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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. November 2007; 18:45
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Briefe aus Cabo Verde:

> Eine Gruene auf Kap Verde

Petra Sassmann absolviert gerade ein Praktikum bei einem Verein in Kap Verde
(Westafrika), der sich auf die Unterstuetzung und Foerderung von Kindern und
Jugendlichen spezialisiert hat. Wir bringen in lockerer Folge ihre Briefe
nach Europa.


Also mal abgesehen von der Armut und ihren diversen sozialen Auswirkungen,
dem weit verbreitetem Alkoholismus, der Landflucht, steter Emigration, der
extrem junge Bevoelkerung und ihren Schwierigkeiten an Bildung zu kommen,
dem emigrationsbedingten "Maennermangel" (wenn's so was ueberhaupt gibt!)
sowie der hohen Arbeitslosigkeitsrate, macht die Stromproduktion in Kap
Verde mir sehr grosse Sorgen. Ein Dieselkraftwerk steht malerisch in der
Landschaft und verdirbt den Blick aufs Meer. Es sind so 40.000 Liter die
taeglich (nur fuer Tarrafal) in die Luft geblasen werden. DAS ist Wahnsinn!
Die junge Republik deckt ihren Energiebedarf zu zwei Dritteln mit
importiertem Erdoel, zu dreissig Prozent aus Feuerholz, anderer Biomasse
sowie zu zwei Prozent aus Windkraft. Zwei Prozent! Und das obwohl es sich
hier um guenstig im Passat gelegene Inseln handelt! Direkt vor dem Centro,
neben dem Dieselkraftwerk steht ein kaputtes Windrad. Es ist Zeuge der
verfehlten, unueberlegten "Entwicklungshilfe" Daenemarks. Das Ding ist schon
vor Jahren kaputt gegangen, und nicht nur dass fuer diese moderne
Technologie hier weder Werkzeug, noch Fachpersonal und schon gar keine
Ersatzteile gibt - ist der einzige Kran der zur Reparatur des Windrades
geeignet ist, vor Jahren auf einem Schiff vor Fogo gesunken. Und seit dem
steht es da. Danke Daenemark!

Und dass es in ganz Tarrafal nur ca. drei Muelltonnen gibt ist untragbar,
die Leute wuerden sie eh benutzen, aber es gibt einfach zu wenige! Alles
andere (Papier, Metall, Glas, Plastik...) wird ungetrennt entweder irgendwo
hingeschmissen, oder in einem der wenigen Mistkuebel entsorgt. Die Versuche
der Regierung die Menschen auf das Muellproblem zu sensibilisieren,
reduzieren sich auf Umwelttage, an denen die wichtigste Botschaft ist:
schmeiss keinen Muell auf die Strasse. Liebe Leute dass ist einfach zu
wenig! Und dass Laender wie Holland gerne ihre Butterdosen hierher
exportieren, sich aber einen Scheiss um die Entsorgung kuemmern - die hier
auf Grund mangelnder Infrastruktur einfach noch nicht moeglich ist - macht
mich krank.

Ein Drittel der Bevoelkerung arbeitet als Subsistenzbauern, das bedeutet
dass ihre wirtschaftliche Leistung der Selbstversorgung dient und auf die
Deckung des Eigenbedarfs ausgerichtet ist. Sie bauen auf teilweise sehr
kleinen Flaechen Mais, Suesskartoffeln, Kartoffeln, Maniok, Huelsenfruechte
und Gemuese an. Abgesehen vom sehr ungleichen Besitzsystem ist die
Uebernutzung von kultivierbarem Land unglaublich problematisch. Aufgrund der
exzessiven Erbteilung und der damit verbundenen grossen Anzahl von nur
ineffizient zu bearbeitenden Kleinstparzellen - sind diese auch teilweise
kaum mehr ausreichend um eine Familie zu ernaehren. Selbst in guten
Erntejahren muessen drei Viertel des Nahrungsmittelbedarfs importiert werden
also zum Teil Nahrungsmittelhilfe aus den USA und der EU und der Rest aus
Laendern, welche ohne Zweifel am Export nach Kap Verde ganz gut verdienen.

