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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Oktober 2007; 16:30
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Briefe aus Cabo Verde:

> Afrika light?

Petra Sassmann absolviert gerade ein Praktikum bei einem Verein in Kap Verde
(Westafrika), der sich auf die Unterstuetzung und Foerderung von Kindern und
Jugendlichen spezialisiert hat. Wir bringen in lockerer Folge ihre Briefe
nach Europa.

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Kap Verde, ein afrikanischer Inselstaat mit neun bewohnten Inseln in
Westafrika und mitten im Zentralatlantik, mit 4.033 km² ein bisschen
groesser als das Burgenland (mit fast der doppelten Bevoelkerung),
praesentiert sich der Touristin als verschlafenes Paradies. Informiert sich
frau ein wenig naeher, stellt sie fest, dass zu den etwa 400.000
EinwohnerInnen noch etwa 700.000 im Ausland lebende KapverdianerInnen dazu
kommen, es stellt sich ihr unmittelbar die Frage nach der Ursache.

Kap Verde ist eine pluralistische parlamentarische Republik und im HDI
(Human Development Index) an 106. Stelle von 177 Laendern, gar nicht so
schlecht. Die Kindersterblichkeit ist vergleichsweise gering, die
Lebenserwartung hoch, und auch die allernotwendigste Infrastruktur ist
flaechendeckend vorhanden, die Alphabetisierungsraten sind nahezu
vorbildhaft, Presse- und Meinungsfreiheit funktionieren in der Praxis,
Grund- und Freiheitsrechte sind bereits in der ersten Verfassung festgelegt
und im Jahresbericht von Amnesty International findet sich kein Eintrag zu
Kap Verde. Afrika light. Immerhin ist fuer 2008 der Aufstieg des Landes aus
der Gruppe der am wenigsten entwickelten Laender vorgesehen.

Nachdem die Geschichte der KapverdianerInnen von mehrfachen
Einwanderungswellen aus Portugal und Madeira, starkem wirtschaftlichem
Einfluss Englands und Portugals und enormen Emigrationswellen nach
wiederholten Hungerkatastrophen gepraegt ist, verwundert es heute niemanden,
dass sich die Jugend - als waere es schon zur Tradition geworden -
sehnlichst wuenscht, die Inseln so schnell wie moeglich zu verlassen. Und
das sind in diesem Fall drei Viertel der Bevoelkerung. Zum einen ist der
Wunsch das Land zu verlassen allgegenwaertig und auch verstaendlich, denn
neben quasi nicht existenten Aus- und Weiterbildungsmoeglichkeiten gibt es
fuer qualifizierte Personen auch kaum Arbeitsplaetze, und zum andern gibt es
eine grosse Abhaengigkeit vom Geld, das von der fernen Verwandtschaft kommt.
Immerhin verfuegt Kap Verde ueber das hoechste Pro-Kopf-Einkommen in
Westafrika, dies entspringt aber keiner selbsttragenden Entwicklung, sondern
basiert zum groessten Teil auf Entwicklungshilfe-Schenkungen und
Devisenueberweisungen aller Auslands-KapverdierInnen.

Und so wachsen die Kinder hier schon mit dem festen Wunsch auf im Ausland zu
studieren oder zu arbeiten. Etwa zwei Drittel der Familienverbaende bekommen
Geld von Angehoerigen im Ausland, diese Ueberweisungen tragen etwa 20% zum
Nationalprodukt bei. Das Durchschnittsalter liegt bei 17 Jahren, fast 52%
der Bevoelkerung ist weiblich und die Haelfte der EinwohnerInnen
konzentriert sich auf Santiago, die Hauptinsel mit der Hauptstadt Praia. Zur
Landflucht kommt also die stete Emigration, die extrem junge Bevoelkerung
und der "Maennermangel" (wenn es so was ueberhaupt gibt), uebrig bleiben die
zum groessten Teil alleinerziehenden Frauen, die nicht nur den Haushalt mit
im Schnitt 4 Kindern zu bewaeltigen haben, sondern auch den groessten Teil
des Einkommens erwirtschaften.

Eine Lehrerin verdient im Schnitt 400 Euro pro Monat, doch die
Lebenshaltungskosten sind nahezu auf europaeischem Standard. Wenn sich das
taegliche Leben nicht mehr finanzieren laesst, wird eben ausgeborgt,
angeschrieben und umgeschuldet. Mietrueckstaende von bis zu einem Jahr sind
keine Seltenheit.

Nach der turbulent-tragischen Geschichte der jungen Republik, beginnend mit
der Entdeckung durch die Portugiesen und der Besiedelung durch afrikanische
Sklaven ueber die Salazar-Diktatur und dem damit verbundenen 11jaehrigen
Unabhaengigkeitsguerillakampf, der erreichten Unabhaengigkeit 1975, dem
darauf folgenden 6 Jahre waehrenden linksnationalen Einparteienstaat, danach
folgt ein Putsch, eine Verfassungsaenderung, die langsame Demokratisierung
und nun die absolute Mehrheit der neoliberalen, marktwirtschaftsorientierten
MPD bei den ersten demokratisch freien Wahlen 1991. In nur zehn Jahren hat
es diese Partei mit Antònio M. Monteiro an der Spitze geschafft, alle
oekonomisch wichtigen Betriebe an Portugal zu verscherbeln. Es gab zwar
Ausschreibungen, aber die Stimmen, die ueber Korruption und Schiebung
fluestern, werden nicht leiser! Es befinden sich nun nach wie vor die
Festnetztelefongesellschaft (mit Monopolstellung und einem Vertrag mit
absurd langer Laufzeit), das Energiewerk, die Oelversorgung sowie die Bank
fest in portugiesischer Hand. Also, ich nenn das moderne Kolonialisierung.

Die zehnjaehrige buergerliche Herrschaft hat dem Staat zwar gute
makrooekonomische Daten, und einer kleinen Elite Vermoegen gebracht, aber
der Lebensstandard der breiten Masse hat sich kaum verbessert. Dazu kommt
die unzureichende Beschaeftigungspolitik, die hohe Arbeitslosenrate, sowie
Massenmigration in die Hauptstadt, steigende Staatsverschuldung und zu guter
Letzt die ueberproportionale Steigerung der Lebenshaltungskosten.

Es gibt zwar Pressefreiheit, aber die diversen Medien werden von den
jeweiligen Parteien betrieben, und wie Parteien filtern koennen, wissen wir!
Die sozialdemokratische Regierung (dem neuen Profil der ehemals
sozialistischen PAICV, die seit 2001 mit Pedro de Verona Rodriques Pires an
der Spitze mit absoluter Mehrheit regiert) hat die schwere Aufgabe, aus
diesem Truemmerhaufen eine funktionierende Republik zu basteln - Hauptziele
sind und waren die Armutsbekaempfung und die Steigerung der Effizienz von
Staat und Wirtschaft.

Es draengt sich mir eine Frage auf: Wie sehr kann eine Regierung, die so
abhaengig von den Devisen der EmigrantInnen ist, wirklich an der Aus- und
Weiterbildung der jungen Leute Interesse haben! Und wie kommt's, dass die
LehrerInnen in der Schule den Kindern wiederholt die Vorteile von Emigration
aufzaehlen? Und warum gibt es noch immer keine Universitaet, grossen Mangel
an Lehrkraeften, kaum Qualifizierungsmassnahmen fuer
LehrerInnenausbildnerInnen sowie SchulleiterInnen und Defiziten in der
personellen und materiellen Ausstattung der dezentralen Schulverwaltungen,
kein tragfaehiges paedagogisches Konzept fuer den Vorschulbereich? Und das
alles, obwohl die Regierung etwa 20% des Budgets fuer Bildung auszugeben
vorgibt? Mit dem quantitativen Ausbau des Bildungswesens hat die Qualitaet
der Grundbildung somit nicht mal ansatzweise Schritt gehalten. Dieser
Entwicklung wollen wir mit unserer Arbeit hier entgegen wirken. ###



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