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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 6. November 2007; 18:20
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Briefe aus Cabo Verde:
> Das gruene Kap, das keines ist
Petra Sassmann absolviert gerade ein Praktikum bei einem Verein in Kap Verde 
(Westafrika), der sich auf die Unterstuetzung und Foerderung von Kindern und 
Jugendlichen spezialisiert hat. Wir bringen in lockerer Folge ihre Briefe 
nach Europa.
*
Meine Kleider kleben mir am Leib als ich in Praia (Rep. Kap Verde, 
Westafrika, Insel Santiago) aus dem Flugzeug steige, Luftfeuchtigkeit 
gefuehlte 200% (klar, Regenzeit), die naechste Sorge ist: kommt mein Gepaeck 
an? Jaaaaaa, nach nur 45 Minuten gespannten Wartens hab ich meinen Rucksack 
UND meine Tasche wieder, beides ganz!!! Yeah! Ok, mich muessten Fu und Jenny 
(meine zukuenftigen MitbewohnerInnen) abholen...aber ich sehe keine Weissen am 
Ausgang, und stell mich mal raus und rauch eine. Da tauchen zwei junge 
Schwarze mit einem A4 Zettel auf, auf dem mein Name (und zwar total korrekt 
geschrieben) steht, ich sag: ja! Und sie lachen (ja heisst 
ueberraschenderweise ja auf Umgangskreol), bringen mich zu einem mehr als 
schrottreifen Bus (hinten offen mit zwei Reihen Sitzbaenken - so wie die 
Bundesheerbusse), ok, ich bin gerettet. Wir fahren durch Praia durch, und 
mein Gedanke ist, dass ich in dieser Stadt ganz sicher nie nachts alleine 
unterwegs sein werde. An den Strassen stehen Prostituierte mit ihren 
Zuhaeltern, die Strassen sind mit Dreck uebersaet, die Atmosphaere hatte 
etwas Trostloses, Gefaehrliches (sehr subjektiv, ich gebe Praia sicher noch 
eine Chance, aber ich war eben sehr muede) und als wir ueber eine Bruecke 
fahren, riecht es wie in einer Kloake, na ja - mit so was rechnet man eh, 
aber trotzdem ist das sehr ungewohnt fuer Auge und Nase. Ich bin noch sehr 
erstaunt ueber die schoen asphaltierte Strasse als diese dann relativ rasch 
in eine Schotterstrasse uebergeht. Wir kriechen so mit etwa 30 km/h dahin, 
weil's dunkel, sehr uneben, steil, kurvig - und oben angekommen - sehr 
neblig ist. Ich bin so muede, dass ich trotz der Schuetteltrauma-Fahrt 
mehrmals einschlafe. Schade, denn die Kulisse (soweit man was sehen kann) 
ist unglaublich. Das Gebirge innerhalb der Insel ist sehr hoch, das 
Karstmassiv eingehuellt in blauen Nebel...sehr entrisch! Florian und Marisa 
(die GruenderInnnen des Vereins Delta Cultura und die OrganisatorInnen des 
Kinder- und Jugendzentrums) kommen uns gleich am naechsten Tag besuchen - 
und mich begruessen, gemeinsam fahren wir dann ins Centro. Mir war zwar 
freigestellt mitzukommen, ueberhaupt haben sie mir quasi eine Woche frei 
gegeben um mich zu akklimatisieren. Ich habe aber den Eindruck mir wuerde 
bald langweilig werden so ohne Aufgabe - mein Terminkalender ist leer, DAS 
nenn ich einen Kulturschock - und Florian und ich setzen uns dann mal 
zusammen, und meine Aufgabe hier zu besprechen. Neben der Teilnahme an 
etlichen Projekten und diversen Angeboten fuer Tarrafals Kinder und 
Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien, besteht fuer diese 
natuerlich immer die Moeglichkeit sich im Centro aufzuhalten. Das Team tut 
was es kann, um ihnen in jeder Lebenslage zu helfen, dazu gehoert aber nicht 
nur persoenliches, und zum groessten Teil ehrenamtliches Engagement, sondern 
auch simple Dinge wie z.B. den Strom zu bezahlen.
Insgesamt ist aus dem Projektteam auch ein bisschen die Luft raus, weil die 
Gelder aus Deutschland im Maerz versiegt sind, und alle schon ziemlich 
ausgebrannt sind. Ich werde also irgendwie SponsorInnen suchen, eine 
Musikschule organisieren, und eventuell eine Zeitung machen...und so ein paar 
andere Sachen, bin echt schon gespannt. Ein Betrag von mir koennte ein Buch 
mit Bildern von den Kindern im Centro sein. Ich hatte da die (geklaute) 
Idee, den Kindern eine Einwegkamera in die Hand zu druecken, um ihnen die 
Moeglichkeit zu geben, ihren Alltag aus der eigenen Perspektive zu 
fotografieren, und die so entstandenen Bilder in Buchform herauszugeben. 
Diverse Blickwinkel, Informationen und Impressionen ueber das Alltagsleben 
der Kinder Santiagos, die der Welt ansonsten nie zugaenglich wuerden.
Dann bei der Sitzung wie jeden Montag um 10:30 erklaeren alle, wo sie gerade 
dran sind, und was noch ausstaendig ist. Florian haette gern mal eine 
Europa-Tournee (Oesterreich, Schweiz, Deutschland) der Batucateiras 
organisiert - im Land jeweils wuerden wir Unterstuetzung bekommen, aber wer 
soll die Flugkosten uebernehmen? Ich bin an der Musikschule dran (und am 
Instrumente Bastelkurs) und am Fundraising, am Buch Projekt, suche eine 
VertreterIn in Wien,... dann das Meeting zum Fundraising. Erst mal muss 
erhoben werden, wer, wann, wo schon mal wen angeschrieben hat - damit nicht 
doppelt gearbeitet wird. Es wurde auch gebrainstormt, wer was spenden 
koennte (Geld, Fussballdinge, Computer, Wegwerfkameras...). Dann musste ein 
kurzer Text verfasst werden, und ein laengerer Begleittext. Das groesste 
Problem zur Zeit sind die Betriebskosten. Niemand will uns da helfen. Die 
Gemeinde zahlt da nichts (auch weil sie schlicht kein Geld haben), und alle 
anderen potentiellen helfenden Organisationen foerdern nur Projekte, keine 
Betriebskosten. Aber wenn wir weder Strom, noch Internet, noch Wasser, 
Trainer oder das Auto zahlen koennen, gibt's auch keine Projekte. Fast alle 
arbeiten hier ehrenamtlich. Ich hab bei einem Meeting Florian die Idee mit 
den Musikinstrumenten erzaehlt (aus Abfall selber basteln), das hat ihm 
gefallen, ansonsten bin noch immer beim Antrag fuer Mikroprojekte der ADA - 
nicht zu fassen, was die alles wissen wollen...fuer unglaubliche 5000.- 
Foerderung fuer die Musikschule. Der Informatikkurs hat nach der Sommerpause 
auch schon wieder angefangen. Die groesste Schwierigkeit ist, die 
Jugendlichen mit den unterschiedlichsten Niveaus in einer Klasse 
gleichzeitig weiterzubringen.
Ueber das taegliche Leben gibt es auch eine Menge zu berichten. Fangen wir 
mit dem Wichtigsten an: dem Wasser - im Landesinneren gibt es Grundwasser, 
welches auch desinfiziert wird, der Tankwagen holt das und verteilt es in 
die Tanks auf den Haeusern, oder die Haeuser sind mit dem Wassernetz 
verbunden. Das Wasser an und fuer sich waere wahrscheinlich zu trinken, aber 
man weiss ja nicht, was so alles in den Tanks ist. Also besser 
Wasserflaschen - auch zum Zaehneputzen! Hunde gibt's Tausende, einerseits 
viele Streuner, auch in Rudeln, (aber die haben gluecklicherweise echt Angst 
vor Menschen, weil die Leute hier gerne Steine nach ihnen werfen), 
andererseits besitzen Viele auch zumindest einen als lebende Alarmanlagen.
