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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Dezember 2007; 19:52
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Russland:
> 54 Morde mit Nazi-Hintergrund
In den letzten Jahren hat in Russland die Zahl der Morde durch Neonazis 
erheblich zugenommen. Sowohl MigrantInnen als auch AntifaschistInnen sehen 
sich mit einer zunehmenden Gefaehrdung ihres Lebens durch Nazi-Skins und Co. 
konfrontiert. All dies vor dem Hintergrund eines Staates, der dem Treiben 
der Neonazi-Szene untaetig zusieht, und alle Gewalttaten mit einschlaegigem 
Hintergrund als "Hooliganismus" abtut. Doch es geht noch schlimmer: Mittels 
eines Extremismus-Gesetzes geht man genau gegen diejenigen vor, die aktiv 
antifaschistisch taetig sind. Dazu passt, dass MigrantInnen und Menschen mit 
"nicht-slawischem" Aussehen von der Polizei durch repressive 
Meldepflichtregelungen, staendige Ausweiskontrollen sowie daran gebundene 
Geldzahlungen systematisch schikaniert und erpresst werden.
Dabei ist aktiver Widerstand gegen die herrschenden Verhaeltnisse noetiger 
denn je: Im Jahr 2006 gab es in Russland zumindest 54 Morde mit 
rassistischem und neonazistischem Hintergrund. Eine offizielle Statistik zu 
diesen Vorfaellen gibt es nicht, die Zahlen muessen also vom 
antirassistischen SOVA Center aus Medienberichten zusammengestellt werden, 
tatsaechlich duerften es mehr sein.
Zum Angriffsziel kann dabei jedeR werden der/die ins Feindschema der 
Neonazis passt: Dies betrifft vor allem Personen, die Rechtsextreme als 
"nicht-slawisch" identifizieren. Aber auch alle, die nicht ins extrem 
nationalistische Gesellschaftsbild passen. Dass diese Gewaltbereitschaft 
ueberhaupt vorhanden ist, liegt auch an der Verharmlosung ihrer Verbrechen 
durch die Behoerden. Denn wenn die Taeter ausnahmsweise einmal ausgeforscht 
werden, werden ihre Taten entpolitisiert und vom Gericht schnell unter die 
Kategorie "Hooliganismus" eingereiht (also eine Art Bandenkrieg ohne 
politischen Hintergrund) obwohl die Taeter ganz eindeutig aus der 
Neonaziszene stammen.
Der Moskauer Antifaschist Alexander Ryukhin wurde im April 2006 von sechs 
Neonazis erstochen. Drei der Taeter wurden mittlerweile verhaftet, zwei 
davon sind Mitglieder der rechtsextremen "Slawischen Union", einer ist bei 
der Nazigruppe "Format 18" aktiv, die sich an der englischen 
Naziterrorgruppe "Combat 18" orientiert. Und auch hier heisst es: 
"Hooliganismus". Ein - haerter zu bestrafendes - Hassverbrechen wollen die 
Behoerden hingegen nicht erkennen koennen.
Im Gegenzug werden diejenigen, die aktiv gegen diese rechtsextremen Umtriebe 
auftreten, zunehmend kriminalisiert: Die russische Duma hat im Juni 2006 ein 
Anti-Extremismusgesetz verabschiedet, das zunehmend auch gegen 
AntifaschistInnen und andere RegierungsgegnerInnen angewendet wird. Nach der 
offiziellen Lesart wurde das Gesetz ins Leben gerufen, um der 
antisemitischen und rassistischen Gewalt einen Riegel vorzuschieben. Die 
Realitaet sieht allerdings vollkommen anders aus: Das Gesetz ist so 
formuliert, dass es vor allem dazu dient, der Exekutive mehr Mittel in die 
Hand zu geben, um gegen unliebsame Demonstrationen und regierungskritische 
AktivistInnen vorzugehen. So koennte schon die Durchfuehrung einer 
unangemeldeten Demonstration zur Anwendung des Extremismusparagraphen auf 
eine der organisierenden Gruppe fuehren. Oeffentliche Kritik an "hohen 
Staatsdienern" kann schon Repressialien nach sich ziehen. Alles in Allem 
also eine Art Blankoscheck fuer repressive Massnahmen der Behoerden gegen 
unliebsame KritikerInnen.
Ein solches Klima aus rassistischer Gewalt und Angst ist nur durch eine 
Mischung aus Zustimmung und Gleichgueltigkeit in weiten Teilen der 
Gesellschaft moeglich, allen voran natuerlich der Behoerden. Was 
mittlerweile in Russland moeglich ist, demonstriert ein anderes Beispiel: Im 
Fruehjahr erteilte die staatliche medizinische I. M. Setschenow-Akademie in 
Moskau Hunderten ihrer StudentInnen - allesamt "nicht-russischer" Herkunft - 
Ausgangsverbot. Die offizielle Begruendung: Eine Feueruebung. In 
Wirklichkeit hat das Verbot einen weit bedrueckenderen Hintergrund: 
Russische Neonazis machen rund um den 20. April, dem Geburtstag Adolf 
Hitlers, gezielt Jagd auf AuslaenderInnen, wie der zustaendige Dekan auf 
Nachfrage eingestand.
