**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. November 2007; 22:13
**********************************************************
Energie/Politik:
> Quelle der Aggression
Kann aus einem Oligopol eine fortschrittliche Organisation werden? Eine 
Nachbetrachtung zum 3. OPEC-Gipfel im saudiarabischen Riad.
*
Alle Mikrofone waren ausgerichtet und alle Kameras angeschaltet, als Hugo 
Chávez am Samstag den dritten Gipfel der Organisation erdoelexportierender 
Staaten (OPEC) im saudiarabischen Riad einleitete. Die Eroeffnungsrede, die 
Chávez als Gastgeber des letzten Gipfels zukam, versprach, politisch brisant 
zu werden. Seit seiner Wahl Ende 1998 setzt der venezolanische Staatschef 
immerhin alles daran, dem 1960 gegruendeten Handelsoligopol eine politische 
Ausrichtung zu geben. Der Konflikt war schon deswegen vorprogrammiert, denn 
der Grossteil der 13 Mitgliedsstaaten steht den USA als fuehrenden 
Industrienation nahe. Dabei hat das Ringen um die kuenftige Linie der OPEC 
hat enorme Bedeutung: Ihre Mitglieder kontrollieren 40 Prozent der weltweit 
nachgewiesenen Erdoelvorkommen.
Diese Ressource, erklaerte Chávez schon zu Beginn des Gipfels, »ist die 
Quelle aller Aggression«. Nicht direkt, aber unterschwellig sei der Kampf um 
das Erdoel fuer die Kriege in Irak und Afghanistan verantwortlich. Sollte 
Washington so »verrueckt« sein, Iran oder gar sein eigenes Land anzugreifen, 
koennte der Oelpreis nicht nur die gefuerchtete 100-Dollar-Marke pro Barrel 
(159 Liter) durchbrechen. Er wuerde auf mehr als 200 US-Dollar klettern, 
prophezeite Chávez. Mit der politisch brisanten Eroeffnung wandte er sich 
direkt gegen die Position des Gastgebers, des saudischen Herrschers 
Abdallah, der in der OPEC nichts weiter als einen Garanten fuer die 
Versorgung der Industriestaaten sieht, allen voran der USA. In seiner 
Entgegnung forderte der Monarch von der OPEC dann auch den »Schutz des 
Weltmarktes« ein, wo sie »unerwartete Stoerungen des Oelpreises« 
entgegenwirken sollte.
Die Auseinandersetzung zwischen dem suedamerikanischen Sozialisten und dem 
saudischen Autokraten bestimmte das Treffen - und war zugleich Ausdruck 
eines tiefergreifenden Konfliktes in der Erdoelorganisation. Natuerlich ist 
die OPEC eine politische Organisa-tion, denn auch die von den US-alliierten 
Saudis verfochtene Beschraenkung auf eine reine Marktpolitik entspricht 
politischen Interessen, wenn auch nicht denen Venezuelas. Chávez' 
provokativer Auftritt - bei dem er sich vor Gastgeber Abdallah, der auf 
seinen Beinamen »Hueter der heiligen Staetten des Islam« Wert legt - 
mehrfach bekreuzigte und auf Jesus Bezug nahm, raeumte jeden Zweifel daran 
aus, dass der Suedamerikaner den Konflikt sucht.
Spannender als das symbolische Kraeftemessen auf dem zweitaegigen Gipfel war 
daher die neue Buendnispolitik der progressiven Staaten um Venezuela. Sie 
treten dafuer ein, Erdoel zur Entwicklung der Foerderstaaten zu nutzen und 
mittelfristig einen fairen Ausgleich zwischen Produzenten und Konsumenten zu 
erreichen.
Kaum Beachtung fand in den Medien vor diesem Hintergrund der Wiedereintritt 
des links regierten Ecuador. Der suedamerikanische Staat war 1992 aus der 
OPEC ausgetreten. Damals wurde der Schritt darauf zurueckgefuehrt, dass 
Quito seine Beitraege nicht mehr zahlen konnte. Inoffizielle Versionen, nach 
der die USA die Regierung des Andenstaates zu einem Austritt aus der OPEC 
gedraengt haben, um die ungenehme Organisation zu schwaechen, konnten nie 
ausgeraeumt werden. Umso furioser war nun die Rueckkehr des Landes, das kurz 
vor der dritten Riad-Konferenz wierder in die OPEC eingetreten war. Auch der 
amtierende Praesident Ecuadors, Rafael Correa, trat dafuer ein, »die 
geopolitische Rolle« der Erdoelorganisation zu staerken. Den politischen 
Charakter der OPEC zu leugnen »hiesse, vor der Realitaet die Augen zu 
veschliessen«, sagte Correa, der sich mit Chávez Positionierung »zu 
einhundert Prozent einverstanden« erklaerte. »Wir brauchen eine politische 
Vision fuer eine adaequate oeffentliche Politik, fuer ein adaequates 
gemeinsames Vorgehen und um unsere strategischen Ressourcen wie Erdoel 
adaequat zu verwalten«, so Correa in der ersten Stellungnahmre seines Landes 
seit 15 Jahren. Indirekt sprach sich der suedamerikanische Staatschef und 
Wirtschaftswissenschaftler auch fuer eine Abkehr vom US-Dollar als 
Leitwaehrung fuer die Organisation aus. Wenn die erdoelexportierenden 
Staaten weiter auf einen immer schwaecher werdenden US-Dollar 
setzten, »bedeutet das nichts anderes als ein Transfer unserer Reichtuemer 
in die Staaten mit stabilen Devisenwaehrungen«.
Zuvor hatten sich auch andere OPEC-Mitgliedsstaaten besorgt ueber den 
Wertverfall des US-Dollars geaeussert. Wegen dessen Schwaeche verlieren die 
Oelstaaten effektiv Geld bei internationalen Geschaeften. Der iranische 
Praesident Mahmud Ahmadinedschad formulierte die Frage, die sich viele 
Teilnehmer stellten, besonders krass: »Sie kriegen unser Oel, und sie geben 
uns dafuer ein wertloses Stueck Papier«.
In das Abschlussdokument fanden all diese Diskussionen keinen Eingang. Auf 
Draengen der saudischen Gastgeber hiess es in der Erklaerung von Riad 
lediglich, man werde den Weltmarkt »zuverlaessig und ausreichend« mit Oel 
beliefern. Das Kraeftemessen zwischen den beiden Lagern in der OPEC wurde 
damit noch einmal zugunsten der Kraefte entschieden, die den USA und den 
uebrigen Industriestaaten nahestehen. Doch das koennte sich aendern: Am 
Rande des Gipfels fuehrte Hugo Chávez zahlreiche Gespraeche mit bislang 
unentschiedenen Mitgliedsstaaten. Mit Algerien und Angola wurden 
wirtschaftliche Kooperationsabkommen unterzeichnet. Beides sind Staaten, die 
auf eine starke antikoloniale Tradition zurueckblicken. Sie stehen Caracas 
damit naeher als Riad - oder gar Washington.
(Harald Neuber/DAZ/bearb.)
Quelle: 
http://dieanderezeitung.at/index.php?option=com_content&task=view&id=1378&Itemid=80
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen 
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht 
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck 
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete 
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von 
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine 
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als 
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann 
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin