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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Oktober 2007; 16:08
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EU/Glosse:

> Die Weisheit des Wohlfahrtsausschusses

Nun haben Sie sich also geeinigt die Hohen Damen und Herren vom Rat der
Regierungschefs. Es gibt einen neuen EU-Vertrag! Wir muessen uns fuer diese
Weiheit und dieses zaehe Ringen bedanken, denn es ist sicher ein ganz tolles
Paket, dass sie da geschnuert haben. Eine Abstimmung ersparen sie natuerlich
ihren Voelkern, damit sich diese nicht mit diesem Konvolut beschaeftigen
muessen. Das sieht man auch beim ORF so und wir duerfen vom
EU-Korrespondenten der ZiB vernehmen, dass nach einer juengst
veroeffentlichten Studie zwar 75% der EU-Bevoelkerung fuer eine Abstimmung
waeren, aber 90% angaben, eigentlich nicht zu wissen, was in dem Vertrag
drinstuende.

Wenn man auch bekanntermassen niemals einer Umfrage Glauben schenken sollte,
die man nicht selbst in Auftrag gegeben hat, so glaube ich diese Zahlen
ausnahmsweise doch. Nehmen wir daher diese Angaben als realitaetsnah an, was
folgt daraus? Nun, um genau zu sein, koennen eigentlich zum Zeitpunkt der
Umfrage nur exakt 0% der Bevoelkerung gewusst haben, was in diesem neuen
Vertrag drinsteht, denn die Regierungschefs waren sich da ja noch nicht
einmal einig ueber diesen Text. Ja, es stellt sich die Frage, ob nach
monatelangen Herumlavieren ueber jeden Beistrich die Regierungschefs selbst
sich aller Fussangeln des neuen Vertrags, den sie gerade unterschrieben
haben, gewaertig sind. Wenigstens wird ja wohl jeder von ihnen eine Kopie
mit nach Hause bekommen haben, um nachlesen zu koennen.

Doch vielleicht wird im Laufe der naechsten Wochen auch dem interessierten
Teil des Plebs der Inhalt der Neufassung bekannt werden. Dieser
interessierte Teil wird allerdings wohl nicht mal annaehernd an 10% der
EU-Bevoelkerung herankommen. Das liegt aber wohl weniger daran, dass es
allen egal ist, was der Bruesseler Wohlfahrtsausschuss so beschlossen hat,
sondern mehr daran, dass die EU hier einen Text vorgelegt hat, der erstens
nur bedingt verstaendlich sein duerfte und zweitens uns ja eh nicht zu
interessieren hat, weil wir, die Buerger Europas, sowieso nicht um unsere
Meinung dazu gefragt werden.

Propaganda

Genau darin liegt aber das Problem. "Buergernaehe", wie sie die EU versteht,
ist nicht, uns um unsere Meinung zu fragen, sondern "sachliche und ruhige
Informationsarbeit durch die Bundesregierung und das Parlament", wie das
unsere Aussenministerin formuliert hat -- sprich Propaganda. Wobei diese
Propaganda weniger vom Parlament kommen duerfte, sondern eher ins Parlament
hineinwirken muss. Schliesslich ist es abzusehen, dass die Abgeordneten, die
dieses Dokument ratifizieren werden, wohl auch zu 90% es nicht gelesen haben
werden. Ganz unabhaengig von den neoliberalen und militaristischen Inhalten
stellt sich da schon einmal die Frage, wie demokratisch kann ein System
sein, dass Texte zu grundlegenden Vertraegen macht, die derart umfangreich
und mit juristisch fragwuerdigen und erst auszujudizierenden Formulierungen
durchsetzt sind, dass sie kaum fuer normale Menschen verstaendlich sein
koennen. Gaebe es einen klar verstaendlichen Text, zu dessen Meinung wir
auch gefragt wuerden, waere das Interesse an "Europa" sehr viel groesser.
Wuerde dieser Text dann auch nur den (nicht einmal durchwegs schlechten)
Grundrechtskatalog -- und zwar einen einklagbaren Grundrechtskatalog -- plus
klare Worte zu Fragen der Subsidiaritaet und ein echtes Demokratiepaket
enthalten, koennte ein derartiger Vertrag bei einer Abstimmung wohl wirklich
mit einer Mehrheit rechnen. Nur das wollen diese Demokraten nicht. Das ist
das ewige Uebel der buergerlichen repraesentativen Demokratie: Eliten, die
wissen, was gut fuer das Volk ist!

Aber das kennen wir ja. Gerade wir hier in Oesterreich. Die EU begeht den
selben Fehler wie einstmals die Habsburger. Die hohen Damen und Herren
schaffen einen Zentralstaat, der alles besser weiss und dann ganz empoert
ueber den Nationalismus ist. Der Gedanke des Nationalstaates ist doch wohl
vor allem durch die oesterreichische resp. oesterreichisch-ungarische
Monarchie befluegelt worden. Wie das endete, wissen wir auch.

Wo ist die Linke?

Eben in diesem Dilemma sitzen heute fortschrittliche Kraefte. Denn die
einzig politisch relevanten Gruppen, die gegen den
buerokratisch-kapitalistischen Zentralstaat mobilisieren, sind die
Rechtsextremen. Mit denen moechte man auf keinen Fall im gemeinsamen Boot
sitzen und deswegen unterstuetzt man jeden Dreck, der zur Foerderung der
Europaeischen Union dient. Anstatt auf Internationalismus und Subsidiaritaet
und vor allem die Befreiung des Individuums, das Empowerment der Untertanen,
zu setzen, wird die EU als Ueberwindung des Nationalismus hofiert. Nur
werden durch diese EU-Apologetik nicht die Rechten geschwaecht, sondern man
ueberlaesst ihnen den kompletten Bereich der Kritik an Neoliberalismus und
Paternalismus. Und ist dann voellig empoert, wenn die Faschisten die
Fruechte ihrer Proteste ernten.

Es gilt klarzumachen, dass weder der klassische Nationalismus noch der neue
EU-Patriotismus uns Segen bringen. Denn was ich vor der EU-Volksabstimmung
geschrieben habe, gilt heute noch genauso wie damals: "Nein zur EU!
Oesterreich ist schlimm genug!"
*Bernhard Redl*


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