Wie ernst man es mit dem Vorgehen gegen rassistische MoerderInnen nimmt, 
zeigt der folgende Vorfall: Im Jahr 2004 wurde eine tadschikische Familie 
von einer Gruppe rechtsextremer Jugendlicher mit Knueppeln und Messern 
ueberfallen, die neunjaehrige Churscheda Sultonowa wurde von den Schlaegern 
unter Rufen wie "Russland den Russen" ermordet. Nachdem die Geschichte 
internationale Schlagzeilen gemacht hatte, verkuendete die Gouverneurin, 
dass man an den Taeterm ein Exempel statuieren werde, um ein klares Signal 
gegen Rassismus auszusenden. Auch hier sah die Realitaet vollkommen anders 
aus: Zwar wurden die Taeter ausgeforscht, nur einer davon wurde aber 
ueberhaupt wegen eines rassistischen Mordes angeklagt. Und auch dieser kam 
schliesslich mit der Hooliganismus-Verurteilung davon, ein rassistisches 
Tatmotiv wollte das Gericht ausdruecklich nicht erkannt haben.
Auch andere Gesellschaftsgruppen werden vermehrt zum Ziel, vor allem, wenn 
sie es wagen, offen fuer ihre Rechte einzutreten. Etwa die LesBiSchwule 
Community, die im Jahr 2006 erstmals versuchte, eine Gay-Pride-Parade zu 
veranstalten. Die AktivistInnen wurden von einer Horde Nazi-Skins und 
homophoben NormalbuergerInnen attackiert. Die Polizei half dem "Volkszorn" 
dabei auf ihre ganz eigene Weise zum Durchbruch: Die DemonstrantInnen wurden 
aktiv an einem Rueckzug gehindert und so den SchlaegerInnen ausgeliefert. 
Zuvor hatte schon der Moskauer Buergermeister Juri Luschkow keinen Hehl aus 
seiner Gesinnung gemacht: Eine Schwulenparade in welcher Form auch immer 
werde man nicht tolerieren. Auch die Moscow Pride 2007 wurde untersagt. Als 
AktivistInnen eine Resolution gegen das Verbot der Parade im Rathaus 
ueberbringen wollten, wurden sie von homophoben BuergerInnen vor den Augen 
der Polizei niedergeschlagen. Die Polizei reagierte mit der Verhaftung der 
AktivistInnen und liess die SchlaegerInnen unbehelligt davon ziehen. Die 
Angriffe auf die Moscow Pride 2007 sind ein Symptom fuer einen generellen 
Rueckschlag fuer die Menschenrechte in Russland.
Im Juli 2007 wurde ein Anti-Atom Camp in Angarsk, Sibirien von 
Neo-Nazi-Skinheads ueberfallen: Die ca. 20 CamperInnen wurden von etwa 15 
Neonazis in der Nacht mit Eisenstangen, Messern und Luftdruckgewehren 
angegriffen. Acht AktivistInnen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, 
der 21-jaehrige Antifaschist Ilya Borodaenko starb im Krankenhaus an den 
Folgen einer schweren Kopfverletzung. Bereits zwei Tage spaeter wurden nach 
einer Kundgebung im Gedenken an Ilya erneut AktivistInnen attackiert.
Die Situation fuer Menschen, die sich abseits des Mainstreams bewegen, wird 
immer schwerer und gefaehrlicher. Solidaritaet ist Pflicht! Geld ist nicht 
alles, aber es kann den AktivistInnen helfen, Flugblaetter zu produzieren, 
Kampagnen zu machen und AnwaeltInnen zu bezahlen.
(Aussendung Rosa Antifa Wien)
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Antifa-Net (eine internationale Kooperation von antifaschistischen 
Initiativen und Zeitungen) sammelt Spenden fuer die AntifaschistInnen in 
Russland. Diese brauchen finanzielle Unterstuetzung fuer Flugblaetter, 
Kampagnen und RechtsanwaeltInnen, u.s.w.
Spenden koennen hierhin ueberwiesen werden:
Russian Human Rights Solidarity Campaign Branch Sort Code: 40-03-36
Konto-Nr.: 41284479
IBAN: GB76MIDL40033641284479 S
WIFT CODE: MIDLGB22
Weitere Spendeninfos auf http://www.searchlightmagazine.com
Informationen zur aktuelle Situation in Russland koennen unter
http://sova-center.ru/194F418 abonniert 
werden.
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