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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Juni 2007; 16:55
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Recht/Kommentar:

> Die Khol´sche Verfassung

Andreas Khol ist Pensionist. Er hat kein oeffentliches Mandat mehr inne. Was
macht man als Pensionist? Man schreibt eine neue Verfassung. Ein nettes
Hobby fuer einen Pensionisten, fuerwahr. Andere sammeln Briefmarken oder
machen Weltreisen, Khol schreibt halt Verfassungsrecht. Nur wenn andere
Pensionisten so etwas machen, ist das deren Privatvergnuegen, bei Herrn Khol
ist das anders. Unter seiner Fuehrung bastelt derzeit eine Altherrenrunde
(ausser ihm noch Volksanwalt Kostelka, Verfassungsrechtler Oehlinger,
Ex-Rechnungshofpraesident Fiedler und zwei Vertreter der Landeshauptleute)
an einer neuen Verfassung. Dass der erste Teil nun fertig sei, beschliesst
nicht der Nationalrat, sondern Herr Khol alleine und veroeffentlicht wird
dieser Beschluss nicht im Bundesgesetzblatt, sondern im "Kurier". Dort
erfahren wir aber auch nicht, was im Detail in der neuen Verfassung stehen
soll, sondern ausser ein paar Haeppchen hauptsaechlich, dass es dort stehen
WIRD, denn der ganze Artikel ist im Indikativ geschrieben, sodass der
Eindruck entstehen muss, dass die Meinung des Nationalrats dazu irrelevant
ist -- vom Bundesvolk ganz zu schweigen: O-Ton Kurier: "Buerger koennen
Gesetze bei saeumigen Politikern kuenftig einklagen. ... Die Schulbehoerden
werden voellig umgekrempelt, Landes- und Bezirksraete werden abgeschafft.
Stattdessen wird es Bildungsdirektionen geben. Volksanwaelte und
Rechnungshofpraesident koennen kuenftig mit Zweidrittelmehrheit vom
Nationalrat abberufen werden." Weil: Wenn Herr Khol das so sagt, wird das
auch schon stimmen.

War schon der Verfassungskonvent eher eine Geheimniskraemerbude, die das
ungeschulte Volk nicht mit der komplizierten Materie des Verfassungsrechts
behelligen wollte, ist nach dessen Scheitern diese sechskoepfige Kommission
als geradezu clandestin zu bezeichnen. Tatsaechlich sind selbst
Nationalratsabgeordnete bislang aufs Zeitunglesen angewiesen. "Wir wissen so
gut wie nichts", heisst es beispielsweise aus dem Gruenen Parlamentsklub.

Aber immerhin hat Herr Khol im Kurier verlautbaren lassen: "Das wird die
groesste Reform seit 1920" und "Von 150 Verfassungsartikeln sind 50
beruehrt." Damit meint er wohl die 150 Artikel des
Bundes-Verfassungsgesetzes. Dazu kommen aber noch all die
Verfassungsbestimmungen ausserhalb des B-VG, die dem Inkorporationsgebot der
Idee einer neuen Verfassung folgend zum Grossteil getilgt und irgendwie in
ein neues B-VG aufgenommen werden muessen. Wenn das keine Gesamtaenderung
der Verfassung ist, dann weiss ich nicht, was eine sein koennte! Und eine
solche macht laut geltender Verfassung eine Volksabstimmung noetig -- aber
darueber redet man nicht, denn der Souveraen ist nicht das Volk, sondern
Herr Khol.

Und das Schlimmste daran ist: Der "Kurier" hat schon recht, wenn er nicht
anzweifelt, dass Khols Wort (Verfassungs-)gesetz sei. Denn bei der
Verlaengerung der Legislaturperiode war es doch genauso: Khol war so
ziemlich der einzige hochrangige Politiker, der ueber Jahre hinweg die
Verlaengerung der Legislaturperiode forderte. Kaum gab es eine Regierung mit
Zweidrittelmehrheit, wurde die Verlaengerung auch schon beschlossen. Mit der
neuen Verfassung, die in zukuenftigen Geschichtsbuechern wahrscheinlich als
"Khol´sche" bezeichnet werden wird, wird es nicht anders sein.
*Bernhard Redl*

Kurier-Interview: http://www.kurier.at/nachrichten/oesterreich/80892.php
Siehe auch: Abstrakte Probleme, akin 4/07, akin-pd 30.1.2007


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