Ansonsten sieht man Kuehe, Schafe und Ziegen, frei rumlaufen oder angebunden 
vor den Haeusern, und Schweine sowie Huehner rumstreunen, ab vier Uhr frueh 
kraehen Haehne - und hoeren dann nie wieder auf. Kleingetier natuerlich 
auch: Froesche, riesige Tausendfuessler, Monsterkakerlaken, Stinkkaefer, 
Heuschrecken, boese, kleine rote Ameisen...aber bei uns im Haus ist es relativ 
ungezieferfrei.
Das Familien- und Beziehungsleben gestaltet sich auch etwas anders als 
gewohnt. Die Maenner haben zwar immer mehrere Freundinnen/ Frauen, aber die 
Frauen haben auch immer Kinder von so im Schnitt vier Maennern. Mehr Vaeter 
= mehr Unterhalt. Die Maedels werden hier nicht selten mit vierzehn zum 
ersten Mal Muetter. Es gibt einen hohen Frauenanteil in der Bevoelkerung, 
weil die Maenner oft weggehen um zu arbeiten. Uebrig bleiben hart 
arbeitende, aber selbstbestimmte Frauen mit vielen Kindern. Der 
Familienverband ist wichtig, wird hoch geschaetzt - Kinder sind eine sichere 
Altersvorsorge.
Auch die gewohnt sichere Stromversorgung erlebt mensch hier in einer 
gaenzlich anderen Form. An einem Tag waren wir statt im Buero am Strand, 
weil eine Reparatur im Elektrizitaetswerk (Dieselbetrieben, das Windrad 
daneben ist seit Jahren ausser Betrieb, der einzige Kran zur Reparatur auf 
der Insel kann naemlich nur mit einem bestimmten Schiff transportiert 
werden, welches vor Jahren nahe Fogo gesunken ist) die ganze Stadt stromlos 
gemacht hat. Dabei muss ich noch anmerken, dass es im Spital von Tarrafal 
nach wie vor keinen Generator gibt, bei Notfaellen gehen sie in ein Hotel 
und schliessen die Maschinen eben dort an. Florian hat mehrmals angeboten, 
einen Generator aus Praia zu besorgen, aber irgendwie war die Resonanz nicht 
allzu euphorisch, schon interessiert - die LeiterInnen sind dem aber nie 
aktiv nachgegangen. Bei Stromausfall gibt's auch kein Wasser, weil dann die 
Pumpe nicht geht, die das Wasser in die Tanks auf den Haeuserdaechern pumpt. 
Wenn es Strom gibt, bekommen wir jeden zweiten, dritten Tag Wasser - oder 
auch nicht. Jenny und Fu haben vorsorglich eine Tonne Wasser fuers Klo im 
Lichthof, und viele Flaschen fuer alles andere mit Leitungswasser 
abgefuellt. Tja, Erfahrung! Fu war ganz beeindruckt, als ich mir eines 
Abends in aller Ruhe eine fuenf Zentimeter Kakerlake vom Arm geschnipst hab, 
die auf mir gelandet ist beim Essen. Anfangs waer er durchgedreht, hat er 
erzaehlt. Nicht immer duschen zu koennen, kein Warmwasser zu haben, immer zu 
schwitzen, macht mir nicht allzu viel aus. Dazwischen faellt immer wieder 
mal der Strom aus, und dann kochen, essen und spuelen wir halt bei 
Kerzenlicht (bzw. bei Petroleumlampenlicht), die Menschen hier nehmens echt 
locker - und ich inzwischen auch.
Zum Essen: ich hab auch vor Kap Verde fast nie Fisch aus Meeren 
gegessen...auch weil`s einfach nicht notwendig ist. Aber der Fisch hier ist 
von der lokalen Bevoelkerung gefangen, und daher auch fuer mich vertretbar 
zu essen. Hauptnahrungsmittel ist Fisch, Mais, Reis, Bohnen und 
Suesskartoffeln. Gekocht wird entweder Fisch (Thunfisch, Saegefisch, 
Garopa...), Bohneneintopf (Katchupa oder Kongu), Hendl-, Rind- und 
Schweinefleisch mit Reis (und fallweise Pommes) einer letscho-aehnlichen 
Sauce (Modju) und manchmal Karottensalat eventuell mit Gurken, Tomaten und 
Kohl. Schildkroeten hab ich hier noch gar keine gesehen (legen ihre Eier 
woanders...am Ponte de Atum oder so), aber nachdem was ich so erfahren hab, 
sind die Viecher inzwischen unter Artenschutz, was manche Menschen auch 
nicht aufhaelt. ICH wuerde natuerlich nie eine essen! Viel mehr Sorgen macht 
mir die Stromproduktion...mit einem Dieselkraftwerk. Das sind so 40.000 
Liter die taeglich (nur fuer Tarrafal) in die Luft geblasen werden. DAS ist 
Wahnsinn! Und dass es in ganz Tarrafal nur ca. drei Muelltonnen gibt, die 
Leute wuerden sie eh benutzen, aber es gibt einfach zu wenige! Deckel 
sollten die auch haben, denn die Hunde und Katzen machen sich in der Nacht 
ueber den Abfall her, und alles verteilt sich gleichmaessig ueber die 
Strassen...und irgendwann landet dann alles im Meer. Baeume (die hier nicht 
allzu oft rum stehen) fallen in sekundenschnelle Strassen zum Opfer, auch 
wenn sie nur am Rand stehen (und ganz oft ohne ersichtlichen Grund)...die 
Menschen muessen unbedingt sensibilisiert werden, wie wichtig die Baeume 
fuer ihre Lebensqualitaet sind.
Noch was zum Stromausfall: Der Grund warum wir alle (die ganze Insel) die 
letzten Tage keinen Strom hatte liest sich wie eine Geschichte aus einer 
Bananenrepublik: Die Regierung hatte kein Geld mehr weiteren Diesel zu 
bezahlen!!! Irgendwie haben sie das aber geloest, und zwar ueberraschend 
schnell. Naja, wenn mal die Hauptstadt keinen Strom hat, dann ist echt Feuer 
am Dach! Gaaaanz schlecht fuer die Regierung.
An einem Abend, als die SchuelerInnen mit dem Delta abgeholt wurden, sind 
wir gleich mitgefahren, schnell nach Hause, umziehen und ab in die Bar. Ich 
hab Kongu (Bohneneintopf) mit Reis und gemischtem Salat gegessen. Der Kongu 
ist so saettigend, dass ich gerade mal fuenf Bissen geschafft hab - mehr 
ging nicht. Am Nebentisch waren drei junge Burschen, und Kita, die 
Kellnerin, hat gefragt ob sie den Rest essen wollen, ja, wollten sie. Ich 
haette mich nie fragen getraut...waere in Europa eine Beleidigung. Aber das 
ist hier sowieso ganz anders. Wenn du jemandem etwas anbieten willst, fragst 
du nicht ob er/sie auch was will. Du sagst, los, komm essen, oder: nimm! 
Wenn du bei einer (irgendeiner fremden) Familie vorbeikommst, die gerade 
isst, wirst du eingeladen mitzuessen. Das gehoert einfach zum guten Ton. 
Essen in der Oeffentlichkeit, ohne etwas anzubieten, gilt als unhoeflich. 