Wie waer`s mal ein bissl einem weltweiten Verantwortungsgefuehl? Mir bringen
die tausend Metall-Glas-Bio-wasweissich Container in Wien herzlich wenig,
wenn den Menschen hier nicht geholfen wird, ihren Muell fachgerecht zu
entsorgen - denn der liegt ja auch auf meiner Welt rum. Immerhin schwimmt
die durchschnittliche OesterreicherIn zumindest ein mal pro Jahr im
Atlantik, oder nicht? Saubere Parkanlagen in der Brigittenau sind ja ganz
schoen, aber ist es nicht bedenklich dass die gesamte (!) Meeresoberflaeche
mittlerweile mit mikroskopisch kleinen Plastikpartikeln bedeckt ist? Oder
90% der grossen, essbaren Fische bereits ausgerottet wurden? Wie kurzsichtig
ist die erste Welt eigentlich? Ist es nicht an der Zeit - wenn schon nicht
als Wiedergutmachung fuer Ausbeutung, Versklavung und Unrecht - dann
wenigstens aus Interesse am weiteren Bestehen dieses Planeten - Laendern wie
diesem ALLES zu finanzieren was sie brauchen, um die Muell-Lawine
einzudaemmen? Denn solche Investitionen von einem Land wie Kap Verde zu
erwarten, ist angesichts der herrschenden Armut nicht nur naiv sondern
schlicht unverschaemt.

Baeume fallen Strassen oder Haeusern zum Opfer, auch wenn sie nur am Rand
stehen und ganz oft ohne ersichtlichen Grund. Darauf angesprochen reagieren
die faellenden Menschen mit Bedauern und meinen, dass sie nur auf
Anweisungen handeln - irgendwer hat sich ueber den Baum beim Buergermeister
beschwert, und weg ist er...die Menschen muessen unbedingt sensibilisiert
werden wie wichtig die Baeume sind. Vor allem weil sich das soziale Leben
unter Tag als auch in der Nacht zum Grossteil unter und um die
schattenspendenden grossen Baeume abspielt. Als man einmal einen sehr alten
Baum faellen wollte, ist das Vorhaben ausnahmsweise an der Initiative einer
alten Frau gescheitert. Sie meinte, sie wuerde nicht zulassen dass der Baum
gefaellt wird unter dem sie schon seit fuenfzig Jahren taeglich sitzt. Sie
war echt vehement in ihrer Forderung und allen Argumenten ziemlich
uneinsichtig gegenueber, und siehe da: der Baum steht nach wie vor.

Mit der schon erschwerten Ausgangslage Kap Verdes im Sahel-Guertel und
wenigen bzw. unregelmaessigen Regenfaellen sind die Inseln von Versteppung,
Erosion und Dezimierung der ohnehin nicht artenreichen Tierwelt bedroht. Vor
der Besiedelung der Portugiesen mit afrikanischen Sklaven um 1460 hatte die
Inselgruppe noch einen reichen Waldbestand, der durch die Kolonialmacht fast
gaenzlich abgeholzt wurde. 1975 - dem Jahr der Unabhaengigkeit Kap Verdes -
waren nur mehr 1% der Gesamtflaeche mit Wald bedeckt. Dank eines
umfangreichen Aufforstungsprogrammen waren 1991 bereits 16 % der
Gesamtflaeche wiederaufgeforstet. Weitere 2 Millionen Baeume wurden danach
mit Unterstuetzung der EU gesetzt. Dass groesste Problem der Inseln, die
Wasserversorgung, soll durch die Aufforstung erleichtert werden.

Dass sich die Menschen frueher - und auch mittlerweile verbotenerweise -
heute am Sand des Strandes fuer den Hausbau bedienen ist angesichts der
angespannten finanziellen Situation der meisten Familien nachvollziehbar,
aber oekologisch gesehen mehr als bedenklich. Viele Straende (vor allem die
seltenen schwarzen) sind so schon verschwunden, und den Berichten
Einheimischer zufolge, ist der Strand Tarrafals in den letzten 20 Jahren um
ein Drittel geschrumpft. Sand ist nicht nur zum Burgen bauen super, ein
Sandkorn ist ein kleiner Mikrokosmos besiedelt von Bakterien und Algen.
Einige der Bakterien sind von besonderem Wert fuer die Selbstreinigungskraft
des Meeres und des Strandes. Von den anderen bald obdachlosen Bewohnern oder
Nutzern wie Schildkroeten und Krabben will ich gar nicht erst anfangen.
Trotzdem, oft zeugen verraeterische Loecher im Sand von den naechtlichen
Aktivitaeten Einheimischer.


Quellen: u.a. OeFSE Laenderprofil Kap Verde (2003) Umwelt und ihre
Gefaehrdung - Basisdaten; Prescott-Allen, The wellbeing of Nations, 2001;
UNDP, Human Development Report 2000, New York; Forschungsarbeiten zur
Lueckenfauna von der Aussenstelle des Alfred-Wegener-Instituts in List;
www.wikipedia.de; www.auswaertiges-amt.de; Munzinger-Archiv/IH-Laender
aktuell: Kap Verde 2001



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