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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Dezember 2007; 19:43
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EU:
> SP-Dissidenz gegen EU-Vertrag
In der SPOe regt sich Widerstand gegen das EU-Diktat. Die "initiative fuer 
eine sozialistische politik der spoe" (isp) beschraenkt sich nicht mehr auf 
informelle Einflussnahme, sondern ging nun an die Oeffentlichkeit mit einem 
Offenen Brief an den Bundesparteivorstand der SPOe und den 
SPOe-Parlamentsklub sowie an die SP-Fraktion im Europaeischen Parlament.
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Liebe Genossinnen und Genossen!
Wir appellieren an Euch, von der Ratifizierung des "Entwurfs eines Vertrags 
zur Aenderung des Vertrags ueber die Europaeische Union und des Vertrags zur 
Gruendung der Europaeischen Gemeinschaft" ("EU-Reformvertrag") durch das 
Parlament Abstand zu nehmen und Euch fuer eine Volksabstimmung darueber in 
Oesterreich und allen Mitgliedslaendern der Europaeischen Union einzusetzen.
Um eine Volksabstimmung durchzufuehren, bedarf es einer umfassenden und 
ausgewogenen Information der Bevoelkerung (um die sich Interessierte schon 
jetzt selbst bemuehen). Sie erfordert eine Gleichgewichtung der zu 
befuerwortenden wie auch der abzulehnenden Inhalte und Gesichtspunkte des 
"EU-Reformvertrags". Die SPOe, aber auch die SP-Fraktion im Europaeischen 
Parlament, soll daher diese umfassende und ausgewogene Information der 
Bevoelkerung EU-weit sicherstellen und in den politischen Koerperschaften 
auf deren Bereitstellung hinwirken.
Verfassungen gehen auf Volksbewegungen und Revolutionen gegen feudale 
Willkuerherrschaft zurueck. Eine Verfassung ist ein Dokument der 
grundlegenden Rechte und Pflichten der Staatsbuerger/innen und eine 
Festlegung der Gewaltenteilung sowie der Aufgaben und Machtbefugnisse der 
staatlichen Organe. Als rechtliche Grundlage des staatlichen Zusammenlebens 
hat sie unmittelbare und nachhaltige Auswirkungen auf das gesamte Leben 
jeder Staatsbuergerin und jedes Staatsbuergers. Sie betrifft alle Menschen.
Im Grundsatzprogramm der SPOe heisst es im Abschnitt II. 2. 2.: "Wir treten 
daher dafuer ein, dass alle Menschen das Recht darauf haben, bei 
Entscheidungen, die sie betreffen, mitzubestimmen und dass das Prinzip der 
Demokratie in allen gesellschaftlichen Bereichen verwirklicht wird." Dieser 
Satz erfordert die Abhaltung einer Volksabstimmung und stellt fuer die SPOe 
die Verpflichtung dar, sich ohne Bedingungen fuer ihre Durchfuehrung 
einzusetzen. Andernfalls wuerde sie ihre Glaubwuerdigkeit weiter verringern.
Durch die "Erklaerung Nr. 27" wird analog zum 2005 gescheiterten 
"Verfassungsentwurf" aus dem Jahr 2004 der Vorrang der EU-Gesetzgebung 
gegenueber unserer Verfassung festgeschrieben. Das "Verbot der 
Beschraenkungen des Kapitalverkehrs mit den Mitgliedslaendern und 
Drittlaendern" (Artikel 56) legalisiert die Steuer-, Kapital- und 
Produktionsflucht in Niedriglohnlaender und Steueroasen. Es ist gegen die 
arbeitenden Menschen in der EU gerichtet, ohne den arbeitenden Menschen in 
den Ziellaendern zu helfen. Artikel 27 (Absatz 7) macht die EU zu einem 
Verteidigungsbuendnis und gefaehrdet durch die enge Anbindung an die NATO 
die bewaehrte Neutralitaet Oesterreichs. Die Rechte des Europaeischen 
Parlaments sind geringer und schwaecher als die der Parlamente der 
Mitgliedstaaten. Es fehlen das Recht der Gesetzesinitiative und das Recht, 
Mitgliedern der Kommission das Misstrauen auszusprechen, sowie das 
basisdemokratische Recht einer Volksabstimmung. Schon allein deswegen muss 
die Bevoelkerung der EU darueber abstimmen, ob sie sich den Entzug dieses 
grundlegenden Rechts wirklich gefallen lassen will.
