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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 22. Mai 2007; 17:33
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Frankreich:
> Alle Macht fuer Sarkozy
Nach den Praesidentschafts- ist vor den Legislativwahlen
2,2 Millionen Stimmen Vorsprung gegenueber Royal ermoeglichen es Sarkozy, an 
die rasche Umsetzung seines ultraliberalen Programms zu gehen. Zudem stuetzt 
er sich auf die totalitaere Verfassung der V. Republik, die auf De Gaulle 
zugeschnitten war: All-Macht als Staatspraesident; Chef des Ministerrates; 
Chef des Premierministers; Herr ueber die Aufloesung der 
Nationalversammlung; Herr ueber den Atomknopf; hoechster Repraesentant der 
Aussenpolitik ....
Seine Augen und seine Handschrift werden ueberall zu erkennen sein.
All das wahrscheinlich noch gestuetzt von einer saftigen Mehrheit im 
Parlament nach den Legislativwahlen am 10. und 17. Juni 2007
Der einzige Wind, der ihm entgegen blasen wird, ist der Widerstand aus den 
von den radikal-rechten Reformen betroffenen Sektoren der Gesellschaft, der 
sich bereits zu formieren beginnt.
Als Nicolas Sarkozy am 16. Mai die Schluessel der Macht und den Geheimcode 
fuer den Zugriff auf die Atomwaffen bei einer koeniglich zeremoniellen Farce 
von Ex-Praesident Chirac uebernahm, hatte er bereits vor Amtsantritt 
"sozialpartnerschafts-aehnliche" Schein-Gespraeche mit den 
Gewerkschaftsspitzen hinsichtlich der Aufrechterhaltung eines 
Minimalbetriebes bei Streiks in oeffentlichen Verkehrsbetrieben und in 
Schulen hinter sich. Die Basis interpretiert dies als Einschraenkung und 
Beschneidung des Streikrechts. Selbst wenn die Gewerkschaftsspitzen sich 
dagegen aussprechen, wird Sarkozy diese Massnahme durchziehen.
Noch am Tag des Amtsantrittes musste auch Angela Merkel nach seinem 
Blitzbesuch in Berlin anmerken, dass der neu zu reformierende 
EU-Verfassungsvorschlag "sehr sehr auf Sarkozy abgestimmt" werden wird. 
Dieser hatte einen Mini-Vertrag vorgeschlagen, welcher von den uebrigen 
EU-Kommissionsmitgliedern als ungenuegend empfunden wird. Der Mini-Vertrag 
sollte die eingeschraenkte Funktionsweise der EU-Institutionen bereinigen 
(unter anderem einen Uebergang vom Einstimmigkeitsprinzip zum 
Mehrheitsprinzip schaffen ...). Diesen neuen Vertrag will er allerdings nicht 
mehr - wie 2005 unter Chirac geschehen - einer Volksabstimmung unterziehen, 
sondern vom Parlament abnicken lassen.
Aeusserst rasch hatte er eine Regierungsmannschaft auf die Beine gestellt, 
um sogar bis zu den Parlamentswahlen schon wichtige Entscheidungen 
hinsichtlich der Umsetzung seines angekuendigten Programms vorzunehmen.
Dieses Programm sieht vor: Mai 68 liquidieren, Steuergeschenke fuer die 
Reichen; Einschraenkung des Streikrechtes; weitere Privatisierungen der 
Oeffentlichen Dienste; Verfolgung der sans papiers; Aushoehlung der 35 
Stundenwoche; Ausweitung der prekaeren Arbeitsverhaeltnisse; 
Verschlechterungen im Arbeitsrecht usf.
Neben Ministerpraesident Francois Fillon (er war bereits viermal Minister 
und rueckte im Laufe der Jahre immer weiter nach rechts) gibt es 7 Frauen 
und 7 Maenner in der Regierung (zuvor waren es zusammen 30). Der 
sozialistische Ex-Minister unter der Jospinregierung Bernard Kouchner hat 
akzeptiert in der ersten Regierung Sarkozys das Aussenministerium zu 
uebernehmen, wobei er sich einen gewissen Spielraum fuer eigene Meinung und 
Entscheidungen aushandeln konnte. Hinsichtlich der Pro-US-Atlantikpolitik 
geht er mit Sarkozy ohnedies d'accord; aber auf anderen Gebieten (z.B. 