Und wenn du mal mit einem Sack Aepfeln durch die Strassen gehst, wirst du 
von Kindern auch prompt gefragt, ob du ihnen einen abgibst. Waehrend wir da 
so sassen, sahen wir das Auto des Buergermeisters, und einige Leute, die vor 
dem Haus auf ihn warteten (weil er keine Sprechstunden mehr hat, also fangen 
ihn die Leute ab, wo sie koennen). Als er rauskam ist der Florian sofort 
hingestuermt um ihn endlich auf die (seit Jahren) versprochenen 
Unterstuetzung hin anzusprechen. Er hat auch irgendwas erzaehlt von einem 
Termin den Ma angeblich nicht eingehalten hat (seit Monaten versucht Florian 
einen Termin bei ihm zu bekommen) und dann: morgen, Termin um 10.00 Uhr, wir 
sind alle sehr gespannt. Der Buergermeister hat dann sein Angebot zur 
Mithilfe aeusserst charmant entkraeftet. Und zwar mit dem 
Autonomie-Argument. Und wenn wir staatliche Foerderung wollen, muessen wir 
professionelle Ausbildung nach staatlichen Richtlinien anbieten - was 
bedeutet: Portugiesisch-, Mathematik- und sonstigen Unterricht und das geht 
an der Centro Philosophie etwas vorbei. Auch die Statuten muessten wir 
adaptieren, und etliche Funktionen besetzen, fuer die es keinen Bedarf gibt! 
Das ist halt alles sehr kompliziert! Ein wenig spaeter an dem Abend waren 
schon sehr viele Jungs aus dem Centro da, die auf den Beginn einer 
Geburtstagsparty gewartet haben (passiert hier nicht vor zwoelf) und als 
dann ein Typ mit Gitarre kam, einer mit Mundharmonika und einer mit einer 
Eisenstange inkl. Loeffel, ging unsere eigene Party in der Bar los. Sie 
sangen zusammen, jede/r hat sich irgendwie an der Musik beteiligt, entweder 
geklatscht, oder getrommelt oder sonst was. Die Stimmung war genial. 
Ausserdem gab es an diesem Tag wieder ein Match, das "wir" (also die Jungs 
aus der Fussballschule) gewonnen haben, und zwar gegen die staerkste 
Mannschaft Santiagos.
An einem anderen Tag begleiteten wir die kleinen Batucateiras zu einem 
Auftritt. Die Maedchen sind zwischen 3 und 11 Jahre alt und werden die 
"fidjas de Delta Cultura" genannt - die Kinder Delta Culturas. Sie sind die 
Mini Batucateiras, diese Form des Tanzes und des Trommelns hat zwar 
afrikanische Wurzeln, aber entstanden ist Batuco auf Santiago. Das Tuch um 
die Huefte der Maedchen soll die Fesseln der damaligen Sklavinnen 
symbolisieren, und am Ende der Vorstellung faellt das Tuch von der Saengerin 
ab. Dieser Tanz wird nur von Frauen getanzt. Und waehrend der Vorstellung 
beteiligen sich alle umstehenden Frauen mit Rufen, sie klatschen und jubeln. 
Eine grossartige Vorstellung. Unsere Kleinen wurden von den Nachwuchs 
Batucateiras dieses Ortes eingeladen, um ihr einjaehriges Bestehen zu 
feiern. Als wir zu Marisa (sie trainiert die Grossen und die Kleinen bis zu 
drei mal die Woche) kamen, waren alle Maedchen schon im Auto, wir sind 
reingesprungen, und die Maedels haben sofort begonnen zu singen und zu 
trommeln. Was fuer eine nette Fahrt, diesmal ein bisserl ins Landesinnere, 
in ein Dorf dessen Namen ich natuerlich wieder vergessen hab. Die Landschaft 
wie immer unglaublich. Nur noch gruener. Als wir ankamen (so um drei, die 
Einladung war fuer zehn am Vormittag!) wurden endlos Reden gehalten, dann 
einigen Frauen gelbe Schleifen feierlich ueberreicht (Florian meint es 
handelt sich hierbei um Andenken!?) und wieder endlos geredet und dazwischen 
Musik gespielt. Die Euphorie der Maedels liess nach Stunden endlosen Wartens 
deutlich nach. Unsere auch. Dann bewegte sich endlich was, und die Maedchen 
und wir wurden in eine Schulklasse gebeten (die Feier fand im Schulhof der 
lokalen Volksschule statt) wo eine Tafel mit koestlichem Essen auf uns 
wartete. Es gab weisse Bohnen, eine Art Suppe mit zu Tode gekochten 
Hoernchennudeln, Maisgriess, Reis, eine Art Kohlsuppe (grosse gruene 
Blaetter mit dicken Staengeln dran) mit Kartoffeln und Fleisch (Kutteln!). 