Diese und andere Maengel und Festschreibungen aus dem 2005 gescheiterten 
"Verfassungsentwurf" sind im "EU-Reformvertrag" weiterhin enthalten, aber 
sie sind wegen systematischen Umgruppierungen von Textbestandteilen des 
"Verfassungsvertrags" und deren Einfuegung an verschiedenen Stellen 
frueherer Vertraege nur "Eingeweihten" zugaenglich. Wie der Vorsitzende des 
damaligen Verfassungskonvents und fruehere Praesident Frankreichs, Giscard d'Estaing, 
in einem Offenen Brief im Observer vom 29. Oktober 2007 dazu feststellte, 
wird damit der Zweck verfolgt "ein Referendum zu vermeiden dank der 
Tatsache, dass diese Artikel verstreut und deren Verfassungsvokabular 
entfernt wurden".
Nur durch eine Wirtschaft, die demokratisch gelenkt und kontrolliert wird, 
kann das Ueberleben dieses Planeten in Zukunft gesichert werden. Die 
EU-Gesetzgebung schraenkt die Freiheitsrechte der Bevoelkerungsmehrheit 
zugunsten der Vorrechte von Kapitaleigentuemern und wirtschaftlich 
Maechtigen weiter ein. Der daraus folgende Sozialabbau weckt soziale 
Uraengste und heizt nationalistische und rechtsextremistische Stroemungen 
an, denen sich politisch desinformierte Benachteiligte anschliessen. Die 
Entfremdung der repraesentativen Demokratie nimmt zu. Dem muss durch eine 
Politik begegnet werden, die den Interessen der arbeitenden Mehrheit 
Rechnung traegt. Eine Volksabstimmung ueber den "EU-Reformvertrag" waere ein 
Beitrag zur Wiederbelebung der Demokratie und wuerde der Gefahr von Rechts 
aktiv gegensteuern.
An der von uns geforderten umfassenden und ausgewogenen Information der 
Bevoelkerung muessen vor allem die Abgeordneten der SPOe (sowohl des 
oesterreichischen als auch des Europaeischen Parlaments) mitwirken. Dabei 
wird sich erweisen, nicht nur ob und wie angemessen sie den Vertragsentwurf 
dem "Wahlvolk" darstellen koennen, sondern ob und wie sehr sie sich selbst 
seiner Problematik bewusst sind.
Freundschaft!
*Fuer die initiative: Karin Rietenauer, Gerti Worel, Reimar Holzinger, Franz 
Winterer, Helga Maier, Theo Maier, Gerda Neudecker, Peter Ulrich Lehner, 
Ursula Knittler-Lux, Rudi Schmid, Klaus Kucharz, Alfred Kohlbacher, 
Alfred Heinrich, Werner J. Gruener, Traude Mayer, Juergen Hirsch*
Kontakt: http://www.initsoz.org
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> Neue EU-Vertrag-Tips
Eine aus den diversen Entschliessungen privat erstellte konsolidierte, 
sprich: lesbare Fassung des EU-Vertrags auf dem Stand des letzten Gipfels 
findet sich unter
http://www.reformvertrag2007.eu
Nicht enthalten sind dabei allerdings Praeambel, Protokolle und Erklaerungen 
des EU-Reformvertrages. Die koennen runtergeladen werden unter
http://www.consilium.europa.eu/cms3_fo/showPage.asp?id=1317&lang=de&mode=g
Eine rechtliche Analyse von ao.Univ.Prof. Adrian Hollaender, die zum Schluss 
kommt, dass der EU-Vertrag in einem Ausmass in oesterreichisches Recht 
eingreift, dass eine Beschlussfassung ohne Volksabstimmung vor dem VfGH eine 
eklatante Rechtsunsicherheit ob ihrer Gueltigkeit erzeugen wuerde, findet 
sich unter:
http://www.efcr.at/tmp_de/files/111.pdf
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