Darfour, Iran, Tuerkei, Israel/Palaestinakonflikt) wird wohl Sarkozy das 
letzte Wort haben. Diese Haltung Kouchners kann der SP fuer die 
bevorstehenden Legislativwahlen nur schaden. [Anm. d.Red. Kouchner wurde 
mittlerweile aus seiner Partei ausgeschlossen.]
Weiter im selben Tonfall
Die am 10. und 17. Juni stattfindenden Legislativwahlen werden der UMP 
Sarkozys die Mehrheit im Parlament bringen, da das Mehrheitswahlrecht (die 
Einfuehrung eines teilweisen proportionalen Wahlrechts ist nicht vor 2012 
vorgesehen) die zwei grossen Parteien, die UMP und die SP in der Stichwahl 
beguenstigen. Dass einige Zentristen, Kommunisten, Gruene etc. ins Parlament 
kommen, ist nur moeglich, weil es Absprachen und eine Kandidatsaufteilung in 
gewissen Wahlkreisen gibt. Trotzdem werden von rechtsextrem bis linksextrem 
alle Parteien in vielen Wahlkreisen ihre eigenen KandidatInnen aufstellen, 
denn von den erreichten Stimmen haengen die staatlichen 
Parteienfinanzierungen ab.(Wahlkostenrueckerstattung gibt es nur fuer jene 
KandiatInnen, die 5% der Stimmen erreicht haben).
Dass sogar eine Partei, die 18% der Stimmen bei der Praesidentschaftswahl 
hatte, bei den Parlamentswahlen nur wenige Abgeordnete erreichen kann, liegt 
an den Bedingung des Mehrheitswahlrechts. Absprachen von SP mit KP und 
Gruenen haben zu keinem Ergebnis gefuehrt und so treten alle Gruppierungen 
nebeneinander an. Die KPF wird in 518 der 577 Wahlkreise eigene 
KandidatInnen aufstellen. Auch die LCR wird in 500 Wahlkreisen mit eigenen 
KandidatInnen antreten, die gegen die Sarkozyoffensive auftreten und eine 
echte antikapitalistische Linksopposition aufbauen helfen.
Was hat zum Sieg von Sarkozy und zur Niederlage von Royal gefuehrt?
Sarkozy hatte, seit er den Parteivorsitz der UMP uebernahm, diese auf 
Einheit hinter seiner Person auf harten rechten Kurs eingeschworen, ein 
klares radikales Programm vorgelegt und staendig eine offensive Strategie im 
Wahlkampf eingeschlagen. Er hat die Werte der Rechten, wie Ordnung, 
Autoritaet, Verdienst und Belohnung betont. Er scheute sich nicht, Zitate 
von Antonio Gramsci zu benuetzen, indem er dessen politische Klarsicht 
hinsichtlich der Machtergreifung zitierte: "die ideologische und die 
kulturelle Hegemonie gehen der politischen voraus".
In der SP hatte Francois Hollande, der seit 10 Jahren an der Spitze ist, 
auch nach der Wahlniederlage von 2002 den Diskussionsprozess ueber Struktur, 
Reformen und Programm der SP nicht vorangetrieben. Die verschiedenen 
Stroemungen in der SP hatten immer wieder unterschiedliche Kommentare zu 
verschiedenen Programmpunkten und Ségolène Royal hatte dann noch ihre eigene 
Meinung.
Die SP verschiebt ihre kritische Wahlanalyse der wiederholten Niederlage auf 
die Zeit nach den Legislativwahlen.
Die Angriffe Sarkozys, "den Mai 68 zu liquidieren" haben zahlreiche 
Stellungnahmen unter den ehemaligen Akteuren dieser Bewegung hervorgerufen. 
So von Henri Weber in der Fabius-Stroemung der SP; Alain Krivine und Daniel 
Bensaid, Leitung LCR; Daniel Cohn-Bendit, Gruene...
In der letzten Woche vor dem 2. Wahlgang hatte Sarkozy gesagt: "Bei dieser 
Wahl geht es darum, zu wissen, ob das Erbe von Mai 68 weiter bestehen soll 
oder ob es ein fuer alle Mal liquidiert werden soll. Ich will die Seite von 
Mai 68 umblaettern."
Auch die heutige StudentInnengeneration reagierte auf Sarkozys Politik mit 
der Besetzung der Uni Tolbiac in Paris und auf der Wand war zu lesen: "ER 
HAT RECHT; WIR MUeSSEN DIESMAL WEITER GEHEN"
(Johann Schoegler, erhalten ueber die ASF-Mailinglist)
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