fronten zwischen der IDB und der Firma Loofah S.A. verhaertet.

Eine von der IDB empfohlene Buchpruefungsgesellschaft wurde beauftragt, und
das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Dem Unternehmen Loofah S.A. wurde
eine positive Bilanz bescheinigt. Es wurden nur geringfuegige Maengel
festgestellt. Dem zustaendigen Finanzleiter der IDB, Herrn Gustavo S.,
missfiel dieses Ergebnis. Er erstellte einen eigenen, nicht fundierten
Bericht, mit dem Resultat, dass das Projekt eingestellt werden muesse. Die
Buchpruefungsgesellschaft wollte daraufhin einen Gegenbericht erstellen;
Loofah S.A. schaltete einen Anwalt ein.

Soweit der Stand der Dinge. Fortsetzung folgt.
(Thomas Rottluff und Thomas Schilling, Aktuelle-Rundschau Paraguay/bearb.)


Quelle und Kontakt:
Aktuelle-Rundschau Paraguay
http://www.aktuelle-rundschau.com


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