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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Jaenner 2008; 18:51
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Deren Heer/Justiz:
> 16 Years After
Der Aufruf zum Ungehorsam gegen Militaergesetze beschaeftigt immer noch die 
Justiz
Aktenzeichen 274UR 34907W. "Das muss ein alter Akt sein!" Meint man bei der 
Staatsanwaltschaft am Wiener Straflandesgericht. Ja, das stimmt. Er ist 
ueber 16 Jahre alt. Es handelt sich dabei um das Verfahren gegen 255 
Menschen, die beschuldigt werden, am 3.September 1991 ein Inserat in der 
damals noch existierenden Tageszeitung AZ geschaltet zu haben -- also um den 
langjaehrigen akin-Lesenden gut bekannten "Aufruf zum Ungehorsam gegen 
Militaergesetze".
"Aber der Akt ist bei uns schon abgestrichen." Soll heissen: erledigt. 
Eigentlich muesste die Sache auch schon seit ueber einem Jahrzehnt verjaehrt 
sein. Tatsaechlich gibt es aber immer noch Einvernahmen im Vorverfahren, 7 
oder 8 Leute duerften derzeit noch von den Justizbehoerden belaestigt 
werden. Dort beruft man sich auf §412 der Strafprozessordnung, wonach ein 
nicht verfolgbarer Taeter auch spaeter noch von der Staatsanwaltschaft 
belangt werden koenne. In den jetzt wieder akut gewordenen Faellen habe man 
neue Aufenthaltsdaten bekommen und gehe dem jetzt nach, so die 
Staatsanwaltschaft.
Es ist also nicht ganz auszuschliessen, dass noch Prozesse in dieser 
Angelegenheit stattfinden werden. Der von der "Gruppe fuer 
Totalverweigerung" lancierte "Aufruf zum Ungehorsam" machte in den 
Neunzigerjahren der Justiz schwer zu schaffen, da die 245 Unterzeichneten 
zur Untermauerung ihrer Forderung nach einer Abschaffung des Bundesheeres 
diese mit dem Aufruf verbanden, ganz allgemein "Militaergesetze nicht zu 
befolgen", und auch noch betonten, sich im Klaren zu sein, dass dies ein 
Vergehen nach §281 StGB ("Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze") sei. 
Als Reaktion auf die ersten Strafverfahren erschienen ueber mehrere Jahre 
verteilt drei weitere Aufrufe mit dem gleichen Text und neuen Namen. 
Insgesamt setzten damit ueber 800 Menschen ihren Namen unter den Text. 
Etliche Dutzend von ihnen wurden zu 4 bis 6 Wochen bedingter Haft 
verurteilt, obwohl die einzelnen Richter sich anfangs nicht darueber einig 
waren, ob es sich dabei tatsaechlich um ein Delikt gehandelt hat, oder nur 
um die Pointierung einer Forderung. Dass nicht alle 800 verurteilt wurden, 
mag vielleicht auch an der Ueberlastung der Justiz und dem politischem 
Desinteresse an einer zu umfassenden Kriminalisierung gelegen haben, sicher 
aber an der Tatsache, dass weder die Originalunterschriften noch weitere 
eindeutige Personendaten vorlagen, sodass die Justiz bei Namensgleichheiten 
auf Mutmassungen ueber die zu Beschuldigenden angewiesen war.
Ebenfalls verurteilt wurde damals Renate Sassmann, die von den Behoerden als 
Verantwortliche fuer die Veroeffentlichung der Unterschriftenliste in der 
akin ausgemacht worden war. Denn besonderes Augenmerk wurde damals von 
seiten der Justiz auf die Verfolgung der verantwortlichen Hintermaenner 
und -frauen gelegt. So kam es zu Hausdurchsuchungen in der 
TATblatt-Redaktion sowie im Buero der Arge fuer Wehrdienstverweigerung --  
dort absurderweise unter anderem, um das inkriminierte Exemplar der akin zu 
beschlagnahmen, obwohl die akin dort nie redigiert oder gedruckt worden war.
Massenmediale Beachtung fand der Aufruf allerdings lediglich durch die 
Unterschriften von Gruen-Mandataren und anderen Prominenten (Peter Pilz, 
Madeleine Petrovic, Guenther Nenning, Ostbahn-Kurti, Robert Jungk, Elfriede 
Jelinek etc.).
Aber auch rechtswissenschaftlich war der Aufruf von Bedeutung. Der §281 war 
bis zu diesem Zeitpunkt beinahe totes Recht gewesen, da er so gut wie nie 
zur Anwendung gelangte. Die Kommentare in Rechtslehrbuechern zu diesem 
Paragraphen beruhen heute daher zu einem Gutteil auf der Judikatur dieser 
Verfahren sowie den damit angestossenen Diskussionen unter den 
Rechtsgelehrten.
Die Redaktion bittet Menschen, die jetzt in diesem Zusammenhang vorgeladen 
werden oder vor kurzem einvernommen worden sind, sich bei uns zu melden, um 
das Justizgeschehen diesbezueglich weiter ans Licht der Oeffentlichkeit 
zerren zu koennen.
*Bernhard Redl*
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