Nach dem Essen hiess es wieder warten. Dann noch ein, zwei Reden, und die 
erste Gruppe (schon aelterer) Maedchen legte los. Unglaublich was die mit 
ihren Hueften anstellen, waehrend der Oberkoerper fast regungslos bleibt. 
Dann kamen endlich unsere Fidjas dran, ich glaub ich war aufgeregter als 
sie. Ich hab auf jeden Fall alles mitgefilmt und an die 300 Fotos gemacht, 
und war sehr, sehr stolz auf sie. Die nachfolgende Gruppe (sehr 
professionell, alle mit gleichen T-Shirts, mit Namen drauf, vorne vom Verein 
und hinten den Namen des Maedchens - uebrigens von Ma geklaut die Idee) 
konnten wir nur bis zur Haelfte sehen, weil es sonst zu spaet fuer unsere 
Fidjas geworden waere.
Und einmal hab ich Jenny und Fu nach Praia begleitet, allein die Aussicht 
auf der Fahrt dahin war die Reise wert! Die Kapverdischen Inseln sind 
vulkanischen Ursprungs, dass heisst ziemlich karstig, und mit rotbrauner (an 
und fuer sich fruchtbarer) Erde bedeckt. Es war frueher alles mit Waeldern 
bedeckt, nur haben die Portugiesen derart Raubbau betrieben, dass die Berge 
heute zum groessten Teil kahl sind, Erosion...Die Menschen bauen auf jedem 
Fleckchen Erde Mais oder Bohnen an, ist der Hang zu steil, so bauen sie 
Terrassen mit manchmal gerade mal 20 cm Breite. Es ist mittlerweile alles 
mit gruenem Flaum ueberzogen, aber wenn nicht bald wieder Regen kommt (die 
Regenzeit hat sich auch hier um einen Monat verschoben und es regnet nicht 
genug) sieht es schlecht aus mit der Ernte. Immerhin forstet die Regierung 
langsam wieder auf. Stellenweise hat mich die Landschaft hier an Neuseeland 
erinnert, dann wieder an die Alpen, dann an Irland - und Regenwald 
Abschnitte waren auch dabei. Wunderschoen, gewaltig, 
abwechslungsreich...Leider geben die Bilder* nicht einmal ansatzweise wieder, 
was ich da gesehen habe. Zwei Stunden spaeter: Von Praia sieht man anfangs 
nur die Favelas am Stadtrand, eine Bretterbude nach der anderen, 
zusammengedraengt am Fusse eines Berges, erinnert sehr an Bilder aus 
Brasilien. Die Haelfte der EinwohnerInnen konzentriert sich auf Santiago, 
die Hauptinsel mit der Hauptstadt Praia. Die Stadt ist voll mit Menschen, 
Autos, Dreck und Milliarden Fliegen. An jeder Ecke/Strasse stehen Menschen, 
die entweder was verkaufen, oder Geld wechseln, bin so viel Betrieb gar 
nicht mehr gewoehnt, und der Staub juckt mir in der Nase, es ist heiss, und 
ich habe Angst um meine Brieftasche und meine Kamera. Aber die Stadt ist 
aufregend, hat Atmosphaere und hat echt nette Plaetze und Ecken, kein 
Vergleich zu irgendeiner mir bekannten Stadt in Europa.
