**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 5. Juni 2007; 19:02
**********************************************************
G8/Kommentar:
> Immer dasselbe
Es gibt Texte, die koennte man verfassen, bevor das zu berichtende oder zu
kommentierende Ereignis ueberhaupt eingetreten ist -- beispielsweise einen
Text ueber die jetzigen G8-Proteste und die Eskalationen. So vorhersehbar
und programmiert war der Wickel. Man kann nicht mal sagen, dass man nur noch
die Zahl der Verletzten haette einsetzen muessen, denn die ist willkuerlich.
Die Zahl der verletzten Beamten kann schliesslich doch von niemanden
ueberprueft werden und jeder Polizist, der auch nur eine Abschuerfung
erlitten hat, kommt schon in die Statistik. Die Zahl der verletzten
Demonstrierenden ist hingegen eine, die aus jenen Faellen resultiert, die
amtsbekannt wurden, d.h. im Regelfall handelt es sich dabei nur um
diejenigen Verletzten, die nicht um einen Krankenhausbesuch herumkommen
konnten -- wer begibt sich denn schon freiwillig in die Gefahr, als
"Teilnehmer einer gewalttaetigen Demonstration" in den Polizeiakten
registriert zu werden?
Was bleibt, war eine Auseinandersetzung, die einfach passieren musste --
zuviel war im Vorfeld schon geschehen. Die Polizei hatte ja mittels
Hausdurchsuchungen, willkuerlichen Festnahmen und Schikanen alles getan,
damit moeglichst viele Leute "heiss" auf die Polizei waren. Da reichen dann
schon kleine Provokationen und Rempeleien und schon hat man die schoenste
Randale beisammen. Und sollte das nicht reichen, gibt es immer noch die
Moeglichkeit fuer die Polizei, Provokateure einzuschleusen. Natuerlich muss
das nicht stimmen, dennoch gibt es diesmal ein Video* aus Demokreisen, das
zwar nichts hundertprozentig beweisen kann, doch das Abgebildete laesst
anderen Interpretationen kaum Spielraum: Man sieht darauf zwei Beamte in
Zivil, die inmitten von lauter friedlich bis gelangweilt gestimmten,
unvermummten Demonstranten ploetzlich auf zwei Schwarzvermummte zuspringen
und sie festhalten, wobei diese interessanterweise aber nicht einmal im
Ansatz versuchen, sich dagegen zu wehren oder wegzulaufen. Die Szene
evoziert natuerlich sofort den spontanen Protest der Umstehenden und ein
Augenzwinkern spaeter ist die Pruegelpolizei da -- sollte das etwas anderes
gewesen sein, als ein inszeniertes Stueck verstecktes Polizeitheater mit dem
Titel "Der Schwarze Block randaliert", dann wuerde das der Beobachter
vielleicht glauben, wenn man ihm erklaeren koennte, was...
Doch braucht es eigentlich gar keine Beweise, dass die Polizei, in
Beamtenuniform oder im Autonomenkostuem, provoziert hat, schliesslich war
ihr ja gar nix anderes uebergeblieben. Denn so wirklich verlassen kann man
sich auf die richtigen "Black Blocks" ja nie -- die sind im Stande und
lassen sich von den anderen Demonstranten beschwichtigen und beschraenken
sich dann darauf, gefaehrlich auszuschauen. Und zu Beginn der Demo lief ja
alles friedlich ab. Ein paar Helden schossen Feuerwerkskoerper ab
(Zeugenaussagen zu Folge nicht in die Polizei, sondern senkrecht in die
Hoehe) und ein paar Polizisten schoben die ueblichen bloeden Meldungen.
Alles keine Katastrophe -- solange ein Offizier aus Rostock die
Einsatzleitung hatte. Doch dann wechselte man den Kommandanten ab und setzte
einen Kollegen aus Berlin ein -- der "besonders erfahren im Umgang mit
gewalttaetigen Protesten" sein soll, wie der "Tagesspiegel" berichtete. Mit
dem Berliner Offizier und seinen geschulten Riotgruppen ging dann die Post
ab. Kennern der Wiener Polizei kommt das bekannt vor: Immer dann, wenn in
den 90ern politisch ein Wickel gewuenscht worden war, schickte man
Oberstleutnant Neugeborn samt Alarmabteilung vor; wollte man hingegen keinen
Wickel, durfte Neugeborn das Kindermaedchen fuer irgendwelche
Verkehrspolizisten im Hintergrund spielen und hatte Frontverbot. Aehnliches
duerfte hier passiert sein. Polizei (und Bundesregierung) hatten nach all
den Ereignissen im Vorfeld, und angesichts von paranoiden
"Sicherheits"massnahmen wie dem 12 km langen und genauso viele Millionen
teuren Zaun rund um Heiligendamm keine Wahlmoeglichkeit: Es musste zum
grossen Showdown kommen, sonst waere der ganze Staatsterror nicht zu
rechtfertigen gewesen.
Wie es dann zur Randale tatsaechlich kam und wer denn nun wirklich
"angefangen" hat, wird im Detail wohl, wie ueblich, nie restlos und objektiv
geklaert werden -- warum es aber dazu kommen musste, ist klar.
Und klar war auch schon vor den Auseinandersetzungen, wie der heimische
Rundfunk darueber berichten wuerde: Man nehme die Agenturberichte, die
allesamt vom Polizeibericht abgeschrieben wurden, reportiere die
altbekannten "anarchistischen Gewalttaeter", wuerze das ganze noch mit einer
Distanzierung von Attac-Deutschland -- und fertig ist der Bericht fuer die
Kurznachrichten.
Ach! Manchmal ist es der Verfasser muede, immer wieder dasselbe so dermassen
leicht und ohne Wahrsagerkuenste Prognostizierbare zu kommentieren.
*Bernhard Redl*
* http://de.indymedia.org/2007/06/180552.shtml
Das File ist 14MB gross. Die geschilderte Szene ist erst ganz am Schluss des
Videos zu sehen.
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin