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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Dezember 2007; 19:36
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Recht/Staat/Kommentar:
> Schwarzbunt III
Noch knieweicher als unser Sportkanzler ist nur noch die Justizministerin. 
Der AsylGH ist ein wunderschoenes Beispiel dafuer, wie in einem
Rechtsstaat Recht kreiert wird.
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Das Parlament ist der Gesetzgeber! So steht es in der Verfassung. 
Interessanterweise faellt das Ministern immer nur dann auf, wenn sie Mist 
gebaut haben. Denn ueblicherweise kommen Gesetzesvorschlaege aus der 
Ministerialbuerokratie im Auftrag der zustaendigen Ressortleiter, sprich 
Minister, werden im Ministerrat diskutiert, kommen in die Begutachtung, 
werden dann von Regierungsseite noch einmal ueberarbeitet und dann dem 
Parlament zur wohlwollenden Beschlussfassung, sprich Absegnung, uebergeben.
Aber, wie gesagt, baut ein Regierungsmitglied Mist, dann ist das Parlament 
schuld. So auch im Falle Maria Berger, Doktorin der Rechte und 
Justizministerin. Das Einzige, was man ihr nicht vorwerfen kann, ist 
Unehrlichkeit, denn sie gibt ganz ehrlich ihre Unfaehigkeit zu. Da wird eine 
fundamentale Aenderung im Rechtswesen durchgefuehrt, die Schaffung einer 
neuen Instanz, des Asylgerichtshofs, und die gute Frau stimmt der 
Verfassungsaenderung zu, ohne sie gelesen zu haben. Berger im 
Standard-Interview (5.12.) zum Ablauf im Ministerrat: "Das war eine 
Tischvorlage, die kurzfristig vor der Sitzung verteilt wurde. Die einzige 
Moeglichkeit waere gewesen: Weil ich es nicht gelesen habe, stimme ich 
dagegen. Das wollte ich aber nicht, weil ich es fuer richtig empfunden habe, 
dass es in die parlamentarische Beratung kommt. Man kann aber trotzdem 
Anmerkungen und Fragen haben, ob die eine oder andere Loesung wirklich die 
beste ist."
Nur: Frau Bergers Anmerkungen waeren im Ministerrat gefragt gewesen. Und die 
korrekte Vorgangsweise waere gewesen, dagegenzustimmen, solange man es nicht 
gelesen hat. Wenn Kinder erwachsen werden, sagt man ihnen: "Bevor du was 
unterschreibst, lies es genau durch!" Sollte man an eine Ministerin und 
Akademikerin nicht dieselben Ansprueche stellen? Sich auf die 
parlamentarische Beratung zu verlassen, wo der wahre Gesetzgeber in unserer 
Alpenrepublik ueblicherweise der Ministerrat ist, ist das nicht grob 
fahrlaessig? Noch dazu fuer die ressortzustaendige Ministerin? Maria Berger 
darauf im Interview: "Das Asylgericht faellt in die Kompetenz des 
Bundeskanzleramts."
Das kann man sicher bestreiten. Womit sie aber recht hat, ist, dass das 
Verfassungsgesetz, mit dem der AsylGH beschlossen wurde, tatsaechlich in die 
Kompetenz des Bundeskanzleramts faellt. Um das verstehen und um das ganze 
Ausmass des Geschehenen beurteilen zu koennen, muss man ein wenig ueber die 
Genese dieses Gesetzes wissen. Die verfassungsmaessige Einrichtung des 
Asylgerichtshof war naemlich Teil des "Bundesverfassungsgesetzes, mit dem 
das Bundes-Verfassungsgesetz geaendert und ein Erstes 
Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird". Der Entwurf dieses 
Verfassungsgesetzes wurde im Auftrag des Bundeskanzleramts (im stillen 
Kaemmerlein der Khol-Kostelka-Altherrenrunde) erstellt, war im Juli fertig 
und ging im September in Begutachtung. Aber erst nach der Begutachtung wurde 
die Einrichtung des AsylGH eingefuegt - wie Berger schildert, recht 
ueberfallsartig. In Folge dessen gab es dazu kein neues 
Begutachtungsverfahren. Genausowenig wie uebrigens zum 
Asylgerichtshofs-Einrichtungsgesetz, das genauer Aufgaben und Struktur des 
Gerichthofs erklaert. Das ging per Initiativantrag von 
Nationalratsabgeordneten - und deswegen auch ohne Begutachtungsverfahren - 
an den Nationalrat. Und zwar erst am 28.November. Der NR-Beschluss von 
Verfassungsgesetz und AsylGH-Gesetz erfolgte dann eine Woche spaeter. So 
wird in Oesterreich Recht geschaffen.
Maria Berger und diverse SPOe-NR-Abgeordnete sind nicht gluecklich mit 
diesen Beschluessen. Aber sie haben nichts dagegen unternommen. Genau da 
liegt das Problem. Man erinnere sich an Bergers Zustimmung zum 
"Bundestrojaner", also der Moeglichkeit der Polizei, online eine 
Durchsuchung von Computern zu erlauben. Ihre Argumentation dazu: Das sei bei 
entsprechender Interpretation der bisherigen Bestimmungen schon vorher 
moeglich gewesen, daher sei sie dafuer, das jetzt eindeutig gesetzlich zu 
regeln - und stimmte allem zu, was ihr Innenminister Platter diktierte. Ihre 
Kollegin im Unterrichtsministerium ist auch um nichts besser: Aus dem 
grossen Gesamtschulprojekt wurden einige wenige Schulversuche, die Claudia 
Schmied als tollen Erfolg feierte - dass sie dafuer genau 0 Euro Budget hat, 
weil die OeVP (sprich Finanzminister Molterer) dafuer kein Geld locker 
machen will, wurde erst jetzt zum Thema.
Man fragt sich wirklich, wozu die SPOe in der Regierung vertreten ist - die 
Tatsache, dass die OeVP ansonsten nicht ueber eine Mehrheit im Nationalrat 
verfuegen wuerde, kann doch nicht der Grund sein. Alexander van der Bellen 
hat schon recht damit, wenn er meint, dass die SPOe dieselbe Rolle wie vor 
ihr das BZOe spielt. Man koennte dieses Kabinett durchaus auch als 
"Schwarzbunt III" bezeichnen. Dass das speziell den Gruenen auffaellt, ist 
kein Wunder. Schliesslich ist das die einzige verbliebene Parlamentspartei, 
die es trotz eifrigen Bemuehens noch nicht geschafft hat, sich von der OeVP 
korrumpieren zu lassen. Erst Schwarzgruen wuerde den Regierungreigen 
abschliessen. Und dann kommt irgendwann einmal vielleicht Rotgruen. An der 
Art wie hierzulande -- und auch in den meisten anderen "Rechtsstaaten" --  
Demokratie passiert, wird das wohl kaum etwas aendern.
*Bernhard Redl*
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