Eines Tages kam Marisa aus Praia mit ca. 20 Fussbaellen (6 Stueck fehlen, 
sind wohl beim Zoll als Schwund zu verzeichnen) von der Fifa angekommen. Die 
Freude war gross und die Kinder hysterisch aufgeregt!!! Im Moment ist ja wie 
erwaehnt Regenzeit. Die meisten nicht asphaltierten Strassen verwandeln sich 
in rote Schlamm-Meere, die Menschen gehen dann barfuss, die Kinder freuen 
sich und planschen herum oder duschen sich unter den Regenrinnen. Unsere 
Jungs haben trotz stroemenden Regens trainiert. Die Kinder hier, die haben's 
echt schoen...auch wenn's vielleicht nur ein paar subjektive, romantische 
Eindruecke sind: sie koennen den ganzen Tag frei draussen rumlaufen, sammeln 
sich in Rudeln und klettern auf Baeume, singen, tanzen und spielen 
miteinander. Sie bauen kleine Blechautos aus Abfall (Dosen, Baender, Raeder 
von den Mistkuebeln...) oder Seifenkisten bzw. Catcars und haben einen echt 
netten Umgang miteinander. Vor allem bei Geschwistern ist mir aufgefallen, 
dass zwar (wie ueberall) die Groesseren die Aufgabe haben auf die Kleineren 
aufzupassen, aber ich stelle kaum Rivalitaet fest. Der Umgang ist sehr 
liebevoll und zaertlich. Natuerlich gibt's auch Streitereien, aber mir 
kommen die Kinder hier viel entspannter vor. Sie haben auch viel mehr 
Freiheiten als in Europa, und alle in der Familie sind sehr zaertlich mit 
ihnen, spielen und singen, wiegen und unterhalten sie. Da gibt`s natuerlich 
auch Ausnahmen. Gleich ums Eck von uns lebt eine sehr arme Familie, Jenny 
und Fu erzaehlen, dass die ihre Kinder dreschen bis zum geht nicht mehr. Und 
gegenueber von der Bar lebt eine Familie, deren Mutter oefters spaet Abends 
sturzbetrunken heimkommt. Und dann geht's los. Vor ein paar Tagen sah ich 
sie reingehen, dann Laerm, Schreierei, und dann ging die Tuer wieder auf und 
ein kleines Maedchen und ein kleiner Bub kamen heraus, sie hielt sich den 
Ruecken, er den Bauch, mitten in der Nacht. Als wir heimgingen, so um ein 
Uhr, waren die Kinder immer noch nicht wieder da.
Zur Landflucht kommt also die stete Emigration, die extrem junge 
Bevoelkerung und der "Maennermangel" (wenn es so was ueberhaupt gibt), ueber 
bleiben die zum groessten Teil alleinerziehenden Frauen, die nicht nur den 
Haushalt mit im Schnitt 4 Kindern zu bewaeltigen haben, sondern auch die 
tragende Saeule fuer das Einkommen darstellen. Trotzdem - wenn man bedenkt 
dass das Durchschnittsalter hier 17 Jahre ist, und die Generation der 50-60 
Jaehrigen fast komplett fehlt (Hungersnot - Emigration) dann ist es schon 
interessant zu beobachten, wie sich diese junge Gemeinde organisiert. Und 
wenn man bedenkt wie viel Macht die Frauen hier haben, weil sie die 
Chefinnen zu Hause sind, den Haushalt organisieren, die Finanzen ueberwachen 
und trotzdem - wie auch das Nationalprodukt - von den Ueberweisungen der 
Verwandtschaft im Ausland abhaengig sind, dann versteht frau die lockere, 
entspannte, gemuetliche, teilweise phlegmatische Atmosphaere hier. Die 
Menschen sind sehr musikalisch, tanzen oft und gerne, lachen viel und nehmen 
Rueckschlaege mit bewundernswerter, stoischer Geduld und Gelassenheit. Der 
Katholizismus hat auch hier Einzug gehalten, aber die Menschen haben ihn 
einfach an ihr Leben angepasst und adaptiert, nicht umgekehrt. Ich hab hier 
noch nicht einmal Angst gehabt, weder in der Nacht, noch in irgendwelchen 
Situationen. Ich fuehl mich hier echt sicher. Obwohl, als Frau alleine 
nachts durch dunkle Strassen, am besten mit einer fetten Kamera um den Hals 
und das Geldboersel voll mit Geld - das ist nicht so schlau, aber das macht 
frau ja dann in manchen Gegenden Wiens auch nicht wirklich.
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