**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 6. November 2007; 18:12
**********************************************************
Deren Heer/Glosse:
> Umbenennen statt Abschaffen
Beobachtungen zur Veranstaltung "Wie (anti-)militaristisch sind die 
Positionen der Gruenen? Oder: Wie friedensbewegt sind die Gruenen noch?" mit 
Peter Pilz, Rosi Krenn (Arge Wehrdienstverweigerung), Birgit 
Meinhard-Schiebel (gruene Landessprecherin), Heinz Gaertner (Oest. Institut 
fuer Internationale Politik) am 23.Oktober
*
Anfang der 90er hatte Peter Pilz in einem profil-Interview erklaert, er 
waere gerne Verteidigungsminister und zwar moechte er der Letzte dieser 
Zunft sein, damit er das Bundesheer abschaffen koenne. Das ist lange her. 
Jetzt sitzt er da, auf einem Podium bei einer Diskussionsrunde und erklaert, 
dass die Abschaffung des Bundesheeres fast erreicht sei. Aussenfeinde gaebe 
es nicht mehr und mit dem Beitritt unserer oestlichen Nachbarn zum 
Schengen-Abkommen wuerde auch der Grenzeinsatz obsolet. Zwar straeube sich 
die Regierung da noch, doch sollte das Bundesheer noch laenger an der Grenze 
stehen, wuerden die Gruenen jedem Soldaten, der sich dem entziehen moechte, 
rechtlich beistehen, um die Sache vor den Verfassungsgerichthof zu bekommen. 
Mit dem Ende des Assistenzeinsatzen stuende dann einer Abschaffung des 
Bundesheeres nichts mehr im Wege.
Klingt ja wunderbar, denkt man sich, aber wovon redet Pilz da eigentlich? 
Wie kommt er auf die Idee, dass das Bundesheer abgeschafft wuerde? 
Oesterreich hat gerade erst neue Kampfflieger angeschafft und neue 
Bodenfahrzeuge bestellt, gerade Pilz sollte das doch gelaeufig sein...
Nun, Pilz meint da ein bisschen was anders, als das, was der Beobachter 
unter "Bundesheer" zu verstehen gewohnt ist. Er meint die Abschaffung der 
Wehrpflicht und des grossen stehenden Heeres zugunsten einer Beteiligung 
Oesterreichs am EU-Militarismus.
Allerdings nicht im Tschad, wie Pilz betont, denn oesterreichische Soldaten 
kennten sich ja in Afrika nicht aus, spraechen kein Franzoesisch und das 
oesterreichische Bundesheer haette auch keine brauchbaren 
Transportkapazitaeten. Aber im Kosovo, da waere nach dem 10.Dezember, dem 
Ende des UNO-Mandats, oesterreichisches Militaer gut brauchbar, zum Schutz 
der Menschen dort naemlich, denn da kennten sich oesterreichische 
Militaerstrategen und Geheimdienste gut aus. Heinz Gaertner, sicher kein 
Antimilitarist, wirft in die Diskussion ein, dass es wohl nicht gerade die 
beste Empfehlung fuer einen oesterreichen Einsatz sein koenne, dass man sich 
dort auskenne, weil oesterreichische Soldaten schon so oft Krieg in dieser 
Region gefuehrt haetten. Das uebergeht Pilz geflissentlich. Was er nicht 
uebergehen kann, ist der Anwurf Rosi Krenns, dass den Gruenen zur 
Beseitigung von Schaden, den Militaers angerichtet haben, immer nur wieder 
Militaer einfiele. Ihren Vorschlag, Pilz moege sich doch dafuer einsetzen, 
statt Soldaten mit demselben oekonomischen Aufwand dorthin Mediatoren von 
NGOs zu schicken, tat dieser damit ab, dass die Situation eben so verfahren 
sei, dass man dort jetzt eben Soldaten braeuchte und keine NGOs: "Welche 
Garantie kannst du mir geben, dass diese NGOs dort fuer Frieden sorgen 
koennen?" "Er hat recht", denkt sich der Beobachter, "Garantie gibt es 
keine. Aber fuer den Erfolg der Soldaten kann Pilz garantieren?"
Die antimilitarische Ehre der Gruenen rettete am Podium lediglich die neue 
Wiener Landessprecherin Birgit Meinhard-Schiebel, die nach wie vor zur 
Forderung stand, dass das Militaer ersatzlos abgeschafft werden muesste. 
Tatsaechlich unterstuetzen die Wiener Gruenen immer wieder 
antimilitaristische Initiativen. Doch der Beobachter ist trotzdem 
unzufrieden, denn die Landesgruenen tun sich da halt auch ein bisserl 
leicht -- sowohl "Verteidigungspolitik" als auch EU-Politik sind nunmal 
keine Bundeslaender- oder Kommunalthemen, also muessen sie dazu auch nie 
eine Presseaussendung machen. Und eine klare oeffentliche Stellungnahme 
gegen die Position des Parlamentsklubs ist nie zu vernehmen, da ist die 
Parteidisziplin vor. Wobei geruechteweise ja auch schon zu hoeren war, dass 
das letzte allgemein wahrnehmbare Signal, das die Wiener Gruenen jahrelang 
in schoener Regelmaessigkeit gegen den Militarismus gesetzt hatten, das 
Standel zum Nationalfeiertag am Heldenplatz, 2008 "aus Budgetgruenden" 
platzen koennte.
Sprachverwirrung
Doch zurueck zu diesem eigenartigen Abend. Im Vorfeld hatte der Beobachter 
den Verdacht, dass die Gruenen selbst nicht so ganz ueberzeugt waren, ob sie 
diese Diskussion fuehren sollten. Die Ankuendigung ging vorerst nur an 
gruene Internetverteiler und erst sehr spaet an einen groesseren 
Interessiertenkreis -- sollte das etwa eine reine 
Basisbeschwichtigungsveranstaltung werden? Sie wurde es dann doch nicht, 
denn Pilzens Verteidigung der EU-Battlegroups war klar und eindeutig. 
Beschwichtigung war aber auch gar nicht noetig, denn gekommen sind 
vielleicht 40 Leute. Eine Veranstaltung mit diesen Inhalten und vor allem 
diesen Statements waere vor 10 Jahren noch ein Hexenkessel gewesen -- auch 
bei schlechtester Ankuendigungspolitik. Dass aus dem Publikum von einem 
juengeren Mann dann auch noch der weise Vorschlag kam, dass Oesterreich sich 
vielleicht nicht an Truppenkontigenten, sondern doch eher in der 
Ruestungsforschung vorrangig beteiligen sollte, waere damals kaum denkbar 
gewesen. Zumindest waere er dann ganz gewaltfrei niedergebruellt worden.
Nein, nun sind sie alle sehr zivilisiert. Widersprechen zwar hin und wieder 
ein bisserl, aber grosso modo haben sie kein Problem, sich Begriffe wie 
"Polizeieinsatz", "Friedensmission" oder "internationale Gemeinschaft" an 
den Kopf werfen zu lassen.
Der Beobachter kommt ins Sinnieren. Was stoert mich eigentlich an dieser 
Debatte? Es sind gar nicht mal so sehr die Inhalte. Zu sagen, dass in 
extremen Krisensituationen es manchmal noetig sein koennte, zur physischen 
Gewalt zu greifen, ja, vielleicht sogar Menschen zu toeten, kann eine 
ehrenvolle Position sein. Es gibt Faelle, da bin ich durchaus bereit, ueber 
die Angebrachtheit dieser Position nachzudenken. Aber dann muss man es auch 
so nennen. Dann ist das Verteidigungsministerium ein Kriegsministerium. Dann 
ist eine Friedensmission eine militaerische Besetzung. Und eine 
Polizeiaktion eine Entsendung von Menschen mit der Ausbildung und Lizenz zum 
Toeten. Das kann man aber als Gutmensch nicht mehr unterstuetzen. Also muss 
man es anders nennen, um die Position beibehalten zu koennen, ohne sich 
dabei schlecht zu fuehlen. Wenn man auf der Gruenen-Homepage nach Beitraegen 
zu Militaer und Polizei sucht, landet man in der Rubrik "Frieden & 
Sicherheit". Sicher, die Formulierung stammt wohl schon aus einer 
Grundhaltung, dass man eben statt Krieg und Unterdrueckung Frieden und 
Sicherheit moechte. Das ist den Gruenen durchaus zuzugestehen. Doch landen 
sie genau deswegen bei der gleichen Sprachregelung, wie sie George Orwell so 
treffend in "1984" beschrieben hat.
Vaterland 2.0
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs haben oesterreichische Soldaten keinen 
Krieg mehr gefuehrt. Mehr als Beobachtungsposten am Golan war fuer das 
hiesige Militaer nicht drinnen. Dank EU soll das jetzt anders werden. Statt 
dem oesterreichischen Patriotismus bekommen wir jetzt ein europaeisches 
Vaterland. Um mit dem Bockerer zu sprechen: 1942 haben Oesterreicher unsere 
Schrebergaerten am Ural verteidigt, demnaechst werden sie, weiss Gott wo 
oder besser: weiss EU-Rat wo, dasselbe tun. Die Gruenen finden das gut und 
feiern es als Abschaffung des Bundesheeres. Der Beobachter denkt sich: "Ich 
bin zu dumm, das zu verstehen. Aber dann bin ich doch lieber dumm!"
Was auffaellt in Pilzens Positionen, die vom kompletten gruenen 
Nationalratsklub ohne erkennbaren Widerspruch getragen werden, ist die 
Grundhaltung, die bei den Gruenen in so vielen Frage zu beobachten ist: Sie 
reden so, als waeren sie schon in einer Regierung, deren Taten sie 
rechtfertigen muessten, weil sie nicht zugeben koennen, dass 
Koalitionspartner, Beamtenapparat, Grosskapital und internationale 
Diplomatie ihnen keine andere Wahl lassen. Man vermeint in Pilzens Fall, 
nicht einen Oppositonspolitiker zu hoeren, sondern einen 
sozialdemokratischen Verteidigungsminister. Wenn Norbert Darabos so redet, 
sehe ich das ein. Warum Peter Pilz es tut, ist mir ein Raetsel. Es sei denn, 
er hat seinen Plan, Verteidigungsminister, Pardon, Friedensminister zu 
werden, noch nicht ganz aufgegeben.
Und genau das ist das Schlimme in diesem Land: Lautstarke Opposition kommt 
nur von rechts. Von links kommt nichts, denn etablierte Linke moechten 
unbedingt "vernuenftig" und ministrabel wirken. Es waere einfach, dafuer den 
Gruenen alle Schuld zuzuschieben. Doch sie sind nicht die Ursache dieses 
Phaenomens, sondern nur dessen Symptom.
*Bernhard Redl*
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen 
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht 
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck 
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete 
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von 
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine 
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als 
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann 
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin